Berlin. Die Baseball-Kappe, mit der Aito Garcia Reneses am Ende der vergangenen Saison die Geschicke seiner Mannschaft an der Seitenlinie lenkte, wird Albas Coach zukünftig nicht mehr tragen. Seine Augen brauchen den schattenspendenden Schutz nicht mehr, denn seine Sehstärke konnte zu Beginn des Sommers operativ wiederhergestellt werden. Der 72-Jährige hatte vom Erfolg des Eingriffs seine Rückkehr nach Berlin abhängig gemacht. An diesem Sonnabend geht der Spanier beim Pokal-Achtelfinale gegen Würzburg (18 Uhr, Schmeling-Halle) mit neuem Schwung in seine dritte Saison als Albas Cheftrainer. Und mit einer weiteren Bestätigung seines ohnehin längst legendären Rufs, denn Spanien ist vor nicht mal zwei Wochen in China Basketball-Weltmeister geworden – und zwar mit einem Team, das man weltweit die „Goldene Generation“ nennt und deren entscheidende Spieler wie Ricky Rubio, Rudy Fernandez oder Marc Gasol Albas Trainer geprägt haben dürfte wie kaum ein anderer. Bereits 2008 hatten die drei Stars mit ihm olympisches Silber gewonnen.
Berliner Morgenpost: Fühlen Sie sich auch ein wenig als Weltmeister, Senor Reneses?
Aito Reneses: Nein, natürlich nicht, aber ich habe mich über diesen Erfolg sehr gefreut, weil die spanische Mannschaft jetzt schon seit 15, 20 Jahren immer vorn dabei ist, wenn es um Titel geht. Sie war ja bereits 2006 Weltmeister. Sie sind und waren so erfolgreich, weil es in ihr keine Spezialisten gibt, sondern alle alles können, im Angriff, in der Verteidigung, Passen, Werfen – und vor allem, weil sie wissen, was wann zu tun ist. Dass ich mit einigen Spielern längere Zeit zusammengearbeitet habe, stimmt schon, aber das ist jetzt ihr Erfolg, weil sie bereit und in der Lage waren zu lernen.
Sie sind in einem Alter nach Berlin zurückgekehrt, in dem andere schon längst im Schaukelstuhl sitzen. Lässt Sie das Lehren und Coachen nicht los?
Treffender ist, dass es mir ganz einfach Spaß macht. Ich liebe Basketball, ich mag die Spieler und die Gruppe der Coaches, mit denen ich hier bei Alba arbeite, genauso wie alle, die im Hintergrund tätig sind – und ich liebe die Berliner Fans. Uns alle zusammen sehe ich als ein Team.
Macht Sie dieses Leben auch selbst ein wenig jünger?
Auf jeden Fall. Mich hält es jung, und die Spieler werden etwas erwachsener.
Gibt es so etwas wie die Weisheit des Alters, Dinge, die Sie jetzt besser vermitteln können als vor – sagen wir – 20 Jahren?
Möglicherweise ja, aber das ist nicht so sehr eine Frage des Wissens, sondern der Erfahrung, dieses Wissen zu vermitteln. Und genau das ist es, was mich reizt und was mir Spaß macht, um noch mal darauf zurückzukommen. Ich glaube fest daran, dass jeder besser werden kann. Jeder kann von jedem lernen, wenn er oder sie mit offenen Augen durch das Leben geht.
Gibt es Situationen, in denen Sie sich wünschen, 20 Jahre jünger zu sein?
In fast jeder (lacht), aber wir alle wissen, dass das nicht möglich ist.
Svetislav Pesic hätte die Frage sicher ähnlich beantwortet. Der feierte Ende August seinen 70. Geburtstag und trainiert den FC Barcelona. Stehen Sie miteinander in Kontakt?
Nein, nicht regelmäßig, aber immer, wenn wir uns begegnen, ist es sehr unterhaltsam und anregend, sich mit ihm zu unterhalten.
Während des Testspiels gegen AS Monaco haben Sie mitten zwischen den Spielern gesessen und Ihrem Assistenten Israel Gonzales das Coachen überlassen. Werden wir das während der Saison öfter sehen?
Geplant ist das nicht, aber niemand weiß, was die Zukunft bringt. Albas Ziel ist es, dass sich alle weiterentwickeln, auch die Coaches. Sowohl der Klub als auch ich haben in Israel uneingeschränktes Vertrauen. Nach den zwei Jahren in Gran Canaria und den beiden bei Alba gehen wir jetzt in die fünfte gemeinsame Saison. Israel hat ja auch die Vorbereitung auf die Saison begonnen, als ich noch nicht wieder zurück in Berlin war.
Sie haben schon in der vergangenen Saison, in der Ihr Team 71 Pflichtspiele bestritt, beklagt, dass den Spielern kaum Zeit zur Regeneration und den Coaches keine Zeit zum Training bleibt. Der Terminkalender wird jetzt durch die Euroleague noch gedrängter. Machen Sie sich Sorgen?
Sagen wir es so: Es wird noch anspruchsvoller, wir werden noch öfter auf noch bessere Gegner treffen und mehr reisen. Manchmal spielen wir mittwochs, freitags und am Sonntag, dann wieder sonntags, dienstags und donnerstags – mit Reisetagen dazwischen. Zuallererst hoffe ich natürlich, dass wir gesund bleiben, dann davon profitieren, daran wachsen und noch besseren Basketball spielen. Sicherlich wartet auf uns eine Umstellung, aber wir wollen unseren temporeichen Stil behalten. Das wird nur gehen, wenn wir im Vergleich zur letzten Saison die Einsatzzeiten einzelner reduzieren. Sorgen bereitet mir, wenn ich mir ausmale, wie es weitergehen könnte. Die Euroleague ist während der Hauptrunde die beste Liga der Welt, auch vor der NBA. Bei einem immer praller gefüllten Spielplan wird es problematisch, die Intensität zu halten. Ich sehe die Gefahr, dass es bei immer mehr Spielen dann in einigen gar keinen richtigen Wettbewerb mehr geben wird.
Aktuell starten Sie am Sonnabend im Pokal gegen Würzburg mit einem Alles-oder-Nichts-Spiel in die Saison. Es geht gleich um die Chance auf einen Titel. Ist Ihr Team bereit?
Es ist doch jedes Spiel schwierig und eine Herausforderung. Deswegen ist mir zuallererst wichtig, dass alle gesund sind. Dann können wir das Spiel auch gewinnen.
Zuletzt fehlten Jonas Mattisseck, Kenneth Ogbe und Peyton Siva verletzt.
Jonas und Kenny werde ich voraussichtlich wieder einsetzen können, auch wenn beide wenig oder gar nicht trainiert haben. Bei Peyton, der nach einem Schlag auf die Wade beim Turnier in Zadar noch immer muskuläre Probleme hat, möchte ich mich nicht festlegen. Wir wollen natürlich kein Risiko eingehen.
Sie haben vergangene Woche in Zadar gegen zwei Euroleague-Teams gespielt, Khimki Moskau mit 85:66 geschlagen und gegen Efes Istanbul mit 74:92 verloren. War das eine gute Standortbestimmung?
Khimki eher nicht, weil fünf Spieler fehlten. Das Spiel gegen Efes war hingegen eine wichtige Erfahrung, obwohl wir klar verloren haben. Alle haben gesehen, dass wir uns in vielen Aspekten verbessern müssen, wenn wir auf diesem Level mithalten wollen.
Zählt man Youngster wie Mattisseck, der im Sommer einen Vierjahresvertrag unterschrieb, mit, können Sie elf Spieler aufbieten, die schon in der vergangenen Saison für Alba spielten. Werden Sie vor allem anfangs davon profitieren?
Darauf hoffe ich, besonders, weil alle zu Alba zurückkommen wollten. Klubs, die viele neue Spieler verpflichten, haben dann ja nicht auch gleich eine Mannschaft, ein Team mit akzeptierten Hierarchien, in dem sich Freundschaften entwickelt haben. Der Weg, den wir beschritten haben, ist auch für unsere Fans wichtig, weil sie sich mit unserem Team identifizieren können.
Von den 17 Bundesliga-Coaches sehen nur Würzburgs Dennis Wucherer und Thomas Päch, der Ihr Team im Sommer Richtung Bonn verlassen hat, Alba als den kommenden Meister. Was denken Sie?
(Lacht) Ich denke, dass Thomas unser Freund ist.