Berlin. Mittlerweile wissen alle, was nach Alba-Siegen passiert. Schließlich gewann Berlins Basketballteam sieben der ersten acht Spiele dieser Saison. Auch die Fernsehkameras sind bereit und richten sich auf die Mannschaft, wenn sie sich vor der Ehrenrunde zum Kreis versammelt. Denn es gibt Merkwürdiges zu sehen.
Martin Hermannsson, 1,91 Meter groß, hält Dennis Clifford (2,13 Meter) von hinten fest und dann setzt es Backpfeifen für Albas Center, auch jetzt, da er verletzungsbedingt nichts hatte falsch machen können. Erst Peyton Siva mit der flachen Rechten, dann Stefan Peno mit links, nach dem Arbeitssieg am vergangenen Dienstag gegen Gdynia (82:68) durfte auch Youngster Jonas Mattisseck dem langen US-Amerikaner eine mit der flachen Hand verpassen. Und es war wie immer: Alle brüllten sich an, lachten und hüpften herum wie Zehnjährige beim Hitzefrei. Dann ging es gut gelaunt in die Kabine und der Rest der Welt fragte sich: Was, bitte schön, soll das?
„Mich dürfen Sie nicht fragen“, sagt nordisch cool der Isländer Hermannsson, der erst im Sommer zu Alba kam. „Das muss irgendwie in der vergangenen Saison angefangen haben. Mir hat man nur gesagt, dass ich Dennis festhalten soll.“ Sivas Antwort fällt mit breitem Grinsen kurz und knapp aus. „Weil er es verdient hat“, erklärt Albas Spielermacher. Peno wird sogar noch grundsätzlicher: „Wenn man Dennis sieht, ist der Wunsch, ihn schlagen zu wollen, rein menschlich eine ganz normale Reaktion.“ Sagt’s und prustet vor Lachen.
Das Berliner „Klassenfahrt-Gefühl“ ist allgegenwärtig
Nur der so oft Geschlagene kann sich genau erinnern, wie alles anfing. „Ich habe vergangene Saison Peyton während eines Spiels mal unabsichtlich im Gesicht getroffen“, sagt Clifford mit ebenso breitem Grinsen wie seine Peiniger. „Er hat so getan, als wäre nichts, ging dann aber an mir vorbei und zischte: ‚Das kriegst Du wieder!’“ Und aus diesem einen Mal sei nun ein Ritual entstanden, „das die Mannschaft nach Siegen noch mal mit Energie und Adrenalin auflädt“. Und in das sich Clifford notgedrungen fügt. Nicht nur, weil er so selbst viel zum „Klassenfahrt-Gefühl“ innerhalb des Teams beiträgt und immer auf der Suche nach dem nächsten Gag ist, sondern auch, weil ein paar Schellen kaum der Rede wert sind im Vergleich zu dem, was alle Tag für Tag bei der Ausübung des einstmals körperlosen Spiels einstecken müssen.
Wobei es natürlich Unterschiede bezüglich des Härtegrads der Gegner gibt, mit denen es Alba während einer Saison zu tun bekommt. Von Teams, die sich irgendwann der offensiven Power der Berliner fügen, bis hin zu den Riesen aus Ludwigsburg, die an diesem Freitag (20.30 Uhr, Telekomsport) in der Mercedes-Benz Arena zu Gast sind und deren Markenzeichen eine ausgesprochen rustikale Gangart ist.
Alle 37 Sekunden ein Foul und 55 Freiwürfe waren Rekord
„Wir wissen, was uns erwartet“, sagt Albas Geschäftsführer Marco Baldi und bemüht zum Beweis die Statistik der Heimniederlage der Ludwigsburger gegen Bamberg vor knapp zwei Wochen. In dem Spiel, das die Franken erst nach Verlängerung mit 93:91 gewannen, wurden gegen die Ludwigsburger 37 persönliche Fouls gepfiffen. Rein mathematisch ergibt das ein Foul alle 37 Sekunden, wenn man annimmt, dass die Schwaben rund die Hälfte der Spielzeit den Ball in ihren eigenen Reihen hatten. Und ganz nebenbei: Die 55 Freiwürfe, die Bamberg zugesprochen bekam, sind Bundesliga-Rekord.
Angesichts dessen freute sich Baldi nach dem Kraftakt gegen Gdynia am Dienstag nicht nur „über einen sehr wichtigen Sieg“ im Eurocup, sondern auch, weil die Partie lange auf der Kippe gestanden hatte. Der hart erkämpfte Sieg gegen die Gäste aus Polen sei mit Blick auf „das Spiel gegen Ludwigsburg genau die richtige Vorbereitung gewesen, weil es uns gezeigt hat, dass wir nicht nur gewinnen können, wenn wir frei aufspielen, sondern auch, wenn wir uns in eine Partie gegen einen unangenehmen Gegner reinarbeiten müssen“, sagte Baldi, dessen Team in vier der sieben Spiele zuvor mehr als 100 Punkte erzielt hatte.
Kritik von Riesen-Trainer Patrick ist nicht vergessen
Eine besondere Würze dürfte das Spiel gegen Ludwigsburg zudem bekommen, weil es noch nicht so lange her ist, dass der Coach der Riesen, John Patrick, versucht hat, die harte Gangart seines Teams reinzuwaschen, in dem er behauptete, Alba würde immerzu das Vortäuschen gegnerischer Fouls, „flopping“ genannt, trainieren.
Ein Vorstoß, der während des Play-offs der vergangenen Saison ligaweit mit Kopfschütteln vernommen und erst zur Lach- und dann zur Nullnummer wurde. Bekanntlich fertigten die Berliner Patricks Riesen im Meisterschaftsviertelfinale mit 3:0-Siegen ab. Es war die Fortsetzung einer lieb gewonnenen Tradition, wenn man so will, denn saisonübergreifend gewann Alba in Pokal und Bundesliga die letzten neun Spiele gegen Ludwigsburg.
Heute soll nun einer anderen Tradition wegen Sieg Nummer zehn folgen. Sie wissen schon – und Dennis Clifford wird’s schon aushalten.