Berlin. Katrin Lehmann ist Agrarmanagerin in der Bio-Branche. Im Interview spricht sie über Entwicklungen am Markt und gute Job-Aussichten.
Katrin Lehmann leitet das Berliner Büro der Marktgesellschaft Naturland Bauern AG. Adrienne Kömmler sprach mit der 33-Jährigen über Einsatzmöglichkeiten und Job-Aussichten in der Bio-Lebensmittel-Branche.

Sie selbst haben Öko-Agrarmanagement an der Fachhochschule Eberswalde studiert und vermarkten seit vier Jahren kontrolliert biologische Produkte. Wie kam es dazu?
Katrin Lehmann: Ich bin Diplombetriebswirtin. Während des BWL-Studiums hatte sich für mich ergeben, in Richtung Nachhaltigkeit zu gehen. Im anschließenden Master-Studium in Eberswalde habe ich bei der Marktgesellschaft ein Praktikum gemacht. Mein betriebswirtschaftlicher Hintergrund passte gut, denn auch die Biobranche muss wirtschaftlich sein.
Von der Ackerbohne bis zur Zwiebel, aber auch Getreide, Saat, Milch oder Fleisch – all das vermarktet unsere Gesellschaft. Eine Wahnsinnsmenge ganz unterschiedlicher Produkte, die der Öko-Markt bietet. Wir arbeiten bundesweit mit mehr als 2000 Bio-Landwirten zusammen, die mehr als 150.000 Hektar Anbauflächen beackern. Allein das ist spannend, oder?
Was macht diese Arbeit besonders?
Lehmann: Bei Bio-Lebensmitteln wird einfach ehrlicher gearbeitet als im konventionellen Markt. Allein der Verzicht auf chemisch-synthetische Mittel und Gentechnik ist eine ganz klare Voraussetzung, die kontrolliert wird. Und ein Grundsatz ist das faire Miteinander. Das wird auch gelebt. Es geht in der Regel partnerschaftlich zu. Man sollte aber schon ein Interesse dafür mitbringen, die nachhaltige Entwicklung auf dem Öko-Markt mit zu gestalten.
Ist ein Studium sinnvoll oder welche Wege führen in diese Berufswelt?
Lehmann: Es kommt darauf an, welche Position man haben möchte. Für manche Stelle macht ein Studium Sinn und es bringt etwas, sich wissenschaftlich den Dingen auseinanderzusetzen. Aber auch eine Ausbildung in einem Bio-Unternehmen kann gut sein. Die Berufsfelder in der Bio-Branche sind ja vielfältig – ebenso die Anforderungen. Der Bio-Boom am Markt hat so langsam Auswirkungen auf das Ausbildungs- und Studienangebot.
Auf den ökologischen Landbau zugeschnittene Studiengänge gibt es zum Beispiel von der Universität Kassel, in Göttingen und der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. In den Berufsschulen ist der ökologische Landbau zwar seit 1996 als Teil der Ausbildung vorgesehen - jedoch nicht verpflichtend. Immerhin entwickeln sich langsam spezielle Fachschulen zur Weiterbildung oder Zusatzqualifikation nach einer konventionellen Berufsausbildung. Insofern hat man als Quereinsteiger Möglichkeiten, sich weiter zu bilden.
Wo gibt es Einsatzmöglichkeiten?
Lehmann: Neben einem Job in der Landwirtschaft kann man in den Handel gehen, Alternativ ist auch die Arbeit für Verbände und die politische Interessenvertretung möglich. Berufsfelder gibt es auch beim Marketing sowie in der Öffentlichkeitsarbeit oder der Ökoberatung für den Ackerbau. Außerdem ist die Forschung in einem Institut eine Option.
Wie sind grundsätzlich Chancen für den Berufseinstieg?
Lehmann: Angesichts der Entwicklung sieht es gut aus. Es zeigt sich ein Aufwärtstrend. 2017 stellten jeden Tag durchschnittlich fünf Bauern eine Landwirtschaftsfläche von etwa 500 Fußballfeldern auf Bio um. Im vergangenen Jahr wirtschafteten knapp elf Prozent aller Agrarbetriebe in Deutschland nach den EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau.
Zehn Jahre zuvor waren es nur 1,3 Prozent. Und auf Verbraucherseite steigt die Nachfrage. Damit profitiert der Handel. 2016 kauften deutsche Haushalte für 9,48 Milliarden Bio-Lebensmittel und -Getränke ein. 2017 wurde die Zehn-Milliarden-Euro-Marke geknackt.
Überzeugung ist oft das Motiv für Arbeit in Bio-Betrieben - aber können sie sich die Waren, die sie dort verkaufen, von ihrem Lohn eigentlich leisten?
Lehmann: Früher war die Branche rein idealistisch besetzt. Inzwischen gibt es sogar erzkonservative Bauern, die einen lukrativen Zweig im Bio-Anbau entdecken. Die Branche wird immer größer. Ich bin bis zu drei Mal wöchentlich auf Bio-Höfen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern unterwegs. Deshalb bin ich sicher: Aktuell findet man zu 100 Prozent im Biobereich gute Jobs. Man kann auf jeden Fall gut davon leben und hat Perspektiven.