Basketball

Albas Jonas Mattisseck: Raketenstart in die Karriere

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Dietmar Wenck
Kennt keinen falschen Respekt: Alba-Talent Jonas Mattisseck (r.) zieht in der Euroleague an Andrew Albicy von Zenit St. Petersburg vorbei.

Kennt keinen falschen Respekt: Alba-Talent Jonas Mattisseck (r.) zieht in der Euroleague an Andrew Albicy von Zenit St. Petersburg vorbei.

Foto: Bernd König via www.imago-images.de / imago images/Bernd König

Jungprofi Jonas Mattisseck (19) wollte bei Alba als Bundesligaspieler Fuß fassen. Jetzt erregt er sogar schon in der Euroleague Aufsehen.

Berlin. Jonas Mattisseck kann sehr sachlich sein. Professionell. Wenn der junge Spielmacher von Alba Berlin etwa auf das Duell an diesem Dienstag (20 Uhr, Magentasport) in der Euroleague mit Armani Mailand angesprochen wird, analysiert er seinen direkten Konkurrenten Sergio Rodriguez ganz nüchtern so: „Das ist mit mein bester Gegenspieler bisher, ein extrem guter Basketballer. Das komplette Paket.“ Ein sehr guter Verteidiger, sehr guter Schütze, ein sehr guter Vorlagengeber, Welt- und Europameister mit Spanien, Euroleague-Champion mit Real Madrid und ZSKA Moskau. 33 Jahre alt, hat alles erlebt. Einer, der dich richtig alt aussehen lassen kann. Aber was sagt der 19-jährige Mattisseck? „Es ist einfach ein großartiges Gefühl, gegen so jemanden zu spielen.“

Pure Freude ja, Angst niemals

Er kann also auch emotional sein. Wie wäre es denn mit ein bisschen, sagen wir, Fracksausen vor einer solchen Herausforderung? „Nein“, antwortet er sehr bestimmt, „ich liebe diesen Sport und jede Sekunde, die ich auf dem Feld stehe. Angst war noch nie dabei.“ Nur die pure Freude über das, was er gerade erlebt und was er so bald gar nicht erwartet hatte: „Das macht mir unfassbar viel Spaß.“

Im Sommer hat Mattisseck seinen ersten Profivertrag unterschrieben, gleich über vier Jahre bei Alba. Anders als sein Freund Franz Wagner, den es ans College nach Amerika zog. Sein Ziel war, sich in der Bundesliga zu etablieren, zu zeigen, dass er dort mithalten kann. Nun heißen die Gegner neben Vechta und Würzburg plötzlich auch Efes Istanbul, FC Barcelona, ZSKA Moskau und Armani Mailand, weil Stammkräfte wie Peyton Siva und Martin Hermannsson verletzt oder krank ausfielen. Und der junge Mann spielt nicht nur mit, er hält auch mit. „Die Euroleague sollte für mich eigentlich nur ein Bonus sein“, sagt er, „jetzt war ich sogar schon zweimal Starter. Das ist einfach unglaublich.“

Sein Abitur hat Mattisseck mit 1,7 abgeschlossen

Nun muss man hinzufügen, dass dies nicht nur an der Gnade seines Trainers Aito Reneses liegt, dem großen Talentförderer. Es liegt vor allem daran, dass sich der gebürtige Berliner enorm schnell enorm gut entwickelt. Bis 2015 spielte er noch für den VfL Lichtenrade, kam nach einer Saison beim TuS Lichterfelde erst vor drei Jahren zu Alba. Dann ging es Schlag auf Schlag. 2017 erste Einsätze in der dritten Liga für Kooperationspartner Lok Bernau, im Januar 2018 Debüt für Alba in Eurocup und deutschem Pokal, im März in der Bundesliga. In demselben Jahr wurde er mit Albas NBBL-Team deutscher Juniorenmeister und wertvollster Spieler (MVP) des Wettbewerbes, gewann außerdem als Kapitän mit der deutschen Junioren-Nationalmannschaft das renommierte Albert-Schweitzer-Turnier. Wertvollster Spieler: Jonas Mattisseck.

Seine Karriere geht ab, könnte man sagen, wie eine Rakete. Und Jonas Mattisseck scheint jetzt erst so richtig durchzustarten, nachdem er im Frühsommer sein Abitur mit 1,7 abgeschlossen hat und die Entscheidung traf, „meinen Weg bei Alba weiterzugehen“. Geschäftsführer Marco Baldi ist darüber natürlich froh, dass den Verein nicht nach den Wagner-Brüdern Moritz (Washington Wizards/NBA) und Franz Wagner (Michigan Wolverines/College) das nächste Riesentalent verlässt. „Jonas ist einer derjenigen, die genau das verkörpern, was wir wollen“, sagt er, „gerade weil er nicht von Anfang an bei Alba war. Wir wollen eine Berliner Basketball-Identität schaffen. Alba soll ein Gemeinschaftswerk sein.“

In Zukunft ein Mann für den Bundestrainer

Auch dem Bundestrainer gefallen die Auftritte des jungen Mannes sehr gut. „Es ist beeindruckend, wie sich Jonas in der Anfangsphase der Saison präsentiert“, lobt Henrik Rödl, „er ist defensiv superstark, sehr ehrgeizig, spielt mutig und frei. Er hat die Zeit sehr gut genutzt, in der Peyton verletzt war.“ Rödl hatte Mattisseck auch schon einmal ins Nationalteam berufen; beim WM-Qualifikationsspiel im Februar kam er allerdings nicht zum Einsatz. Dafür gewann er im Juli EM-Bronze mit der U20, erzielte durchschnittlich zwölf Punkte pro Spiel.

Das Nationalteam kann ja noch kommen. Wird vermutlich kommen, wenn Mattisseck gesund bleibt, denn gute Spieler auf den kleineren Positionen, die sogenannten Guards, sind in Deutschland rar gesät. Zumal der junge Mann neben seinem besonderen Talent auch viel Einsatzbereitschaft mitbringt. Vor den regulären Übungseinheiten trifft er sich häufig mit Individualtrainer Carlos Frade zum Extratraining, danach mit Assistenztrainer Sebastian Trzcionka zu einer weiteren Session. Solche Mentalität schätzen sie bei Alba, zumal ja das Ergebnis auf dem Feld auch sichtbar wird.

Eines Tages mit Spielern wie Rodriguez auf Augenhöhe?

Dabei bleibt Mattisseck immer ein geerdeter Teamplayer, wie Baldi hervorhebt. „Von seiner Einstellung und seinem Charakter passt Jonas wunderbar zu uns. Hier kann er weiter wachsen.“ Nichts anderes hat Mattisseck vor. All die positiven Dinge, die er schon erlebt hat, will er wertschätzen, „sonst gerät das alles viel zu schnell in Vergessenheit. Trotzdem habe ich mir für die Zukunft sehr, sehr viel vorgenommen.“

So glaubt er, schon in dieser Saison dem großen Rivalen Bayern München den deutschen Meistertitel abjagen zu können. „Ich spreche für die ganze Mannschaft, wenn ich sage, dass es unser großer Traum ist, dem Verein, den Fans, aber auch allen, die an der Organisation mitarbeiten, einen Titel zu schenken. Wenn es dieses Jahr nicht klappt, greifen wir eben nächstes Jahr wieder an.“ Für sich persönlich hätte er da allerdings auch noch eine konkrete Vorstellung. Er versuche zwar, nicht zu früh zu groß zu träumen. „Aber in drei, vier Jahren will ich zu einem der Spieler werden, die immer von Anfang an auf dem Feld stehen. Und langfristig will ich mit so einem wie Sergio Rodriguez auf Augenhöhe sein.“