Manchmal, aus den Augenwinkeln und im Dunkeln, scheinen sie dazustehen wie stumme Sonderlinge. Den einen Arm in einer Verrenkung abgespreizt, die plumpen Füße zu einem Klumpen nach innen gedreht. Wie vergessene Fahrgäste aus einer vergangenen Zeit warten rund 2100 Wasserpumpen an Berliner Straßenrändern.
Aber worauf?
Kinder wissen die Antwort. Berliner Gören hatten noch nie Scheu, den eisernen Gesellen die Arme auf- und ab zu bewegen, bis sie Wasser spuckten. Sie lieben die "Plumpe" als Planschgelegenheit schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts. Damals lösten praktische Schwengelpumpen die Ziehbrunnen auf den Höfen ab. Kinder würden sich nie fragen, ob die lustigen Wasserspender noch einem anderen Zweck dienen, und auch nicht, wieso die Pumpe in Berlin ein zusätzliches, feuchtes "l" bekam. Offenbar geht das auch vielen Erwachsenen nicht anders. Eine nicht-repräsentative Umfrage ergab: Die meisten glauben, die Pumpen seien für die Feuerwehr gedacht oder stünden nur noch aus Nostalgie herum. Und die Sache mit dem "l"? Schulterzucken.
Dabei liegen die Kinder schon ganz richtig. An der Plumpe den Hund zu baden, einen Baum zu gießen oder den heißen Kopf drunter zu halten, ist durchaus erwünscht. "Solange sich der Verbrauch in Grenzen hält, ist das in Ordnung", sagt Harald Büttner, Tiefbauamtsleiter in Mitte. Den Pumpen tue es gut, bedient zu werden, "sonst versanden sie". Denn das Wasser, das mancherorts abenteuerlichen Drachenköpfen, Fischmäulern oder Storchenschnäbeln entweicht, wird direkt aus dem Boden gepumpt, es ist Grundwasser. "Deshalb hat es auch nicht überall die Qualität von Trinkwasser", sagt Büttner. "Wo die Kontrollen Keime zutage gefördert hätten, wird ein Symbol für "Kein Trinkwasser' angebracht." Sei ein Pumpenschwengel angekettet, bedeute das: hier wurden Schadstoffe im Wasser gefunden. Diese können unter anderem dadurch ins Grundwasser gelangt sein, dass jemand an der Pumpe sein Auto gewaschen hat - das ist strengstens verboten. Auch ohne Seife.
Hundewaschen, Kinderplansche - kann das der alleinige Sinn der Pumpen sein? Natürlich nicht. Die Antwort liegt, wie so oft, in der jüngeren Berliner Geschichte. Ursprünglich dienten die Pumpen Löschzwecken, dann auch der Trinkwasserversorgung der Stadt. Im 19. Jahrhundert wandelte der Drucker Ernst Litfaß 50 von ihnen mit Holzverkleidungen zu Werbeflächen um. Ab 1894 wurden 320 pompöse, reich verschnörkelte "Lauchhammer-Pumpen" aufgestellt. Ab 1900 produzierte die Berliner Firma Krause ein schlankeres Modell. Gleichzeitig wurden jedoch die ersten Wasserleitungen verlegt. Damit endete die Berliner "Spritztour" mit Kanne und Plausch an der Plumpe - vorerst. Doch nach den Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg bekamen die Pumpen wieder eine lebenswichtige Funktion. 1943 brach die Versorgung mit Wasserleitungen zusammen. Die Menschenschlange an der P(l)umpen gehörte wieder zum Alltag. Während der Blockade wurden in West-Berlin noch einmal neue Modelle aufgestellt. 2200 gab es damals. Jenseits der Mauer befürchtete wohl niemand, man könne der Hauptstadt der DRR das Wasser abdrehen. 1945 gab es dort 1300 Pumpen, in den 90-ern noch 500, heute sind nur 40 erhalten geblieben.
Dass die Berliner Pumpen heute immer noch da sind, im Gegensatz zu längst verschwundenen Alltagsdingen wie Feuermeldern, Betonblumenkübeln oder Straßen-Sitzbänken, hat einen eher gruseligen Grund. Denn die Wasserspender warten darauf, dass etwas Schlimmes passiert. Es muss ja nicht gleich Krieg oder Belagerung sein. Ein Jahrhundert-Hochwasser wie 2002 an der Elbe reicht auch, um die Trinkwasserversorgung zu gefährden. Laut Wassersicherstellungsgesetz von 1965 sind Land und Bund für den Erhalt der Pumpen verantwortlich. 1200 erhält Berlin, 900 das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn. Die Pflege selbst führen die Bezirke durch. Was sicher erklärt, wieso die Berliner Plumpen mal blau, mal grün, orange oder einfach verrostet an den Straßen herumstehen wie aus der Zeit gefallen.
Mehr zu Plumpe und Berliner Wasser: Museum im Wasserwerk in Friedrichshagen (Köpenick), Müggelseedamm 307, Tel. 030/8644 7695, Internet: www.museum-im-wasserwerk.de. Jeden 1. und 3. Sonntag im Monat gibt es jeweils um 14 Uhr eine öffentliche Führung.