Berlin. Manchmal unterhalten sich Luke Sikma und Himar Ojeda noch über die Anfänge. Wie sich ihre Wege zum ersten Mal kreuzten vor sieben, acht Jahren. Ojeda, heute Sportdirektor von Alba Berlin und damals Manager bei CB Gran Canaria, hatte den Amerikaner nach dessen Collegezeit auf die Sonneninsel gelotst. Niemand wollte den Sohn der NBA-Legende Jack Sikma seinerzeit so recht unter Vertrag nehmen. In Spanien begann der Sohn eines Basketball-Millionärs auch nicht etwa in der höchsten Liga ACB, sondern eine Etage tiefer beim Farmteam UB La Palma. Sein Apartment war winzig, er teilte sein Auto mit anderen Spielern. Egal, Status war ihm nicht wichtig. Aber Interviews gab er schon nach kurzer Zeit auf Spanisch. Ojeda sagt: „Ich habe an ihn geglaubt.“
Die Fans rufen wie aus einer Kehle „Luuuuk“
Sprechen sie heute darüber, müssen beide lachen. Ihre Wege haben sich nach jener Saison getrennt, doch beider Vita verlief positiv. Sikma kämpfte sich Jahr für Jahr ein bisschen höher in Spanien, landete 2015 bei Valencia BC und wurde mit dem Klub spanischer Meister. Ojeda arbeitete eine Weile für die Estudiantes Madrid und die Atlanta Hawks und wechselte 2016 zu Alba Berlin. Nach einer enttäuschenden Saison holte der Klub im Sommer 2017 zum großen Schlag aus, verpflichtete Trainer Aito Reneses Garcia und suchte den Schlüsselspieler für das Projekt Neustart. Die Wahl fiel auf Luke Sikma. An diesem Sonntag (15 Uhr, Sport1 und Magentasport) soll dieses Projekt beim Pokalfinale in Bamberg zum ersten gemeinsamen Titelgewinn führen.
Wenn er zum Dreier ansetzt, werden die Alba-Fans wie aus einer Kehle „Luuuuk“ rufen. Und in lauten Jubel ausbrechen, wenn er trifft. In den eineinhalb Jahren in Berlin hat Sikma eine Beliebtheit erlangt, bei seinen Mitspielern, den Anhängern, im Klub, selbst bei der Konkurrenz, wie sie andere nie erreichen. Das liegt zum einen an seinen sportlichen Auftritten. „Ich versuche nur zu geben, was dem Team hilft“, sagt der 29-Jährige. Das ist sehr viel. Er ist ein Mann für alle Positionen, eine Rarität im Basketball. Kann ackern wie ein Pferd in der Verteidigung und unter den Körben. Hat aber auch eine hohe Spielintelligenz, erkennt schneller als andere die Schwächen beim Gegner. Trotz 2,03 Meter Körpergröße bringt er den Ball nach vorn, wenn auf der Spielmacherposition Not herrscht, wie zuletzt häufig. Ein besonderer Druck sei das nicht, sagt er, „es hilft mir ja, ein besserer Spieler zu werden“.
Panathinaikos wollte ihn schon letztes Jahr holen
Ohne der überragende Schütze zu sein, taucht Luke Sikma in den Statistiken des Eurocups fast überall in den Top 20 auf, bei den Rebounds (sieben im Schnitt/Rang 4), bei den Korbvorlagen (4,4/13), bei den Ballgewinnen (1,9/5) und daraus folgend in der Effektivität, die alle Komponenten addiert, auf Rang vier mit 18,3 Punkten. Selten verlässt er als Topscorer das Parkett. Doch fast immer haben seine Statistiken mindestens einen Topwert. „Er spielt auch mit einem gewissen Risiko, hat gedanklich eine hohe Geschwindigkeit“, sagt Geschäftsführer Marco Baldi. „Luke Sikma und unser Alba-Stil“, fasst er zusammen, „das passt perfekt.“
Doch der Sport ist nur die eine Begründung für die hohe Wertschätzung. „Luke versucht, jedem zu helfen, Tipps zu geben“, sagt Rokas Giedraitis, der sich auf Reisen ein Zimmer mit ihm teilt, „ich bin glücklich, mit ihm zusammenzuspielen.“ Immer offen, interessiert – er verströmt eine Freundlichkeit, die von innen kommt und nicht aufgesetzt ist. Ojeda beschreibt ihn so: „Luke ist gut erzogen, ein Vorbild für jeden. Er ist eine seltene Kombination aus großartigem Menschen und großartigem Spieler.“ Daher ist es ein kleines Wunder, dass Sikma noch in Berlin spielt. Panathinaikos Athen fragte im vergangenen Sommer an, auch andere Top-Vereine Europas zeigen unverhohlen Interesse. Ende der Saison läuft sein Vertrag aus. „Wenn er nicht Luke wäre, würde ich sagen: Er geht sicher“, sagt Ojeda, „doch so bin ich optimistisch.“ Ginge es nur um Geld, würde Sikma wechseln. Das glauben sie bei Alba aber nicht. Wollen es nicht glauben.
Der akzeptierte Star in einem Team ohne Stars
Denn Alba hat dem Profi ja auch etwas gegeben, nicht nur von ihm bekommen. In Berlin kann er die Rolle des Anführers leben. Er ist der von allen ohne viele Worte akzeptierte Star in einem Team ohne Stars. Junge Spieler weiterzuentwickeln, macht ihm Spaß. Die Mannschaft ist so miteinander verbunden, wie es seit langer Zeit nicht mehr der Fall war, vielleicht noch nie. Baldi glaubt: „Er hat Freude dabei und genießt, was er tut.“ Was jetzt folgen soll, ist der nächste Schritt: die Europaliga, Ziel der besten Profis und Vereine. Auch Alba will dorthin zurück. „Wenn wir ein Team dafür haben, eine Perspektive, dann könnte es sein, dass Luke bleibt“, glaubt Ojeda.
Sikma hält sich mit Aussagen zu all diesen Dingen zurück. Zunächst einmal steht das Pokalfinale an, und der Amerikaner weiß am besten, wie viel der erste Titel seit 2016 für Alba Berlin und sein junges Team bedeuten würde. Luke Sikma verzichtet sympathisch auf alle Coolness, redet nicht lange drumherum: „Ich bin sehr aufgeregt.“