Genüsslich holte sich Jan Pommer an der Bar noch ein Getränk. „Uns hätte nichts Besseres passieren können“, sagte der Geschäftsführer der Basketball-Bundesliga (BBL) strahlend im Vip-Raum der O2 World. Er hatte zusammen mit weiteren 14.117 Zuschauern kurz zuvor das vierte Play-off-Finalspiel gesehen, in dem den Titelverteidiger Brose Baskets Bamberg von Alba Berlin 87:67 deklassiert worden war. 2:2 steht es nun in der Serie „Best of five“, die derjenige für sich entscheidet, der drei Spiele gewinnt. Am Sonnabend fällt in Bamberg die Entscheidung. „Das wird das Spiel der Spiele“, sagte Alba-Geschäftsführer Marco Baldi strahlend. Ihm war der Stolz anzumerken, „dass es die Mannschaft nicht zugelassen hat, dass eine andere Mannschaft in unserer Halle den Meistertitel feiert“.
Der Wille setzt sich durch
Die BBL-Vertreter packten „sehr gern“, so Pommer, die mitgebrachten Meisterutensilien inklusive der neuen, 59 Zentimeter hohen und 6,4 Kilogramm schweren Trophäe wieder ein. Alles war schon vorbereitet gewesen für den Fall eines Bamberger Sieges, der die Titelverteidigung der Baskets bedeutet hätte: Es sollte Konfetti regnen, die Lichtshow war einstudiert, die Fotografen waren instruiert, wer nach der Schlusssirene wann wohin darf. Die Entscheidung jedoch wurde nach einer großen Leistung der Berliner vertagt.
Alles ist jetzt offen. „Ich habe immer daran geglaubt, dass wir Meister werden können“, sagte Alba-Spielmacher Heiko Schaffartzik. „Jetzt haben wir die Chance dazu.“ Teammanager Mithat Demirel sprach davon, dass der Sieg „erkämpft“ wurde: „Das war purer Wille.“ Die Spieler beherzigten das, was ihnen Trainer Muli Katzurin vorher mit auf den Weg gegeben hatte: „Bringt heute Abend euer Herz mit!“
Das Play-off-Motto von Alba Berlin lautet: „Das Beste zum Schluss!“ Vielleicht wird es wahr, dass mit der besten Saisonleistung im letzten Spiel der Titel geholt werden kann.
Showdown nach einer langen Saison zum spätestmöglichen Zeitpunkt. Für die BBL bedeutet das: Das Produkt Basketball in Deutschland bleibt noch länger in den Medien ein Thema, kann sich präsentieren, noch einmal wird in Sport1 live übertragen. „Wir werben immer damit, wie spannend und ausgeglichen es in der Liga zugeht“, sagte Pommer, „das Finale ist jetzt der beste Beweis dafür.“ Dass sich nämlich zwei Mannschaften im Finale bis zum bitteren oder süßen Ende – je nach Blickwinkel – gegenüberstehen, die alles bieten, was die Sportart ausmacht: sportliche Höchstleistungen, Spannung, Emotionen. „Spürst du das Dribbeln?“, so lautet der Satz, den sich die BBL als Slogan gegeben hat. In diesem Finale kann es jeder spüren. Das Kribbeln.
Dass die Entscheidung um die Deutsche Meisterschaft im Hype um Dirk Nowitzki untergehen könnte, fürchtet Pommer nicht. Eher das Gegenteil sei der Fall, dass nämlich der Coup des großen Blonden mit den Dallas Mavericks in der weltbesten Basketballliga NBA auch das Geschehen in dessen Heimat noch mehr in den Fokus rückt.
Sowieso sieht sich die BBL auf einem guten Weg, denn der Kunde, also der Zuschauer, goutiert das Angebot mehr denn je. Bevor am Sonnabend in Bamberg noch einmal 6800 Zuschauer in der ausverkauften „Stechert Arena“ der Entscheidung beiwohnen werden, sind in dieser Spielzeit bereits 1358258 Besucher in die Hallen der 18 Bundesligavereine (im Schnitt 4042 pro Spiel) gekommen. Krösus ist Alba, das seinen Schnitt um gut 700 Zuschauer gegenüber dem Vorjahr auf nun 10.932 Besucher erhöhte – kein Klub in Europa darf sich über mehr Fans freuen.
Immer mal wieder war während der Saison bei Alba durchgeklungen, dass die Stimmung in der großen Arena am Ostbahnhof nicht so gut und enthusiastisch sei wie zum Beispiel in Bamberg, aber auch in Göttingen, Bonn oder Quakenbrück. Doch von Spiel zu Spiel während des Play-off in den vergangenen Wochen wurde es lauter, leidenschaftlicher. Gegen Oldenburg, gegen Frankfurt, immer besser sprang der Funke über. Der Höhepunkt war am Dienstagabend erreicht. Die Berliner Anhänger spürten genau, wann ihr Team sie brauchte, bei einem „Durchhänger“ der Mannschaft wurde die Anfeuerung einfach noch intensiver. „Ihr ward geil“, rief Assistenztrainer Konstantin Lwowsky den Fans zu. „Die Energie war so stark, wir haben uns aufgeladen und werden sie nach Bamberg tragen.“ Baldi war sichtlich berührt: „So eine Atmosphäre wie heute habe ich in der O2 World noch nie erlebt.“
Ihr sehr starker Auftritt gibt den Berlinern viel Selbstbewusstsein. Die Favoritenbürde schieben sie liebend gern den Baskets zu. Baldi: „Wenn die Bamberger dieses Spiel verlieren, war für sie alles für die Katz.“ Zwar hat Bamberg schon den nationalen Pokal geholt und war mit lediglich zwei Niederlagen in 34 Punktspielen überragend, hat bisher alle 26 Heimspiele gewonnen. Aber das große Ziel, das, was wirklich zählt, ist eben der Titel.
Baskets wollen aus Fehlern lernen
Dass der Titelverteidiger jetzt nervös werden könnte, wurde von Baskets-Trainer Chris Fleming gleich verneint: „Da sind wir viel zu erfahren.“ Kapitän Casey Jacobsen, den die Berliner im Gegensatz zu den ersten drei Partien diesmal gut im Griff hatten, forderte: „Wir müssen aus den Fehlern lernen.“ Vor allem bei den Rebounds müsse sich sein Team verbessern. Dass der 1,83 Meter große Heiko Schaffartzik sechs Rebounds holte, die drei Bamberger Center zusammen nur sieben, „geht gar nicht“.
Baldi bremste die vielen Jubelnden sehr schnell: „Wir dürfen jetzt nicht in Pseudo-Euphorie verfallen, denn noch haben wir nichts erreicht. Wir haben unseren Arsch gerettet – mehr nicht.“ Jetzt zähle nur das fünfte Spiel: „Dafür haben wir das ganze Jahr gearbeitet.“