Jugendreporterin Vera Kirmes hat selbst 13 Jahre eine Waldorfschule besucht. In ihrem Beitrag räumt sie mit Klischees und Vorurteilen auf

Acht Mythen, die mir als ehemalige Waldorfschülerin immer wieder begegnen und was wirklich dahinter steckt.

Mythos 1: Waldorf ist eine Sekte

Die Waldorfschule ist keine Sekte. Rudolf Steiner hat das Konzept der Waldorfschule, die Anthroposophie, begründet. „Die von Rudolf Steiner entwickelte Anthroposophie ist eine Erkenntnishilfe für die Lehrer, zu keinem Zeitpunkt aber ist sie Gegenstand des Unterrichts“, schreibt der Bund der Freien Waldorfschulen auf der Internetseite. Die Waldorfschule ist keine Sekte.

Mythos 2: Zu Hause muss die Ideologie in der Familie gelebt werden

Laut Bund der Freien Waldorfschulen ist es nicht das Ziel in das häusliche Umfeld der Kinder einzugreifen. An Waldorfschulen werden grundsätzlich alle Kinder jeglicher Weltanschauung aufgenommen. Es wird aber von den Eltern erwartet, dass sie die Ziele und Methoden der Waldorfpädagogik im Grundsatz befürworten, Wenn es im Elternhaus eine Ablehnung gegenüber den Methoden gibt, könnte das zu Konflikten führen, die dann möglicherweise auf den Kindern lasten.

Mythos 3: An Waldorfschulen gibt es keinen richtigen Schulabschluss

Waldorfschulen begleiten die Kinder von der ersten Klasse bis zum staatlich anerkannten Abschluss. Jeder Waldorfschüler macht darüber hinaus einen sogenannten Waldorfabschluss. Der besteht aus einer Theateraufführung, die gemeinsam mit der Klasse einstudiert wird, aus einer Eurythmie-Aufführung mit der gesamten Klasse, einer Kunstfahrt und einer Jahresarbeit.

Wer den Waldorfabschluss hat, wird zu den Prüfungen für den staatlich anerkannten Abschluss zugelassen. Der Waldorfabschluss und der Mittlere Schulabschluss werden in der zwölften Klasse absolviert, das Abitur in der 13. Klasse. Die Schüler entscheiden erst am Ende der 11. Klasse, welchen Abschluss sie machen wollen. Es gibt an Waldorfschulen tatsächlich kein Sitzenbleiben. Jedes Kind wird individuell gefördert. Alle staatlichen Abschlüsse können erreicht werden.

Mythos 4: Waldorfschüler werden nicht auf die Leistungsgesellschaft vorbereitet

In den unteren Klassenstufen ist das Lernen noch sehr frei. Es gibt keine oder sehr wenige Hausaufgaben und der Unterricht findet oft spielerisch und musikalisch statt. Das wird mit jeder Klassenstufe weniger. In der Mittelstufe ist das schon deutlich spürbar. Der Lehrer gibt keine Noten, sondern schreibt Beurteilungen. Das Konzept lautet: Die Schüler sollen aus ihrer inneren Motivation und aus ihren Interessen heraus lernen und nicht, weil sie durch äußeren Noten-Druck dazu gezwungen werden. In der Oberstufe von der neunten bis zur 13. Klasse wird allerdings merklich angezogen. Der Druck wächst dann auch hier, denn für die Abschlüsse müssen die Schüler den gleichen Stoff beherrschen, wie an staatlichen Schulen.

Mythos 5: Waldorflehrer müssen nicht studiert haben

Waldorflehrer müssen genauso studiert haben wie „normale“ Lehrer. Zusätzlich müssen sie noch ein waldorfpädagogisches Studium absolvieren. Leider haben zurzeit nicht nur die staatlichen Schulen, sondern auch die freien Waldorfschulen mit dem Lehrermangel zu kämpfen und so werden vertretungsweise auch Quereinsteiger eingesetzt, so wie an den anderen Schulen auch.

Mythos 6: An den Schulen gibt es keine Meinungsfreiheit

An Waldorfschulen sollen lernwillige und selbstständig denkende Mitglieder der Gesellschaft heranwachsen. Jeder kann seine Meinung frei äußern. Mit den Lehrern haben wir manche hitzige Diskussion geführt und dabei gelernt uns zu behaupten, ohne dass das negativ gewertet wurde. Im Gegenteil.

Mythos 7: Waldorf ist nur was für Leute mit viel Geld

„Waldorfschulen haben das erklärte Ziel, kein Kind wegen der finanziellen Situation seiner Eltern vom Schulbesuch auszuschließen“, heißt es vom Bund der Freien Waldorfschule. Der Betrag für das Schulgeld liegt in Berlin im Durchschnitt bei monatlich 165 Euro. Für Eltern mit einem geringen Einkommen gibt es Sonderregelungen mit der jeweiligen Schule, so dass auch deren Kinder dort lernen können.

Mythos 8: Waldorfschüler tanzen ihren Namen

Zum Schluss noch das am weitesten verbreitete Klischee über Waldorfschulen: Das Namentanzen. Das Fach dazu heißt Eurythmie. Eurythmie ist eine von Rudolf Steiner entwickelte Bewegungskunst, die das Körpergefühl stärken soll. Das Fach wird von der ersten bis zur zwölften Klasse unterrichtet. Hier gibt es für jeden Buchstaben und für jeden Laut, auch für Töne in der Musik, eine bestimmte Bewegung. Auf diese Weise entstehen Choreographien zu Texten und Musik. Also Waldorfschüler könnten tatsächlich ihren Namen tanzen, wenn sie das wollen. Obwohl ich persönlich nicht von „Tanzen“ sprechen würde. Schauen Sie es sich doch einfach mal an einer Waldorfschule in der Nähe an. In modernen Inszenierungen entstehen auch sehr humorvolle Beiträge.

Vera Kirmes (20) BBA Berufsschule