Jochen König ist hauptberuflich Vater von zwei kleinen Töchtern. Die sechsjährige Fritzi lebt überwiegend bei ihm, die sechs Monate alte Lynn knapp die Hälfte der Zeit. Drei Tage pro Woche arbeitet der 33-jährige Sozialpädagoge im Bereich politische Jugendbildung und schreibt Bücher. Nach „Fritzi und ich. Von der Angst eines Vaters, keine gute Mutter zu sein“ erscheint jetzt „Mama, Papa, Kind?“, ein Buch über Formen des familiären Zusammenlebens im 21. Jahrhundert. König bezeichnet sich selbst als „männlicher Feminist“.
Berliner Morgenpost: Herr König, sind Sie ein „neuer Vater“?
Jochen König: Das ist ein Begriff, der durch die Medien geistert, dem ich aber skeptisch gegenüber stehe. Es ist richtig, dass Väter heute mehr Zeit mit ihrem Kind verbringen möchten. Theoretisch. Nur in der Praxis tun das die wenigsten. Nach Studien des Statistischen Bundesamtes arbeiten Väter sogar eine Stunde länger pro Woche als Männer ohne Kinder. Der „klassische Ernährer“ ist keineswegs tot.
Ist es immer noch etwas Besonderes, ein alleinerziehender Vater zu sein?
Eigentlich bin ich gar nicht alleinerziehend. Die Mütter meiner Kinder sind ja präsent. Für meine älteste Tochter aber trug ich von Anfang an die Hauptverantwortung. Damit bin ich die absolute Ausnahme. Statistisch gesehen gibt es nämlich keine alleinerziehenden Väter mit Kindern bis zum Alter von drei Jahren. Das schockiert mich. Ich dachte, dass es in unserer heutigen Gesellschaft gleichberechtigter zugeht. Zeigen Sie mir mal den Vater, der alle Arzttermine seiner Kinder im Kopf hat und weiß, ob sie noch genügend passende und saubere Klamotten im Schrank haben.
Bekommen die Frauen für ihr Engagement Anerkennung von ihren Männern?
Interessanterweise haben die meisten Männer ein starkes Abgrenzungsbedürfnis gegenüber Müttern. Nach dem Motto: Wir Väter sind cooler. Wir machen alles lockerer. Wir toben wilder, haben nicht so viel Angst und machen uns weniger Sorgen. Ganz ehrlich, so eine Einstellung funktioniert nur, wenn ich nicht die Hauptverantwortung trage.
Was lernt ein alleinerziehender Vater von Frauen?
Ich habe alles von Frauen gelernt. Wie man Brei kocht oder wie man einen Tag nach einer schlaflosen Nacht übersteht. Ein Kind großzuziehen, vor allem, wenn man das alleine tut, ist unglaublich anstrengend. Meine Erfahrung zeigt, dass sich Männer und Frauen tatsächlich unterscheiden. Nur hat das mehr mit der Rolle, die sie spielen zu tun, als mit dem Geschlecht. Viele Männer gefallen sich darin, darüber zu reden, was ihr Kind schon alles kann, aber haben keine Ahnung, was letzte Nacht wieder los war. Ich dagegen fühle mich wie eine Mutter unter vielen. Unausgeschlafen und voller Sorgen.
Kind und Karriere? Funktioniert das für einen Mann?
Für Feierabend- und Wochenendväter ja – aber auf Kosten der Karriere der Mütter. Ich musste für meine Kinder beruflich stark zurückstecken. Mein Verdienst reicht gerade zum Überleben. Die meisten Väter sind anders. Sie interessieren sich für Geld, Job, Auto, Urlaub. Die akzeptierte Väterrolle ist der mit dem Kind tobende Vater. Mein Thema dagegen ist der Alltag mit Kindern.
Aber sind es nicht auch die Frauen, die die Hilfsbereitschaft der Männer boykottieren?
Kinder sind vor allem in den ersten Jahren so anstrengend, dass Arbeit genug da ist für zwei. Keine Frau wird ernsthaft ihren Mann davon abhalten, Aufgaben zu übernehmen, wenn er sich aufrichtig bemüht. Aber wenn Väter zum x-ten Male fragen, wo die Windeln sind, kann ich verstehen, wenn Frauen sagen: Hey, das mach ich selbst. Viele Väter stellen sich eher dämlich an, ob gewollt oder nicht. Wenn sich die Eltern nach fünf Jahren trennen, kann ich nachvollziehen, wenn die Frauen es komisch finden, wenn der Vater plötzlich die Kinder drei Tage am Stück haben will.
Und was ist mit den Vätern, die sich kümmern möchten, es aber nicht dürfen?
Ohne das Leiden mancher Väter in Abrede zu stellen: Meistens geht es um Sorgerechtskämpfe. Nach dem Motto, wir haben uns nie um unsere Kinder gekümmert, aber nach der Trennung wollen wir alles mitbestimmen. Natürlich gibt es auch Einzelfälle, wo es anders ist.
Sie haben Kinder von zwei Frauen. Ihre jüngste Tochter hat zwei Mütter, die als Paar zusammenleben. Aus was für einer Herkunftsfamilie stammen Sie?
Auch, wenn sich meine Eltern später haben scheiden lassen, bin ich doch in einem sehr bürgerlichen Umfeld aufgewachsen. Meine Vorstellung vom Leben war die klassische Familie: Zusammenziehen, heiraten, ein Haus bauen und Kinder kriegen. In Berlin bin ich mit anderen Lebensformen in Kontakt gekommen und habe Geschmack gefunden am Experimentieren mit neuen Beziehungsmodellen. In der Uni habe ich mich auch wissenschaftlich mit Forschungsergebnissen aus Genderstudien beschäftigt.
Wie passt eine neue Partnerin ins Konzept?
Das ist eine Herausforderung, die noch auf mich wartet. Probleme, Frauen kennenzulernen habe ich jedenfalls nicht. Als engagierter Vater bekomme ich viel Aufmerksamkeit. Das Schulterklopfen tut gut. Ist aber verdammt ungerecht. Väter müssen nur den kleinen Finger krümmen und sind schon ein Held. Frauen dagegen, die rund um die Uhr im Einsatz sind, gelten als unattraktiv oder werden als Helikoptermütter beschimpft. Ich aber kann nur alles richtig machen und wenn nicht, heißt es: Ach egal, es ist ja so toll, wie der Verantwortung übernimmt.