Frankfurt/Main. Der Kater am Morgen danach hatte nichts mit Alkohol zu tun. Zwar war die Mannschaft von Alba Berlin im Anschluss an das letzte Saisonspiel gemeinsam in eine Sportsbar gezogen. Doch irgendwelche Korken knallen zu lassen, dazu bestand kein Anlass. „Wir haben unsere Ziele nicht erreicht“, sagte Alex King, der Kapitän, nach dem 66:87 bei den Frankfurt Skyliners, „wir haben es nicht geschafft, unser Potenzial abzurufen.“ Die Erkenntnis, dass die Hessen völlig verdient in nur drei Spielen ins Halbfinale um die deutsche Basketball-Meisterschaft eingezogen waren, steckte dem Team mehr in den Knochen als die paar Flaschenbier.
Ab sofort beginnen die Gespräche mit Trainern und Spielern
Das „Warum?“ werden nun die Verantwortlichen, Geschäftsführer Marco Baldi und Sportdirektor Himar Ojeda, analysieren. Zunächst mit dem Trainergespann um Headcoach Sasa Obradovic, danach mit den Spielern. Die Analyse wird ein paar Tage brauchen, erst dann geht es um das „Wie weiter?“
„Die Kernfrage“, sagt Baldi, „ist die Trainerfrage.“ Obradovics Vertrag läuft aus; ob es für den Serben nach vier Jahren in Berlin weitergeht, sei „völlig offen“, behauptet der Manager. Der Coach erklärt, Alba sei „meine erste Option“. Spekuliert wird trotzdem: Hat der 47-Jährige die Absicht und ein Angebot, zu Roter Stern Belgrad zu wechseln? Obradovic dazu: „Davon höre ich zum ersten Mal.“ Könnte der Lette Ainars Bagatskis sein Nachfolger werden? Baldi dazu: „Definitiv nicht.“
Sieben Spieler haben Verträge für die kommende Saison
Was Taktik und was Wahrheit ist, wissen die beiden am besten. Obradovic ist zwar stolz darauf, „dass kein anderer Klub in diesem Jahr den Deutschen so viel Spielzeit gegeben hat wie wir“. Die Entwicklung von Ismet Akpinar (20) ist erfreulich; er hat seinen festen Platz im Team gefunden. Doch dem Trainer ist klar, „dass ich auch an den nackten Resultaten gemessen werde“, und die sahen in Frankfurt nicht sehr positiv aus. Zumal sein Team keine Hierarchie hatte, ihm ein Chef fehlte.
Tatsächlich hat der aktuelle Alba-Jahrgang in der Liga mit Platz sechs, zwölf Punktspielniederlagen und dem Aus gegen Frankfurt schwer enttäuscht. Kleines Aber: Immerhin hat er im Eurocup das Achtelfinale erreicht und als Höhepunkt „in der Höhle des Löwen“ (Baldi) in München den deutschen Pokal gewonnen. Wohingegen die umjubelte Mannschaft des Vorjahres mit den Fan-Lieblingen Redding, Renfroe, McLean oder Radosevic zwar die NBA-Stars der San Antonio Spurs überrumpelte, später in der Euroleague den FC Barcelona, Panathinaikos Athen oder Maccabi Tel Aviv und insgesamt begeisternden Basketball spielte. Nur leider hat sie jedes entscheidende Spiel verloren – in Europa, im Pokal, in der Bundesliga, im Play-off.
Der Pokalsieg brachte keine breite Brust
Als ganz verschenkt muss die Saison 2015/16 also nicht in Erinnerung bleiben. Immer wieder haben Verletzungen (Niels Giffey, Jonas Wohlfarth-Bottermann, Jordan Taylor) dazu beigetragen, dass die Mannschaft keinen Rhythmus fand – nicht einmal mit dem Pokalsieg als Bestätigung, dass für die Berliner kein Gegner unschlagbar war. Nur eben nicht so: Im Play-off gegen Frankfurt haben besonders die vermeintlichen Leistungsträger versagt. In den drei Spielen hatten Dragan Milosavljevic (7/27), Taylor (4/23) und Will Cherry (7/21) Trefferquoten, die für ihr Team K.o.-Tropfen waren. Dazu kam ein nachverpflichteter Robert Lowery, der mit seiner Chaos-Offensive reichlich Schaden im Teamgefüge anrichtete. Und was die gefürchtete Alba-Defense angeht – da haben die Skyliners, Ludwigsburg oder Bamberg mittlerweile mehr Furchterregendes zu bieten.
Einzelkritik wollte Alex King dennoch nicht gelten lassen: „Wir haben alle Fehler gemacht, hatten gute und schlechte Zeiten. Wir haben als Team gewonnen und als Team verloren.“ So spricht ein Kapitän. Center Kresimir Loncar formulierte dagegen indirekt Kritik an den eigenen Anführern. „Frankfurt hatte einen Jordan Theodore als Spielmacher – der hat seinem Team immer gegeben, was es brauchte: Assists, Distanztreffer oder Zug zum Korb.“ Der Kroate, inzwischen mit deutschem Pass ausgestattet, erwies sich zwar selbst nicht als die erhoffte Verstärkung. Richtig lag er aber mit seiner Meinung, der Verein müsse die Mannschaft grundlegend verändern.
Am dringendsten braucht Alba einen Spielmacher
Noch ein Jahr Vertrag haben Milosavljevic, Elmedin Kikanovic, Akpinar, der ebenfalls keine überzeugende Saison spielende Akeem Vargas und Giffey; dazu kommen zwei Youngster mit Profiverträgen, Robert Glöckner (19) und Ferdinand Zylka (18). Verlängert King, wäre dies keine große Überraschung, genauso sieht es bei Brandon Ashley aus. Bleiben die Spielmacher. Dort besteht großer Handlungsbedarf.
Interessant zu beobachten wird sein, wie der im Februar nach Berlin gekommene Ojeda die Sache angeht. Seine frische Sicht von außen auf die Schwachstellen im Alba-System könnte zu größeren Veränderungen führen, als dies in den letzten Jahren der Fall war. Mit der Kernfrage, der Frage nach dem richtigen Trainer, fängt alles an. Gefühlt stehen die Zeichen auf Abschied.