Leben

Haustiere, mal ganz anders

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Daniela Noack

Hund, Katze, Hamster? Nicht mit unseren Familien. Die haben zwar Tiere im Haus, doch normal sind die nicht: Lamas, Leguane, Spinnen und vieles mehr.Wir haben sie besucht

Es klingt wie ein Alptraum. Würgeschlangen wie die Boa Constrictor oder hochgiftige Klapperschlangen und sogar Krokodile können von jedem im Internet bestellt werden. Sie sind sofort versandfertig und können innerhalb weniger Tage losgeschickt werden. So holen sich Menschen „Exotik“ ins Haus. Ein bisschen Fremde, ein bisschen Abenteuer. Doch wenn sie dann einmal im Haus sind, beginnen die Probleme.

Die allzu freie Verfügbarkeit von exotischen Tieren bekommen die Mitarbeiter beim Tierschutzverein für Berlin zu spüren. Kay Kieselbach arbeitet im Exotenhaus des Tierheims. In der Auffangstation landen viele heimatlose Exoten wie Bartagamen oder Schlangen. Würge- und Giftschlangen werden allerdings wegen ihrer Gefährlichkeit nicht angenommen. Derzeit warten im Exotenhaus Dutzende Bartagamen, etliche Kornnattern und unzählige Wasser- und Landschildkröten auf ein neues Zuhause. Wasserschildkröten erreichen häufig 30 bis 40 Zentimeter. Die Tiere sind zu groß für ein normales Aquarium. Sie brauchen einen Teich von mindestens 1,50 Meter Tiefe, um sich wohlzufühlen. „Warum ein Tier abgegeben wird, dafür gibt es eine Million Gründe“, weiß Kay Kieselbach. Die Erklärungen klingen bisweilen abenteuerlich. Mal ist es „wegen einer Weltreise der Besitzer“, ein andermal „wegen einer zu hohen Wasserrechnung“ oder auch „weil das Tier farblich nicht zur Einrichtung passt“. Manche setzen die Tiere einfach in der freien Natur aus, um sich die Abgabegebühr im Tierheim zu sparen und riskieren damit den Tod ihres Schützlings.

Warum ist das Begehren so groß? Oftmals dient den vermeintlichen Tierfreunden ein Prominenter als Vorbild, wie Michael Jackson mit dem Schimpansen Bubbles. Legt sich ein bekannter Schauspieler ein Frettchen zu, kann es zu regelrechten Boom-Käufen kommen. Später fühlen sich viele mit der Tierhaltung überfordert. Die Berater des Tierheimes werden bisweilen zu ungewöhnlichen Einsätzen gerufen, wenn etwa Schlangen auf dem Balkon oder im Keller gefunden werden. Manchmal handelt es sich um illegal eingeführte Tiere. Woher der kleine Affe stammte, der kürzlich auf einem Steglitzer Kinderspielplatz eingefangen wurde, konnte nicht geklärt werden.

Das verantwortungslose Handeln einiger gefährdet die Existenz anderer. Ein Zoohändler, der seinen Namen lieber nicht nennen will, ist seit seiner Kindheit von exotischen Tieren fasziniert. Die artgerechte Haltung ist für ihn ein absolutes Muss. Warum ausgerechnet seine Branche als besonders exzentrisch und verantwortungslos angesehen wird, ist ihm ein Rätsel. Gerade Halter von Reptilien oder Spinnen seien, anders als ihr Ruf, häufig sogar besonders verantwortungsbewusst.

Die Familien, die die Berliner Morgenpost besucht hat, waren allesamt äußerst umsichtig. Alle hatten sich eingehend mit den Tieren beschäftigt und Fortbildungen gemacht. Die artgerechte Haltung liegt ihnen besonders am Herzen. Zwei der Familien haben schon mehrfach Tiere aus schlechter Haltung aufgenommen und ihnen ein neues Zuhause geboten. So bekam der auf einem Pferdehof verwahrlost lebende Alpakahengst Horst bei Familie Winter sein Gnadenbrot.

Ulrike Winter hält mittlerweile Vorträge für Tierpflegeschüler. Kenntnisse über Alpakas und Lamas gehören mittlerweile zur Ausbildung für Tierpfleger, denn so exotisch sind die Tiere gar nicht mehr. Etwa 30.000 Neuweltkameliden leben schätzungsweise mittlerweile in Deutschland. Ulrike Winter wundert sich über die naive Herangehensweise mancher Tierhalter: „Sie denken, die Tiere sind knuddelig, die stell ich mir in den Garten.“ Aber damit sei es nicht getan.

Ähnliche Erfahrungen hat die Vorsitzende des Vereins „IG Terraristik Berlin“ Angelika Hollerbaum gemacht. „Viele haben falsche Vorstellungen. Sie begeistern sich kurzfristig für ein Tier, bestellen es für 5 Euro im Internet, ohne sich vorher über Haltungsbedingungen oder Folgekosten zu informieren. Letztere können mitunter das 100-fache des Anschaffungspreises übersteigen.“ Immer wieder hilft sie verwaiste Tiere über den Verein zu vermitteln. Angelika Hollerbaum, von Beruf Betreuerin in einer Behinderteneinrichtung, hat zwar ein Herz für Exoten. Aber es gibt auch Grenzen. „Giftige oder gefährliche Tiere haben in einer Wohnung nichts zu suchen“, findet sie.

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