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Der Leidensweg einer Transsexuellen

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Berühmte Transsexuelle: Caitlyn Jenner, bis vor Kurzem als  früherer Zehnkämpfer und Olympiasieger Bruce Jenner bekannt, hat  die Probleme von  Transsexuellen öffentlich gemacht

Berühmte Transsexuelle: Caitlyn Jenner, bis vor Kurzem als früherer Zehnkämpfer und Olympiasieger Bruce Jenner bekannt, hat die Probleme von Transsexuellen öffentlich gemacht

Foto: E! Entertainment / dpa

Die Berlinerin Nina, 50, ist transsexuell. Sie musste einen schweren Weg gehen, um zu sich selbst zu finden. Und um akzeptiert zu werden.

Von den gesellschaftlichen Normen abzuweichen, bedeutet häufig die Konfrontation mit Intoleranz. Dabei ist Akzeptanz ihrer selbst im Leben von Transsexuellen von wichtigerer Bedeutung. Sich nicht mit seinem biologischen Geschlecht zu identifizieren, sondern den Wunsch zu haben, ein anderes Geschlecht zu haben und sich dafür medizinischer Behandlungen zu unterziehen, bezeichnet man als Transsexualität.

Nina, 50, ist eine transsexuelle Berlinerin. Vor drei Jahren hat sie ihr Schicksal selbst in die Hand genommen und sich geoutet. Bereits als Kind, geboren als Junge, gab es bei ihr erste transsexuelle Tendenzen, wie sie berichtet. Gerne hat sie Strumpfhosen angezogen und den Friseur gemieden. Ihre Haare trug sie bereits im jungen Alter lieber lang. In der Pubertät allerdings hat sich Nina in sich zurück gezogen und das Geheimnis ihrer Transsexualität über 30 Jahre lang für sich behalten. Mit 23 Jahren ist Nina aufgrund Ihres persönlichen Leidensdrucks einer schweren Alkoholabhängigkeit verfallen, so dass sie mit 40 Jahren vor den Trümmern Ihrer Existenz stand.

Frauenklamotten versteckt

Seit zehn Jahren ist Nina nun bereits nüchtern, dennoch besucht sie regelmäßig eine Selbsthilfegruppe. Den Alkohol hat sie lange für Ihre weiblichen Tendenzen verantwortlich gemacht. Immer wieder hat sie nach Ausreden gesucht, um sich nicht eingestehen zu müssen, im falschen Körper geboren zu sein. Frauenklamotten wurden gekauft, versteckt und weggeschmissen. Ein ewiger Konflikt mit sich selbst, der auch ihrer damaligen Freundin nicht entging. Nach einer bereits gescheiterten heterosexuellen Ehe stand auch die folgende Beziehung auf dem Spiel. Der Sohn ihrer damaligen Freundin erfuhr lange nichts von der weiblichen Neigung Ninas’, bis er es schließlich durch Gesprächsfetzen und Streitigkeiten erfuhr. Auch wenn die Beziehung nicht hielt, hat Nina weiter ein gutes Verhältnis zu den beiden. Anlässlich des jährlichen Christopher Street Day’s, einer Demo von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transsexuellen gegen Ausgrenzung und Diskriminierung, hatte Nina vor einigen Jahren erstmalig den Mut, in Frauenklamotten auf die Straßen zu treten. Ihre Neigung wollte sie nicht mehr ignorieren.

Hilfe im Internet

Heimlich suchte Sie eine Visagistin auf, um Erfahrung im Umgang mit Schminke und Klamotten zu sammeln. 2011 fand Sie schließlich im Internet die TransSisters, ein Zusammenschluss transsexueller Menschen, die sich einmal wöchentlich in einer öffentlichen Kneipe in Neukölln treffen. Ohne Vereinsstatus sind sie offen für alle neuen Gesichter und heißen jeden willkommen, der sich zum ersten Mal ausprobieren möchte oder selbst im biologischen Geschlecht erscheint. Auch Nina, heute fester Bestandteil der TransSisters, hat gute Freunde gefunden, die sie nachvollziehen und verstehen können. Ihr erstes Jahr bei den TransSisters hat Sie noch heimlich verbracht. Einzig ihre damalige Freundin wusste von den wöchentlichen Treffs, doch nicht einmal ihr Sohn.

Ende des Jahres 2011 wurde Ninas Verlangen, sich nicht mehr verstecken zu wollen, jedoch stärker und so begab sie sich 2012 in psychotherapeutische Behandlung, um zu lernen, die Transsexualität zu akzeptieren. Nina unterzog sich einem Stimmtraining bei einem Logopäden und einer notwendigen Hormonbehandlung. Daraufhin outete sich die transsexuelle Frau schließlich in ihrer Firma, die Kollegen und Vorgesetzten akzeptierten sie ohne Vorbehalte. Auch ihre Familie hat den Weg akzeptiert. Obwohl Ihre Eltern nie etwas von ihrer Transsexualität geahnt haben und es nicht in ihr Weltbild passte, haben sie das Coming Out ihrer Tochter akzeptiert.

Als ehemalige Programmiererin von Apps ist Nina heute als Projektleiterin in der IT-Branche tätig, inzwischen bei einer anderen Firma. Im Juni 2012 hat die transsexuelle Frau den entscheidenden Schritt gewagt und nach langer Verfahrensdauer Ihren Personalstand und Vornamen geändert.

Rechtliche Situation von Transsexuellen

Die rechtliche Lage für Transsexuelle wird seit einigen Jahren per Gesetz geregelt und bei Vorlage entsprechender Gutachten sind Krankenkassen sogar verpflichtet, die Kosten der GA-Operation zu übernehmen. Da Nina sich allerdings für einen bestimmten Chirurgen mit einer neuen OP-Methode entschieden hat, musste sie einen eigenen Kostenbeitrag leisten. Trotz hoher Kosten, langer Wartezeit und heftiger Schmerzen hat Nina ihre entscheidende GA-Operation nie bereut. Bereits im Februar des folgenden Jahres hat Sie sich einer Brustoperation unterzogen, die ihr Selbstwertgefühl verbessert hat.

Heute ist Nina da angekommen, wo Sie hinwollte. Sie hat eine lange harte Entwicklung durchgemacht. Wie Nina selbst berichtet, verändert jedoch die Hormonbehandlung die eigene Persönlichkeit. Da das Testosteron auf 0 gesetzt wird, verändern sich Gefühle und Handlungen, und es ist wichtig, einen Freundeskreis zu finden, der einen in dieser schweren Zeit unterstützt und versteht. Seit zwei Jahren ist Nina nun bereits in einer glücklichen Beziehung mit einer transsexuellen Frau aus Leipzig.

Nina, die selber erst spät zu ihrer Transsexualität stehen konnte, ist einen langen Weg gegangen, um zu sich selbst zu finden. Doch seit dem Tag, an dem sie all ihre Männerklamotten und alte Verhaltensweisen weggeschmissen hat, ist sie glücklicher denn je. Transsexualismus, die sexuelle Orientierung ist keine Wahl – der respektvolle Umgang miteinander hingegen schon.

Jessica Rische, Klasse BG 14.4, Marcel-Breuer-Oberstufenzentrum, Weißensee