Für Alba beginnt die aufregendste Zeit des Jahres

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Theo Breiding und Dietmar Wenck

Foto: imago/Matthias Koch

Pokalsieger Alba geht als Außenseiter ins Viertelfinale gegen Frankfurt. Sportdirektor Himar Ojeda spricht über den Reiz des Play-off.

Berlin.  Er weiß in etwa, was kommt. Himar Ojeda stand schon in der spanischen Liga als Sportdirektor mit dem CB Gran Canaria und Estudiantes Madrid im Play-off. Dennoch ist jetzt vieles für ihn neu. Im Februar verließ er den NBA-Klub Atlanta Hawks, für den er als Director of International Scouting tätig war, um die sportliche Leitung bei Alba Berlin zu übernehmen. In der Morgenpost spricht der 43-jährige Spanier über seine ersten Erfahrungen und gibt einen Ausblick auf das Viertelfinale gegen die Skyliners, das an diesem Sonnabend in Frankfurt (18.30 Uhr) beginnt.

Berliner Morgenpost: Jetzt heißt es Alles oder Nichts, Herr Ojeda. Schlägt der Puls vor Ihrem ersten Play-off mit Alba höher?

Himar Ojeda: Ich liebe das Play-off, weil es die aufregendste Zeit des Jahres ist. Ich gehe vor Spielen, in denen Entscheidungen fallen, wie beim Pokal-Top4 oder jetzt, mit einem besonderen Gefühl in die Arena, und ich mag das.

Bei Ihrem Coach Sasa Obradovic kann jeder sehen, welche Emotionen er durchlebt. Ihre Miene und Ihre Körpersprache verraten hingegen kaum etwas.

Ich habe auch ganz ruhig da gestanden, als ich in Gran Canaria noch Coach war und bin gefragt worden, ob ich denn überhaupt nicht mitgehe. Natürlich bin ich in jeder Sekunde voll dabei, zeige es aber nicht. Auf der Bank ist es einfacher, emotional zu sein, weil man mittendrin ist. Ein Stück weit abseits bin ich analytischer, versuche das Spiel zu lesen. In der Halbzeitpause rede ich oft mit Sasa und kann ihm Eindrücke aus einem anderen Blickwinkel geben.

Der erste Spieler, den Sie verpflichtet haben, Brandon Ashley, ist trotz seiner 21 Jahre innerhalb weniger Wochen zum Leistungsträger geworden. Wie viele Spieler dieser Güte haben Sie noch im Ärmel? Es wäre ja nicht verwunderlich, wenn Sie ein paar Spanier auf dem Zettel hätten.

Gute Spieler aus Spanien zu holen, ist nicht einfach, weil sie zumeist sehr gute Verträge haben. Die spanische ACB ist eine sehr starke Liga. Ich habe nichts Konkretes in Planung, aber in der Zukunft ist vieles möglich. Die Außendarstellung der deutschen Liga verändert sich, auch durch meinen Wechsel oder den von Daniele Baiesi in Bamberg, der bei den Detroit Pistons die gleiche Stellung hatte wie ich in Atlanta. Der Einfluss von Spielern und Trainern vom Balkan war in der Bundesliga immer sehr groß, jetzt werden die Einflüsse internationaler.

Die Bundesliga hat sich zum Ziel gesetzt, 2020 die stärkste Liga in Europa zu sein. Ist das machbar?

Ich sehe Fortschritte. Diese werden in Spanien wahrgenommen und geben Anstöße, sich weiter zu entwickeln. Die ACB bekommt jetzt einen neuen TV-Vertrag, der den Klubs, je nach Tabellenstand, durchschnittlich rund 500.000 Euro pro Saison einbringt. Sie werden also weiter gute Spieler entwickeln und unter Vertrag nehmen.

Gibt es abseits des Geldes andere markante Unterschiede?

Die Klubs in Spanien sind im sportlichen Bereich besser aufgestellt, die der BBL im organisatorischen, im Marketing und Ticketing zum Beispiel. Jeder Klub in Spanien hat einen Sportdirektor, einige in der BBL nicht. Einige Klubs hier haben nur einen Assistant Coach, der vielleicht sogar noch einem anderen Beruf nachgeht. Das gibt es in der ACB nicht, dort sind es mindestens zwei, die nichts anderes tun und auch noch Sportdirektoren für die Jugendprogramme. Bei allem Respekt vor der Entwicklung in Deutschland, da gibt es einiges aufzuholen. Die Klubs in Spanien haben dafür in Sachen Organisation Nachholbedarf.

Haben Sie bei Alba das vorgefunden, was Sie erwartet haben?

Eher sogar noch mehr. Die Organisation und das Umfeld sind auf allerhöchstem europäischen Niveau, das auch den Vergleich mit der NBA kaum scheuen muss. Überrascht hat mich Albas Jugendprogramm, ganz ehrlich, ich wusste nicht, wie groß es ist.

Werden Sie zu den Budgets von Bamberg und dem FC Bayern aufschließen können?

Wir müssen es versuchen und kreativer sein, mehr Sponsoren, mehr Fans gewinnen. Alba ist kontinuierlich gewachsen, und diese Entwicklung muss weiter gehen. Immer besser werden zu wollen, ist der Weg.

Sie waren mit Ihrer Frau, Ihrer Tochter und Ihrem Sohn gerade von Madrid nach Gran Canaria zurückgekehrt, als Sie sich für Berlin entschieden. Mussten Sie für den erneuten Umzug große Überzeugungsarbeit leisten?

Meine Familie ist bis Ende des Schuljahres auf Gran Canaria. Ein wenig musste ich sie schon überzeugen. Wir waren in Madrid glücklich. Zurück nach Hause zu kommen, war auch sehr schön. Aber meine Frau und die Kinder waren gerade für fünf Tage hier. Wir haben zusammen die Stadt erobert, alle freuen sich auf Berlin. Meine Frau und ich sind sicher, dass unsere Kinder von dieser Erfahrung profitieren werden. Auch davon, Deutsch, Englisch und Spanisch sprechen zu können.

Apropros, was machen Ihre Deutsch-Kenntnisse?

(lacht) Ich fange gerade erst an. Die deutsche Sprache ist nicht gerade einfach, aber ich habe vor, sie zu erlernen.

Alba geht als Tabellensechster ins Play-off. Sind Sie enttäuscht? Was hat gefehlt?

Ich bin nicht enttäuscht. Natürlich hätten wir gern die Hauptrunde weiter oben abgeschlossen, aber wer weiß, ob der Tabellenplatz besser gewesen wäre.

Als Fünfter wären Sie auf den FC Bayern getroffen …

Ja, zum Beispiel. Jetzt ist dieser sechste Platz nur noch die Position, von der wir in ein völlig neues Rennen gehen. Uns hat die Konstanz gefehlt. Mannschaften wachsen in einer Saison zusammen, jeder wächst in seine Rolle. Das war nicht möglich, weil immer wieder Leistungsträger verletzt fehlten. Dann fängst du von vorn an, weil die Rückkehrer ihre Rollen finden müssen.

Sie haben Frankfurt auf dem Weg zum Pokalsieg im Halbfinale knapp geschlagen, vor zwei Wochen gegen die Skyliners aber zu Hause deutlich mit 64:80 verloren. Lassen diese Ergebnisse Schlüsse auf die jetzt beginnende „Best of five“-Serie zu?

Beides waren sehr gute Erfahrungen. Wir wissen, dass wir sie in einem entscheidenden Spiel schlagen können, aber auch, dass wir es mit einem sehr guten, soliden Gegner zu tun haben, der seit langer Zeit seine beste Saison spielt. Wir müssen zu unserem besten Spiel finden, um sie zu schlagen.

Alba hat in 26 Jahren in jeder Saison international gespielt. Jetzt ist Basketball-Europa gespalten, seit der Verband Fiba angekündigt hat, mit der Euroleague und dem Eurocup in Konkurrenz zu treten. In welchem Wettbewerb wird Alba kommende Saison spielen?

Das weiß ich nicht. Die Euroleague wirbt um Teams und auch die Fiba, die als Druckmittel Nationalmannschaften verbannt. Das ist ein einziger Schlamassel, in dem die Entscheidung nicht bei uns als Klub liegt und schon gar nicht jetzt. Wir tun genau das Richtige, indem wir als Liga geschlossen auftreten. Klar ist aber auch, dass wir in der bestmöglichen Liga spielen wollen. Ich bin mir sicher, dass wir kommende Saison auf jeden Fall in Europa spielen. Sorgen mache ich mir vielmehr als Basketball-Fan, denn dieser Konflikt ist alles andere als gut für unsere Sportart.