Zunächst war ich ziemlich traurig, als ich von Mimi am Ende der Ferien erfuhr, dass die geplante Kanutour ausfallen würde. Weil sie zu teuer wäre. Stattdessen hätten unsere Lehrer, Annika und Uwe, beschlossen, dass wir den Europaradweg befahren sollten. So kam es dann auch, am ersten Schultag erfuhren wir mehr. Nur so viel: Es hörte sich absolut bescheuert an! Von da an habe ich erste Schultage gehasst...
Wie können die nur, habe ich gedacht. Ich war so wütend, dass ich in diesem Moment jeden hätte umbringen können. Aber das hätte sich nicht so gut in meiner Schulakte gemacht und die Zeitung hätte mir garantiert auch einen Artikel gewidmet: "Schülerin bringt Leute um - Zoff am ersten Schultag". Da habe ich mich lieber für die ’Langsam-bis-zehn-zählen-Variante’ entschieden.
Der Plan jedenfalls war, auf dem Europaradweg R1 in Richtung Polen bis Küstrin zu fahren, 89 Kilometer von Mittwoch bis Freitag. Schlafen wollten wir auf einem Zeltplatz in Münchehofe und einmal auf einem in Küstrin, auf deutscher Seite vor Polen. (Leider war es so, dass der eine Zeltplatz nicht existierte, weshalb wir uns nach einem anderen umschauen mussten. Ich kann verraten, wir haben einen gefunden und mussten nicht auf der Straße zelten.)
Tag 1
Vor der Schule ging es los, vorbei am Krankenhaus Köpenick, unser erster Halt war am Müggelsee.Da haben wir etwas gegessen und getrunken. Anschließend sind wir in kleineren Gruppen weitergefahren. Eigentlich lief alles ziemlich problemlos. Bis auf einmal Georg, der immer ganz hinten fuhr, rief, wir sollten alle mal anhalten, seine Pedale wäre abgefallen.
„Seine Pedale ist abgefallen? Will der uns irgendwie veräppeln?“ Um die Pedale wieder dranzukriegen, brauchte man eine Wasserrohrzange und die hat man nicht einfach so im Gepäck. Woher ich davon überhaupt eine Ahnung habe? Weil ich einen Vater habe, der es mir so erklärt hat, dass ich es auch Georg hätte sagen können, wenn denn mal diese Wasserrohrzange da gewesen wäre. Doch ohne die ging es nun mal nicht. Naja, Georg hatte zwar so ein Pseudoding dabei, ich habe keine Ahnung wie es hieß, aber mit dem funktionierte es nicht. Nur so weit, dass wir zehn Minuten am Stück fahren konnten, um die Pedale dann wieder nachzuziehen. Doch nach einer Weile verkürzten sich die Abstände, bis aus zehn Minuten fünf wurden, und irgendwann gar nichts mehr ging.
Wir haben dann überlegt, was wir tun könnten. Georg war schon so weit, sich von seinem Vater abholen zu lassen. Aber das wäre dumm gewesen, denn sein Vater hätte bestimmt über eine Stunde gebraucht und jemand hätte ja auch mit ihm warten müssen. Nein, die Stunde konnten wir auch anders nutzen. Und so beschlossen wir, erst mal hilfsbereite Menschen zu fragen. Wir haben an Häusern geklingelt und gefragt. Der eine Mann war auch sehr nett, er machte uns freundlich darauf aufmerksam, dass das Gewinde kaputt sei und einen Ort weiter gäbe es eine Autowerkstatt, dort könnte man uns bestimmt helfen. Wie wir es dann bis dahin geschafft haben? Ich weiß es nicht mehr. Nur dass wir auf dem Weg ein paar "sehr netten Dorfkindern" begegnet sind, die sich für so toll hielten, auf der Straße verkehrt herum zu fahren. Naja, so viel dazu.
Bei der Schweißerei ging alles total schnell, die haben Georg und sein Fahrrad mitgenommen, zehn Minuten später war er wieder da, und das Gute war: Wir mussten nichts bezahlen. Danach konnten wir endlich weiterfahren. Erst so gegen 19 Uhr kamen wir auf dem Zeltplatz an. Ich war so müde, ich konnte nicht mehr. So weit, so gut...
Tag 2
Am zweiten Tag hat es die meiste Zeit geregnet. Fahrrad fahren und Regen - "die perfekte Kombi". Wir sind die meiste Zeit durchgefahren, haben nicht so viele Pausen gemacht wie am Vortag und wollten einfach nur so schnell wie möglich beim Zeltplatz ankommen. Ich glaube, wir lagen auch relativ gut in der Zeit...… bis das passierte, womit keiner gerechnet hätte... (Uwe hat gesagt, an dieser Stelle soll ich versuchen, Spannung aufzubauen, ich finde irgendwie klappt das aber nicht, also bitte tut jetzt so, als seid ihr total gespannt) … also auf jeden Fall hatte ich schon am Anfang das Gefühl, irgendwann würde ich hinfliegen, irgendwann garantiert.
Tja, auf sein Gefühl kann man sich eben immer verlassen. Eigentlich war es dämlich, aber in dem Moment habe ich einfach nicht aufgepasst, weil ich einfach lachen musste. Der Sturz an sich tat gar nicht weh, aber hinterher... Ich konnte gar nicht heulen, ich saß einfach nur da und habe mich von den anderen bequatschen lassen...
… ich glaube, an dieser Stelle werde ich aufhören. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Ich hoffe, ihr seid zufrieden und schwingt euch aufs Rad und fahrt den R1 ab - und ich bin sicher, dabei werdet ihr an eure Grenzen kommen. Denn das war es, was Annika wollte: dass wir an unsere Grenzen kommen. Und wenn ich ehrlich bin, bin ich ungemein stolz auf mich. Ich glaube, das darf man an dieser Stelle einfach sagen, äh schreiben!