Sind Sie von der Dauerbespaßung durch Fernsehkochsendungen genauso genervt wie wir?
-Sind Sie von der Dauerbespaßung durch Fernsehkochsendungen genauso genervt wie wir? Und träumen trotzdem davon, für immer Sieger beim "Perfekten Dinner" zu sein? Dann ist dies ihre Chance: Berlins einziger Zwei-Sterne-Koch Christian Lohse bildet Sie in sieben Schritten zum ultimativen Poser in der Küche aus. Heute Teil 6: Ein Hauptgang für Menschen, die es demonstrativ brauchen.
Hummer mit Mayonnaise
Rezept für vier Personen
2 Atlantikhummer
100 ml Pflanzenöl
50 g Dijonsenf
1 Eigelb
3 Spritzer Zitronensaft
Salz
Okay - wir haben in unserer Serie bereits beim Tartar vom Havelaal aus wenig viel gemacht, mit der Bourride fremde Länder bereist, ein Wachtelei molekulartechnisch verpackt, in Sachen Obstsushi den deutschen Klassiker Milchreis in japanisches Trendessen hochgejazzt oder beim letzten Mal mit dem Leipziger Allerlei die Pose eingenommen, ausschließlich Produkten der Saison zu vertrauen; alles ganz nett, alles ganz schön, alles ganz ehrenwert. Aber wenn es um die eine, die wirklich riesige Pose geht, dann hilft das nichts, dann muss man eben doch noch immer auf hochpreisige Zutaten in ihrer brutalsten Form setzen. Man mag einen Volkswagen noch so sehr hochmotzen, es wird nie ein Rolls Royce daraus werden. Ein Brillantring ist ein Brillantring ist ein Brillantring. So einfach ist das.
Ich habe mir deswegen überlegt, ob ich Ihnen heute ein Wagyu-Steak kredenzen soll. Das ist ein Stück Fleisch, das von Tieren stammt, die nach Art der japanischen Kobe-Rinder gehalten werden. Diese äußerst schmackhaften Viecher werden mit einem besonderen Kraftfutter auf Basis von Getreide, Rüben und Kartoffeln gefüttert. Außerdem werden sie täglich von ihrem Halter individuell ein bis zwei Stunden gründlich massiert. Dabei werden die Tiere mit japanischem Reiswein eingesprüht. Blöd nur, dass die Edelrinder Japan nicht verlassen dürfen. Damit hätte ich kein Original zu bieten gehabt - und außerdem wird mir Wagyu-Rind zu oft in bis zur Lächerlichkeit überbewerteten Grillschuppen für Möchtegernkünstler serviert.
Nein, da lobe ich mir den guten alten Hummer, wie ich ihn während meiner Lehrzeit in Frankreich kennen- und lieben gelernt habe. Ein Tier, wie geschaffen für die High Society. Zart und reich an leicht verdaulichen Proteinen. Wobei es mir allerdings die Tränen in die Augen treibt, wie böse der Mensch mit vielen der Krustentiere umgeht. Haben Sie je eine industrielle Hummerfarm besucht? Freunde - das ist wirklich kein schöner Anblick, die gequälten Kreaturen in einer Soße aus Antibiotika und ihren eigenen Exkrementen paddeln sehen zu müssen. Und dann erst der Gestank! Ein ordentlicher deutscher Schlachthof ist ein Kindergeburtstag dagegen. Deswegen gilt für den Hummer: Wenn schon, denn schon. Ich schwöre auf die bretonische Variante. Dieses Tier hat seinen Preis, darf sich dafür aber auch die meiste Zeit seines Lebens frei im Meer bewegen.
Über die beste Zubereitungsart des edlen Meeresbewohners wird viel gestritten. Fest steht, dass man ihn lebend kaufen muss, weil sich im Körper eines toten Hummers schnell Giftstoffe bilden. Aber wie bringt man ihn am besten um? Eine in Frankreich gängige Variante ist es, das Tier einfach in den 190 Grad heißen Ofen zu stopfen und ab und zu nachzusehen, ob er noch zuckt. Die Saubande glaubt tatsächlich, dass sich im Todeskampf noch Hormone lösen, die das Fleisch besonders zart machen. Ein völlig bekloppter Mythos, die Zubereitungsart ist bei uns nicht umsonst streng verboten. Andere glauben, man müsse das Tier abstechen. Auch das ist nicht erlaubt. Deswegen: Mit dem Kopf zuerst in kochendes Salzwasser werfen - das tötet das Tier sofort ab - pro 500 Gramm Gewicht drei Minuten ziehen lassen. Vor dem Anrichten den Hummer mit einem großen Messer in zwei Hälften unterteilen. Je glücklicher das Tier war, desto schmackhafter ist es auf dem Teller.
Und die Mayonnaise? Ist doch eine sehr nette Sache, wenn man sie selbst herstellt. Dafür verrühren Sie zunächst das Eigelb mit dem Dijonsenf - welch köstliche Schärfe! - und dem Zitronensaft. Dann mit Salz abschmecken und das Öl langsam nach und nach einschlagen. Einen Esslöffel davon neben den halben Hummer, vielleicht ein bisschen Kerbel zum Garnieren und Sie sind im Geschäft. Dabei war die Zubereitung doch denkbar einfach, oder? Und - was sagt Ihnen das über die High Society?
Christian Lohse ist Küchenchef des Restaurants "Fischers Fritz" im "Regent Hotel". Er vertritt noch bis kommenden Sonntag unseren Gastrokritiker Heinz Horrmann