Zwei, die es wissen müssen, sind die Stürmerin Anja Mittag und Torhüterin Anna Felicitas Sarholz vom Frauenfußballmeister 1. FFC Turbine Potsdam. Anja Mittag gehört zwar nicht mehr zum aktuellen WM-Kader, war aber dabei, als das Team vor vier Jahren den Titel holte. Im Interview verrieten die beiden den Jugendreportern Zoé, Jean-Victor, Alina und David von der Masterplan AG Grand méchant loup am Französischen Gymnasium auch, wie sie zum Fußball gekommen sind.
Zoé, Jean-Victor, Alina & David : Was wollten Sie werden, als Sie ein Kind waren?
Anja Mittag : Ich wollte gern eine Polizistin werden. Ich fand das irgendwie toll.
Anna Felicitas Sarholz: Stuntgirl, Bodyguard oder so was. Oder auch Polizistin. Ich glaube, wenn ich nicht Fußball spielen würde, würde ich irgendeine extreme Sportart treiben.
Morgenpost Online: Seit wann spielen Sie Fußball?
Mittag: Seit fast zwanzig Jahren, seit ich fünf war. Mein älterer Bruder hat selber mal gespielt, auf dem Hof, und ich habe Freude daran gefunden, mitzumachen.
Sarholz: Ich habe immer mit den Jungs im Kindergarten gespielt. Irgendwann bin ich nach Hause gegangen und habe gesagt, ab heute spiele ich Fußball.
Morgenpost Online: Wie haben Ihre Eltern reagiert?
Sarholz: Meine Mama hat gesagt, nee, das tust du nicht. Du bist ein Mädchen, du spielst nicht Fußball, und dann bin ich trotzdem hingegangen und habe sofort im Verein angefangen.
Mittag: Meine Eltern haben mich immer unterstützt, es gab nie Probleme. Dann habe ich im Verein angefangen.
Morgenpost Online: Haben Sie früher mit Jungs und Mädchen Fußball gespielt?
Mittag: Ich spielte eher mit Jungs, weil mein Bruder eher Jungs kannte und die Jungs meisten besser waren als die Mädchen. Das hat auch mehr Spaß gemacht und man wurde auch mehr gefordert.
Sarholz: Ich habe auch nur mit Jungs gespielt. Ich habe erst mit Mädchen gespielt, als ich zu Turbine gekommen bin.
Morgenpost Online: Warum mögen Sie Fußball?
Mittag: Ich finde es schön, wenn man mit einer Mannschaft zusammen ist, ständig Leute um sich herum hat, gemeinsam gewinnt oder verliert. Es macht Spaß, etwas mit dem Ball anzustellen, Tore zu schießen oder Tore zu verhindern, das ist ein schönes Gefühl.
Morgenpost Online: Nervt es Sie, dass man manchmal über Frauenfußball lacht?
Sarholz: Leute, die über Frauenfussball lachen, sind Leute, die noch nie ein Spiel gesehen haben. Oder die nur Vorurteile haben, über Mädels mit kurzen Haaren.
Morgenpost Online: Finden Sie Fußball nicht manchmal brutal?
Mittag: Manchmal schon. Man muss auch etwas einstecken können, aber es gehört dazu, es ist eine körperbetonte Sportart und es macht auch Spaß, so ein kleiner Kick, man gewöhnt sich dran.
Morgenpost Online: Welchen Vorteil hat es, dass Ihr Trainer ein Mann ist?
Mittag: Ich glaube, er bringt eine ganz andere Härte mit. Eine Frau wäre wahrscheinlich zu weich.
Sarholz: Ja, du liegst da auf der Erde und er sagt dir: Steh auf und mach weiter. Eine Frau würde erstmal sagen, gucken wir, was da ist. Du stehst viel schneller auf, es ist auch ein ganz anderer Ton.
Morgenpost Online: Und die Nachteile?
Mittag: Manchmal fehlt das Verständnis, Frauen sind immer ein bisschen anders, wenn man seine Tage hat, ist man weniger gut gelaunt, das weiß eine Frau. Die Stimmungsschwankungen können Frauen wahrscheinlich besser nachvollziehen.
Morgenpost Online: Was macht die Stärke von Turbine Potsdam aus?
Sarholz: Dass wir eine funktionierende Mannschaft sind.
Mittag: Athletisch gut ausgebildet sind, offensiv.
Morgenpost Online: Werden Sie für das Fußballspielen bezahlt?
Mittag: Ja, werden wir. Ich glaube, es geht uns ganz gut.
Sarholz: Wir können momentan davon leben.
Morgenpost Online: Müssen Sie noch nebenbei arbeiten?
Sarholz: Ja, es ist nicht so wie beim Männerfußball, wo man 20 000 Euro im Monat beiseite legen kann und sagt, ich lebe den Rest meines Lebens davon.
Mittag: Leben für den Moment könntest du davon, aber mehr nicht. Es ist auch doof, wenn du nur Fußball spielst. Morgens zum Training gehst, dann nach Hause, dann wieder zum Training, und dann ins Bett. Es ist nicht sinnvoll. Du verblödest irgendwann.
Sarholz: Du verlierst auch irgendwann den Bezug zur Realität, wenn du nur Fußball spielst.
Morgenpost Online: Ist es überall so?
Mittag: Ich glaube, es gibt viele Länder, wo die Fußballspielerinnen jeden Tag acht Stunden arbeiten gehen müssen, also Fußball als Hobby betrachten. Für uns ist es unser Beruf.
Sarholz: Es kommt doch auf den Club an: Bei Olympique Lyon zum Beispiel können sie davon leben. Die kriegen das Dreifache von dem, was wir bekommen.
Morgenpost Online: Sie waren Stürmerin, warum sind Sie jetzt Torhüterin? Eine Stürmerin muss relativ viel rennen und Laufen ist gar nicht meine Stärke, ich mag die Individualität des Torhüters mehr. Du kannst den Ball in die Hände nehmen, du bist schon ein Einzelkämpfer. Wie oft trainiert Ihr am Tag?
Mittag: Drei Stunden täglich im Schnitt. Mal mehr, mal weniger.
Morgenpost Online: Gibt es in jedem Land weibliche Fußballteams?
Mittag: In Europa würde ich ja sagen.
Sarholz: Auf der ganzen Welt wird gerade ein bisschen aufgebaut. Ich weiß, dass es in Afrika relativ viele Teams gibt. Aber ob es in Aserbaidschan ein Frauenteam gibt?
Mittag: Aber es gibt wahrscheinlich überall Frauen, die Fußball spielen!
Morgenpost Online: Haben Sie schon mal gegen Kopftuchträgerinnen gespielt?
Mittag: Noch keine Erfahrung gemacht.
Morgenpost Online: Hättet ihr Interesse?
Mittag: Klar. Ich glaube nicht, dass es viel anders ist.
Sarholz: Das sind ganz normale Menschen.
Morgenpost Online: Würdet ihr in so einem muslimischen Land mit Kopftuch spielen?
Sarholz: Das wäre schon komisch.
Mittag: Ich glaube nicht, dass wir dahin fahren und dass alle das mitmachen würden. Außerdem müssten sie bei uns ihr Kopftuch ablegen. Und das machen sie nicht.
Morgenpost Online: In welchem Land würden Sie gerne leben außer in Deutschland?
Mittag: Neuseeland.
Sarholz: Amerika.
Morgenpost Online: Ist es leichter bei der WM zu spielen, wenn man amtierender Weltmeister ist?
Sarholz: Jedes Turnier ist schwer. Man muss den Titel verteidigen, man hat eine Menge Erfahrung, man weiß, wie man so ein Turnier gewinnt.
Morgenpost Online: Was wird die Frauen-WM in Deutschland bewirken?
Sarholz: Bestimmt etwas Positives. Zum Beispiel, dass die Medien mehr dahinten stehen. Dass es öffentlicher gemacht wird.
Mittag: Es gibt ganz viele Mädels, die Lust haben werden und einem Verein beitreten. Und es wird mehr Zuschauer geben.
Morgenpost Online: Wer wird der schwerste Gegner sein?
Mittag: Amerika, denke ich. Brasilien, Schweden, Norwegen, Nordkorea...
Morgenpost Online: Warum sind die Asiatinnen so gut?
Sarholz: Weil sie so diszipliniert sind. Ich habe einmal gegen Nordkorea gespielt, die sind extrem diszipliniert.
Morgenpost Online: Was gefällt Ihnen an dem Job?
Mittag: Dass man Länder bereisen kann und dass man immer Leute um sich herum hat. Das, was man liebt, also sein Hobby, zum Beruf machen kann.
Sarholz: Ja, dass man tun kann, was Spaß macht. Und dass man damit auch andere Menschen glücklich machen kann.
Morgenpost Online: Und was ist nicht so gut?
Sarholz: Das viele Training.
Mittag: Ja, man hat kein Wochenende mehr, man ist immer unterwegs.
Morgenpost Online: Ist es ein Vorteil, in Potsdam zu spielen?
Mittag: Ja, ich finde schon, wir haben die besten Fans. Und wir haben das schönste Stadion.
Sarholz: Und wir haben alles genau vor der Tür: die Trainingshalle, wir wohnen alle nicht weit weg, haben eine wunderschöne Stadt, wir sind nicht weit von Berlin, also einfach ideal.
Morgenpost Online: Würdet ihr gern gegen die Männernationalmannschaft spielen?
Sarholz: Gegen Männer höherer Klasse spielen wir nicht. Würde ich auch gar nicht dafür sein, weil es ein zu großer Unterschied ist. Die sind uns schon vom Körperbau überlegen. Also, die können nur zwei Mal die Woche trainieren und sind trotzdem schneller als wir. Und wir trainieren zehn Mal die Woche. Von daher wäre der Vergleich schlecht und dann würden sie sagen, Frauen können nicht Fußball spielen.
Morgenpost Online: Habt Ihr nie gegen Männer gespielt?
Mittag: Doch gegen Männer-Mannschaften spielen wir öfter in der Vorbereitung, aber sie spielen zweitklassig.
Sarholz: Selbstverständlich, es ist Pflicht.
Morgenpost Online: Was würden Sie sich wünschen für den Frauenfußball? Eine Profiliga?
Sarholz: Eine Profiliga wäre unserem Trainingsaufwand angemessen. Aber solange die Öffentlichkeit da nicht mitmacht, brauchst du keine Profiliga. Es muss mehr in der Öffentlichkeit passieren, damit sich eine Profiliga rentiert.