Viele lieben die Ostsee im Sommer. Dabei ist sie im Winter viel schöner. Die Luft ist klar, der Blick schweift weit - fast wie in Schweden. Doch das allerschönste: Man hat den Strand für sich allein.

Ja, die Ostsee. Im Sommer ist sie schön, im Winter ist sie schöner. Denn dann hat man nahezu den ganzen Strand für sich allein - und wenn es noch ein so besonders reizvoller ist, wie der Abschnitt rund um das Ostseebad Dierhagen, dann kann man mit höchstem Genuss durchatmen.

Also: Stehen bleiben mit Blick aufs Meer, Beine breit, die Arme nach oben - einatmen; die Arme nach unten - ausatmen. "Und noch einmal das Ganze, Rücken gerade halten", ruft Toni in seinem sanften Bayerisch. Und die illustre Runde im Halbkreis hebt die Arme und atmet, auf und nieder, immer wieder. Manche suchen nach Gleichgewicht im schneebedeckten Sand, die Gesichter erröten vor Freude und vor Kälte, und die Nasen fangen an zu laufen, noch bevor es die Beine wieder tun an diesem wahrlich eisigen Wintermorgen.

Blauer Himmel, schneeweißer Strand

Wir befinden uns am Eingangstor zur Halbinsel Fischland, das sich heute im hellen Stahlblau eines wolkenlosen winterlichen Himmels zeigt, aufgefangen vom tiefschwarzen Blau einer trägen, mit wenigen Eisschollen durchsetzten See und dem flimmernden Weiß des Schnees, der sich wie eine schützende Decke auf den Strand gelegt hat. Also auf diesen Anblick noch einmal auspusten und dann weiter mit Toni Außermeier, der als Physiotherapeut und Fitnesstrainer im nahen "Strandhotel Fischland" dafür sorgt, dass die Gäste die Linguine an Trüffeln und Beurre blanc vom Vorabend mit Spaß wieder hinuntertrainieren. Also durchatmen, auspusten. Dafür ist man im Winter an der Ostsee, wenn die Luft klar ist und die Gedanken frei.

Und gedacht hat sich Eckehard Adams, der Eigentümer des "Strandhotels Fischland", so einiges, als er das 1968 gebaute Haus im letzten Jahr für 7,5 Millionen Euro erneuerte, hier ein 1600 Quadratmeter großer Wellnessbereich mit Pool, dort auf der Dachterrasse die neue Ostseelounge mit Kamin entstand. Und das tat der Mann aus einem ganz einfachen Grund: "Weil er mit seiner Familie vorher nie Urlaub machen konnte, wie er sich das gewünscht hat", verrät Hoteldirektorin Isolde Heinz in ihrem bezaubernden Badisch. Die gebürtige Heidelbergerin übernahm im Mai 2008 das "Häuschen", wie sie das "Strandhotel" liebevoll nennt, und führt es seitdem mit einer Mischung aus süddeutscher Lebensfreude und jener nachgerade preußischen Disziplin, die sie früher im Kurhaus Baden-Baden an den Tag legen musste, als sie die alljährliche Bambi-Verleihung organisierte.

Nun also hat es die brünette Dame an die Ostsee verschlagen, wo sie vor allem Familien ansprechen will. Deswegen gibt es neben 54 Doppelzimmern noch sechs Familienzimmer und sieben Suiten, ein Spielzimmer mit großem Holzschiff unterm Piratensegel und einen Kinderklub, in dem der Nachwuchs zwischen drei und 16 Jahren unter anderem mit Kreativworkshops und Ballspielen betreut wird. Wer es individueller mag, kann sich auch im Hotelpark wahlweise für Gartenappartement, Familienhaus, Landhausvilla oder Appartementhaus entscheiden, durchgängig mit Reetdach und - wer will - (gegen Aufpreis) mit Kühlschrankbefüllung und Brötchenservice.

Safari-Lounge am Meer

Wobei unser Geheimfavorit das luxuriöse Appartementhaus "Sonne" ist, denn nur hier finden wir im Erdgeschoss eine Art Safari-Lounge mit Kissen im Leopardenmuster und echtem Zebra-Vorleger vor einem künstlichen Kamin. So schräg, dass es schon wieder gut ist, denn das Hotel setzt sonst mit seinen sandfarbenen Türen, den Eichendielenböden und den mediterranen Farben an den Wänden eher auf authentischen Look und auf klare, unspektakuläre Linien mit viel Glas, etwa bei den wandhohen Fenstern im zweiten und dritten Stock mit schönem Meerblick im Haupthaus.

Ja, hier konnte Erich Mielke einst der realsozialistischen Tristesse den Rücken zuwenden, als das Hotel noch Gästehaus des Ministerrates der DDR war und hohe Gäste beherbergte, den Stasi-Chef inklusive. Im dritten Stock hatte er sein Stammzimmer, und vielleicht war es ja sogar Zimmer 335, aus dem ich nun durch ein diffuses Weiß-Grün schneebedeckter Kiefern und Birken auf das träge Meer schaue und denke, wie weltvergessen, nur umgeben von den Elementen, man sich hier doch fühlen kann.

In Gedanken bin ich noch einmal beim zurückliegenden Ausflug, als wir immer Richtung Nordosten an der Küste entlang zwischen Saaler Bodden und offenem Meer über das Ostseebad Wustrow das zauberhafte Künstlerdörfchen Ahrenshoop erreichten, um dort in der romantischen, reetgedeckten Schifferkirche zu verweilen, bevor uns draußen bei einem kleinen Gang die Anhöhe hinauf der Wind fast von selbiger gepustet hätte.

Ich erinnere mich, wie wir auf dem Rückweg all die glücklichen Kühe auf den saftigen Wiesen beneidet haben, die nicht umsonst das gesunde Bio-Rindfleisch für einen großen Kinderbreihersteller liefern, bevor ich nach diesem wahrlich hippen Gedankensprung wieder bei mir gelandet bin. Habe mich in Gedanken zwischen Wind, Wasser und Wolken treiben lassen, um zum Abschluss meiner kleinen Großstadtflucht höchstpersönlich eine wahrlich unvergessliche Erfahrung zu machen: Bin bei Dunkelheit zur Strandsauna getapst, habe mich bei 90 Grad aufgeheizt, um anschließend an den Dünen vorbei in das wahrlich eiskalte Wasser zu tauchen. Uuh! Schock.Schwere.Not. Die Ostsee im Winter. Eine Erfahrung. A-tem-be-rau-bend.