Basketball

Luke Sikma: „Jetzt will uns jeder schlagen“

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Theo Breiding und Dietmar Wenck
Luke Sikma war bei Alba die Entdeckung der vergangenen Saison.

Luke Sikma war bei Alba die Entdeckung der vergangenen Saison.

Foto: Boris Streubel / Bongarts/Getty Images

Vor dem Saisonstart spricht Luke Sikma im Interview über vergangene Erfolge, zukünftige Ziele und über die Identifikation mit Berlin.

Berlin.  Er war die große Überraschung der vergangenen Saison – und das nicht nur in Berlin. Die Coaches und Kapitäne der Basketball-Bundesliga wählten Albas Luke Sikma mit überwältigender Mehrheit zum „Wertvollsten Spieler der Saison“ (MVP). Zudem war er bei allen Kollegen in der Liga die erste Wahl, als es den besten BBL-Neuling zu küren galt und den Spieler, den man sich heimlich als Mitstreiter im eigenen Team wünschte. Ob in der Bundesliga, im Pokal oder im Eurocup: Sikma (29) war in allen 66 Spielen nicht nur dabei, sondern der Chef. Kein Wunder, dass im Sommer auch bei anderen europäischen Topklubs der Wunsch aufkam, den Power Forward für das eigene Team zu gewinnen. Versuche, ihn aus Berlin weg zu locken, schlugen jedoch fehl. Sikma startet an diesem Sonnabend gegen Jena (18 Uhr, Mercedes-Benz Arena) für Alba in seine zweite Saison.

Warum haben Sie sich für ein weiteres Jahr für Alba und Berlin entschieden, Herr Sikma?

Luke Sikma: Dass ich zurückkommen würde, stand für mich immer fest. Ich hatte noch einen gültigen Vertrag ohne jede Ausstiegsklausel, den ich ja im Sommer zuvor in dem Bewusstsein unterschrieben hatte, hier Teil eines längeren Prozesses zu sein. All meine Erwartungen sind in meinem ersten Jahr dann positiv übertroffen worden. Ich bin happy in Berlin und habe mich darauf gefreut zurückzukehren.

Was genau gefällt Ihnen so gut an Alba und Berlin?

Der Klub lebt nicht nur von Saison zu Saison, sondern verfolgt langfristige Ziele und hat mich als Teil eines Teams verpflichtet, das sich entwickeln und zusammenwachsen soll. Wie sich dann herausstellte, mit Spielern, die ich alle mag, so wie auch das Leben in Berlin. Was wir erlebt haben, war weit mehr, als ich mir erhofft hatte, wobei unseren Fans eine ganz besondere Rolle zukam. Sie haben uns getragen und immer zu uns gestanden, egal, ob wir gut waren oder nicht.

Sie haben vergangene Saison das Pokalendspiel knapp und auch die Finalserie um die Meisterschaft erst im entscheidenden fünften Spiel verloren. Wie lässt man eine solche Saison hinter sich?

Es ist wie ein großes Ausatmen, man schläft besser, und die Anspannung, die ja durchaus auch positiv ist, fällt von Tag zu Tag mehr ab. Als Fazit bleibt sicherlich, dass wir mehr erreicht haben, als uns viele und wir uns auch selbst im ersten Jahr zugetraut hatten. Jetzt sind wir zurück und wollen wieder ins Finale, um es dann besser zu machen. Auch im Eurocup ist es unser Ziel, weiterzukommen als in der vergangenen Saison. Aber alles fängt mit einem ersten Schritt an. Es liegt eine Menge Arbeit vor uns.

Haben Sie sich nach dem Finale auch selbst hinterfragt? In der Serie gegen die Bayern konnten Sie das Spiel Ihres Teams nicht mehr so dominant prägen wie in fast allen Spielen zuvor.

Sicher waren meine Beine nach der langen Saison nicht mehr ganz frisch. Für mich war das eine neue Erfahrung. Im Jahr zuvor war ich mit Valencia spanischer Meister geworden. Ich hatte gespielt, war aber nicht wie dann in Albas Team der Führungsspieler, auf den sich alle Augen richteten und um den sich die Verteidigung des Gegners ganz besonders kümmerte. Ich habe gegen einen bärenstarken Danilo Barthel gespielt, der zu Recht MVP dieser Serie wurde und vor dem ich großen Respekt habe. Ich bin ein grundsätzlich positiver Mensch und denke, dass es besser war, diese Erfahrung zu machen, als gar nicht erst ins Finale zu kommen.

Wie ist Ihr Eindruck des Teams, mit dem Sie jetzt starten? Ist Alba stärker?

Man darf nicht den Fehler machen, jeden, der gegangen ist, mit den Neuen eins zu eins zu vergleichen. Aber ich denke, wir sind athletischer und tiefer besetzt. Wir wissen aber auch, dass wir Zeit brauchen, denn wegen der WM-Qualifikation der Nationalmannschaften und einiger Verletzungen haben wir bislang kaum mit dem kompletten Kader trainiert. Wir müssen uns schnell finden, weil wir jetzt das Team sind, das jeder gern schlagen will.

Sie haben viele Testspiele mit Lorenz Brenneke (18), Hendrik Drescher (18), Jonas Mattisseck (18), Franz Wagner (17) bestritten. Stefan Peno und Tim Schneider sind auch erst 21 Jahre alt. Ist es für Sie eine zusätzliche Herausforderung, denen ein Vorbild zu sein?

Ja. Ich war in meinem letzten Highschool-Jahr schon in einer ähnlichen Rolle. Sicher fühle ich mich hier auch so wohl, weil ich die Freude daran, mitzuerleben, wie junge Spieler in ihre Rollen hineinwachsen, mit Coach Aito oder auch Himar Ojeda und Marco Baldi (Sportdirektor und Geschäftsführer von Alba, d.Red.) teile. Man darf aber den Fokus auf das eigene Spiel nicht verlieren. Mein Anspruch ist es, jeden Tag alles zu geben. Das lebe ich vor. Manchmal läuft es mit den Youngstern natürlich noch nicht so rund, aber wenn du mit ihnen dann wie jetzt in der Vorbereitung ein Team wie Gran Canaria schlägst, ist das eine große Belohnung.

Sollten Sie Ihr Ziel erreichen und wieder gegen die Bayern im BBL-Finale stehen, würde Alba in der Saison darauf in der Euroleague spielen, in der die Münchner dank einer Wildcard dann ohnehin dabei sind. Ist die Königsklasse ein zusätzlicher Anreiz für Sie?

Nicht so, wie Sie es vielleicht meinen. Natürlich möchte ich mit Alba ins Finale kommen und dann auch den Titel gewinnen. Aber die Euroleague ist für mich kein persönliches Ziel. Auch nicht, so viel Geld wie möglich zu verdienen. Sehen Sie: Ich bin seit sieben Jahren jedes Jahr zehn Monate lang nie zu Hause. Das bedeutet: keine Familie, keine alten Freunde, keine Feiertage, keine Geburtstage. So etwas geht nur, wenn ich mich dort, wo ich bin, wohl fühle und etwas tue, mit dem ich mich identifizieren kann. Beides habe ich bei Alba und in Berlin gefunden.