Verführungsküste

Mit dem Casanova-Code zum perfekten Eroberer

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Judith Luig

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Wie verführt man eine Frau? Maximilian Pütz erklärt in seinem Buch "Der perfekte Eroberer", wie es geht. In Hamburg macht er den Praxistest.

Einen Mann wie Maximilian Pütz lässt man nicht warten. Zehn Minuten zu spät, und schon hat er eine andere Frau angequatscht. Wenn man es genau nimmt, zwei. Mit dem naheliegenden Spruch: Bist du die Journalistin, die mich treffen will? Ist sie nicht, aber darüber, ob es jetzt in Hamburg kälter ist als in Köln, wo Pütz lebt, kann sie sich trotzdem unterhalten.

Und was für Läden sie und ihre Freundin hier auf der Schanze für diesen Samstagabend noch empfehlen könnten. Pütz sieht gut aus, Fünf-Tage-Bart, 33, also nicht zu jung, nicht zu alt, schlank, groß, das alles hilft beim Anquatschen. Außerdem ist er Profi. Frauen kennenlernen ist sein Beruf.

Pütz sagt von sich, er sei der „berühmteste Verführer Deutschlands“ und er habe die deutsche „Pick-up-Community“ ins Leben gerufen. Gerade ist Pütz’ neues Buch erschienen: „Der perfekte Eroberer“ (Heyne). Perfekt? Das will ich sehen?

Wir gehen in die „Katze“, ein von Pütz’ Management empfohlener Abschleppladen. Es ist viertel nach zehn, der Laden ist rammelvoll, wie man sich hier kennenlernt, liegt eigentlich auf der Hand. Schließlich hat Pütz der „Macht der Berührung“ ein ganzes Kapitel gewidmet. Man drängelt sich aneinander vorbei, dabei wird schon irgendwas passieren. Reden muss man allerdings. Das ist der zentrale Punkt in Pütz’ Eroberungstheorie. Was man so von sich gibt, ist erst mal zweitrangig.

Der deutsche Mann überlege nämlich viel zu viel, was er sagen sollte und sage dann am Ende meist nichts. Dabei könne man zu einer schönen Frau einfach hingehen mit dem Spruch: Du bist wunderschön, ich würde dich gerne kennenlernen.

Gut möglich, dass in der „Katze“ gerade ein paar seiner aktuellen Workshopteilnehmer am Werk sind. Fünf Männer hat Pütz tagsüber in Körpersprache, Gesprächseröffnung und den „Weg zum Sex“ unterwiesen. Heute Abend lautet die Aufgabe: 20 Frauen ansprechen.

Und morgen mindestens eine Telefonnummer vorweisen können. „Klappt das?“ – „Meistens nicht“, sagt Pütz. „Viele denken, man muss mindestens eine Stunde mit einer Frau reden, bevor man sie nach ihrer Nummer fragen kann.“

Muss man nicht? „Nein, es kann ja sein, dass man etwas vorhat. Dann sagt man, ich habe gleich einen Termin oder eine Verabredung, aber ich würde dich gerne morgen anrufen.“ Wichtig seien Charisma und eine männliche Ausstrahlung, nicht die Dauer eines Gesprächs.

Ganz hinten in einer Ecke finden wir einen freien Platz auf einer rotsamtigen Sitzecke mit rotem Kerzenlicht. Pütz legt den Borsalino ab. Wir trinken Whiskey. Ein Typ an der Tür schaut irritiert auf Pütz’ rote spitze Lackschuhe – eine von Pütz’ Regeln ist „dress to impress“. „Das sind meine magischen Schuhe“, sagt Pütz, „das kann man nicht erklären, die muss man haben.“ – „Gibt es eine Deutschlandkarte des Flirtens? Also Städte, in denen die Männer besonders viel Nachholbedarf haben, und Orte, wo die Meister leben?“ Oh, ja.

Die Südländer seien am verstocktesten. „In Stuttgart zum Beispiel, da ist es richtig schwer, eine Frau anzusprechen.“ Aber wenn man dann mit ihr redet, kommt man meistens auch weiter. „In Freiburg haben mal zwei totale Nerds zwei tolle Russinnen abgeschleppt.“ In München seien die Frauen auch eher schwierig. „Die checken vor allem ab, was für einen Status du hast, das andere interessiert erst mal nicht.“

Der Osten wiederum läuft gar nicht – da findet Pütz nicht genügend Teilnehmer, damit sich sein Seminar überhaupt lohnt. „Vielleicht wollen oder können die Männer nicht 500 Euro für so ein Wochenende ausgeben. Vielleicht aber hat ihre Sozialisation auch dazu geführt, dass sie das nicht nötig haben. Die meisten Menschen dort haben einen lockereren Umgang mit ihrer Sexualität.“

Steckt der deutsche Mann in der Krise? „Er hat seinen Platz verloren unter all den Wollsocken strickenden Frauen, mit denen er aufgewachsen ist.“ Ist die linksalternative Bewegung schuld daran, dass Männer sich nicht mehr trauen, mit Frauen zu flirten? „Sie hat zumindest dafür gesorgt, dass Männern die selbstbewusste Dominanz fehlt.“

Brauchen sie die denn? „Die meisten Frauen wollen einen Mann, zu dem sie aufschauen können.“ Keinen gleichberechtigten Partner? „Wenn Männer einen Madonna-Hure-Komplex haben, so leiden die Frauen unter dem Minnesänger-Macho-Problem.“ Aha. Hat die Emanzipation also die Liebesbeziehungen gestört? Haben deswegen so viele Männer das Gefühl, sie hätten Nachhilfestunden im Umgang mit Frauen nötig, dass man gleich eine ganze bundesrepublikanische Seduction-Bewegung gründen muss? „Ich bin ein Feind des Feminismus“, sagt Pütz, „kein Feind der Emanzipation.“

Feministinnen und ihre Konzepte seien schuld, dass die Hausfrau stigmatisiert ist. Dabei gäbe es viele Frauen, die gerne dieses Modell leben würden. Außerdem habe der Feminismus positive männliche Vorbilder bekämpft? Männer hätten heute nichts, an dem sie sich orientieren könnten. „Zum Beispiel in den Kinofilmen, da gibt es den megakrassen Macho oder den lieben Trottel. Aber dazwischen gibt es nichts.“

Von gegenüber hört ein Paar aufmerksam zu. Wir schauen rüber. „Du bist doch Dr. Joker“, sagt er zu Pütz. Unter diesem Namen gab Pütz eine Zeit lang Flirt-Tips im Internet. „Ach schade, sagt der und wendet sich zu der Frau. „Und ich dachte schon, du wärst auf mich scharf.“ Sie lacht. Mutig ist Pütz. Sofort quatscht er auch den Typen an: „Das ist eben mein Schicksal, ich habe nur männliche Fans.“ Bei so einem Schachzug, das erklärt er später, sei es sehr wichtig, dass man den Mann nicht ausgrenzt.

Hat man zufällig eine Frau anerobert, deren Partner nur kurz Getränke holen war oder Ähnliches, dann empfiehlt es sich, den Mann sofort ins Gespräch mit einzubeziehen. Generell sind Gruppen gut, wenn man eine Frau kennenlernen will. „Der beste Weg, eine Frau klarzumachen, ist, mit anderen Frauen unterwegs zu sein“, erklärt Pütz. „Preselected by others. Eine andere Frau findet dich gut, also muss an dir was dran sein.“

Und führt die Methode, die er lehrt, immer zum Erfolg? „Oh, nein, sagt Pütz, „selbst ich kann nicht jede haben“. Liegt da Bedauern in seiner Stimme? „Das Wichtigste ist Kongruenz. Wenn man kein Macho ist, dann wird man das auch nie überzeugend rüberbringen. Ich bin eher ein Spaßvogel, das spiele ich beim Flirten auch aus.“

Jetzt soll Pütz aber mal etwas Praxis beweisen. Wir ziehen weiter ins „Mandalay“, ein Club am Pferdemarkt, und stellen die Getränke dem Ort entsprechend auf Wodka Red Bull um. Ich steuere die Tanzfläche an, aber Pütz hält mich zurück. Moment, ist das nicht der Ort, wo man sich am lockersten kennenlernt?

Stehen Frauen nicht auf Männer, die tanzen? „Nein“, sagt Pütz, „sie stehen auf Männer, die tanzen können. Wenn nicht, dann sollte man sich nicht auf der Tanzfläche aufhalten.“ Bei der nächsten Wodka-Red-Bull-Bestellung? quatscht Pütz ein blondes Gift an der Bar an. Es wird nicht klar, was die beiden reden, aber dann präsentiert Pütz sein Buch. Danach wird es schwer, die Dame wieder aus seinen Armen zu lösen.

Aber Pütz muss los, morgen ist Workshop, und sein eigener Frauenfeldzug ist gerade nicht so wichtig. Selbst Casanova hat mal Feierabend.