Berlin. Frank Kowalski, Organisations-Chef bei der Leichtathletik-EM in Berlin, glaubt an eine große Zukunft von Multisportveranstaltungen.
Frank Kowalski (55) war der Organisations-Chef der Leichtathletik-EM 2018 in Berlin. Nachdem die Titelkämpfe auch organisatorisch und finanziell abgeschlossen sind, kehrt der gebürtige Pfälzer in seine Vorgängerposition als Veranstaltungschef zum Deutschen Leichtathletik-Verband nach Darmstadt zurück. Vorher zieht er in der Morgenpost ein Resümee.
Berliner Morgenpost: Die EM 2018 in Berlin ist jetzt Geschichte. Mit welchem Ergebnis, Herr Kowalski?
Frank Kowalski: Die EM wurde organisiert über eine GmbH, die ist jetzt stillgelegt und wird ab dem 1.1.2020 liquidiert. Es war eine sehr komplexe Veranstaltung. In der Spitze waren wir 100 Mitarbeiter. Die Nachbereitung war sehr umfangreich – alles abzubauen, die Lagerbestände zu veräußern, das Personal abzuwickeln, die wirtschaftlichen Themen zu bearbeiten, umfangreiche Analysen und Bewertungen vorzunehmen. Wir sind sehr zufrieden, dass die GmbH mit einer schwarzen Null abschließen konnte. Vor der Veranstaltung war das so nicht zu erwarten.
Wie hoch war der Etat, wie viel hat das Land Berlin übernommen?
Der Etat lag bei 32 Millionen Euro. Der Senat hat 12 Millionen Euro Fehlbetragsfinanzierung beigesteuert. Weitere Unterstützung gab es durch die Verbesserung der sportlichen Infrastruktur und sogenannte konsumtive Mittel. Und als es darum ging, die Europäische Meile zusätzlich in der Innenstadt zu finanzieren, wurde noch mal nachgeholfen. Die Fördersumme hat dann insgesamt bei 12,5 Millionen Euro gelegen.
Was hat Berlin dafür bekommen?
Das muss man vielschichtig beantworten. Für die sogenannte Stadtrendite gibt es Parameter wie ökonomische Wertschöpfungen – insgesamt sind rund 89 Millionen Euro über die EM in die Stadt geflossen. Dazu kommen Image- und Werbewerte in Höhe von 91,5 Millionen Euro. Das ist nur für die sechs EM-Tage gemessen worden. Es hat allein 270.000 Hotelübernachtungen zusätzlich gegeben. Es gab mit 22 Prozent viel mehr internationale Ticketverkäufe als bei der WM 2009 in Berlin. Wir hatten 6,28 Millionen TV-Zuschauer in der Spitze und 254 Millionen insgesamt. Wir blicken zufrieden zurück, Berlin hat sehr stark von dieser EM profitiert. Ich denke, wir haben viel getan für die Marke Berlin als Sportmetropole. Wir haben die Sportart in die Innenstadt, auf den Breitscheidplatz bringen können, das wurde international sehr positiv aufgenommen.
Sie sind ohnehin neue Wege gegangen, die Leichtathletik-EM war Teil der European Championships (ECC). Welche Auswirkungen sehen Sie für die Zukunft?
Gemeinsam mit Glasgow haben wir den Piloten European Championships gefahren, eine EM mit insgesamt sieben Sportarten parallel, eine Multisportveranstaltung. Der Termin ist aus der Not geboren, weil der Fußball immer mehr Aufmerksamkeit und Sendezeit an sich zieht. Was wir getan haben, war nichts anderes als eine zeitliche Abstimmung bestehender Europameisterschaften, sechs davon in Glasgow, eine in Berlin. Das Fernsehen hat das mitgesteuert mit einem immensen Aufwand. Im Ergebnis hat es alle mehr als überrascht, wie gut das funktioniert hat. Die Championships sind jetzt nach der ersten Ausgabe schon gar nicht mehr wegzudenken. Und wir müssen das, was wir in Berlin gemacht haben, fortführen. Wir müssen die Leichtathletik weiter modernisieren. Die EM war sehr kompakt, es gab sehr viel Interaktion mit den Zuschauern. So etwas wie die Siegerehrungen herauszunehmen, war gut. Der Zuschauer möchte zweieinhalb Stunden knackigen Sport geboten bekommen. Wir sind im Unterhaltungssektor.
Eine erste Nachfolgeveranstaltung hat es ja bereits gegeben ...
Ähnlich, wir hatten die Finals auf nationaler Ebene in Berlin, mit zehn Meisterschaften. Die Effekte waren auch ohne nationale Identifikation da. Man hat schön sehen können, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Es scheint so, dass das komplett der neue Trend ist, dass diese Veranstaltungsformen jetzt gesetzt sind. Nun ist die Frage: Wie geht das ohne Dachorganisation? Es gibt ja sonst IOC, Fifa, Uefa, wie sie alle heißen – das haben wir hier nicht. Jetzt ist der Markt erst mal geöffnet, auch für kommerzielle Partner, das alles zusammenzufügen und zu steuern. Es geht um die Weiterentwicklung. Das ist eine spannende Situation.
Was heißt Weiterentwicklung?
Da stellt sich zum Beispiel die Frage, wer denn überhaupt mitmachen darf. Die Begehrlichkeiten vieler Sportarten sind sowohl national wie international durch den Erfolg sehr stark gewachsen.
Wann, glauben Sie, gibt es die nächsten Finals? Wann die nächsten ECC?
Die nächsten ECC sind definiert, sie werden 2022 in München stattfinden, es gibt keinen Mitbewerber. Sie sind mit einem Jubiläum verbunden: 50 Jahre Olympiapark. Das ist auch im Sinne von Nachhaltigkeit und olympischer Sportstättenbenutzung ein sehr positives Signal. Wir sind stolz, dass Bund, Land und Stadt München für diese ECC in einem hohen Maße Mittel beisteuern, weil Berlin sie emotionalisiert hat. Berlin hat gezeigt, dass der deutsche Sport eine solche Veranstaltung möchte.
Stimmt die Zahl 100 Millionen, die in München investiert werden sollen?
Ja. Aber dort sind dann alle Sportarten, die 2018 in Berlin und Glasgow waren. Viel Geld geht in München außerdem in Sportstättenertüchtigung.
Und die nächsten Finals?
Bei den Finals ist man derzeit am Auswerten. Auch da sind das Land Berlin, die TV-Anstalten und viele Verbände begeistert von dem Konzept. Das nächste Jahr ist sehr schwierig wegen Fußball-EM und Olympia, aber aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, 2021 die Finals in ähnlicher Form stattfinden zu lassen.
Aber die Leichtathletik-Meisterschaften sind für 2021 an Kassel vergeben.
Ja, das zeigt mitunter das Dilemma, dass der DLV sehr frühzeitig seine DM vergeben muss. Zudem kämpft er an jedem Leichtathletik-Standort für den Erhalt seiner Laufbahn. Die Stadt Kassel wäre für die Finals natürlich begrenzt geeignet, das ist mit Berlin nicht vergleichbar. Da müssen Lösungen gefunden werden. Warum nicht eine Querschaltung wie bei Berlin - Glasgow?
Oder haben die Finals doch keine Zukunft?
Langsam, langsam, jetzt ist erst mal ein riesiger positiver Impuls gesetzt worden. Die Botschaft lautet: Wenn wir die mediale Plattform bekommen, wenn wir eine thematische Marketingklammer haben um eine solche Veranstaltung, die Leute dadurch abgeholt werden, begeistern sie sich für den Sport. Es gibt viele Sportarten, die sind in sich viel spannender als ein Fußballspiel. Dieses Gefühl haben wir ein bisschen verloren, aber zum Beispiel über Finals kann man es zurückerobern. Es ist eine spannende Situation, die die Sommersportarten weiter beleben wird. Um sich gegen den Fußball zu behaupten.