Die Weltgesundheitsorganisation WHO startete 1988 ein globales Programm zur Ausrottung der Kinderlähmung. Die Zahl der Infektionen ist seither um 99 Prozent zurückgegangen – von rund 350.000 auf 223 im Jahr 2012. Bis 2018 soll Polio nun weltweit ausgerottet sein. Hans-Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, erklärt zum heutigen Welt-Polio-Tag, wie das geschehen soll.
Berliner Morgenpost:
Die Kinderlähmung gilt in Europa seit 20 Jahren als ausgerottet. Wie gelang diese Erfolgsgeschichte?
Hans-Jürgen Beerfeltz:
Um 1980 herum wurden die Pocken als erste Krankheit weltweit ausgerottet. Die Kinderlähmung ist eine der großen Geißeln der Menschheitsgeschichte. Aber wir haben einen Impfstoff – und so sind, im Unterschied zu anderen endemischen Viruserkrankungen, flächendeckende Impfungen möglich. Damals existierte Kinderlähmung noch in 125 Ländern, und jährlich gab es 350.000 neue Fälle. Sehr wichtig war es deshalb, eine starke globale Partnerschaft aufzubauen.
In welchen Ländern tritt Polio auf?
Polio ist heute noch in drei Ländern ein großes Problem: in Pakistan, Afghanistan und insbesondere in Nigeria. Die Fälle, die dann durch Reisetätigkeit auch in anderen Ländern auftreten, sind ein Alarmzeichen für eine beginnende Wiederverbreitung.
Bis 2018 soll das Virus weltweit ausgerottet sein. Welchen Anteil steuert Deutschland dazu bei?
Deutschland steuert viel Geld bei. So stützen wir Initiativen wie die Rotary International und die Bill Gates Foundation. Als ich 2010 Bill Gates kennenlernte, kritisierte er, dass Deutschland nur vier Millionen Dollar lockermachen würde. Also einigten wir uns auf 20 Millionen, wenn er selbst ebenfalls um den gleichen Betrag aufstocken würde. Das hat er dann gemacht.
Und wie viel braucht man?
Um Polio endgültig auszurotten, hält die WHO bis 2018 etwa 5,5 Milliarden Dollar für notwendig.
Das ist eine Menge Geld ...
Ja, das ist ein sehr hoher Betrag, aber auch ein sehr lohnender. In der Welt wird immer mehr gereist: Es gab in der Geschichte noch nie eine so große Mobilität von Personen und Gütern. Und das Virus reist mit – ohne Pass und Visa.
Wie schwierig wird es sein, das letzte Prozent noch zu schaffen?
Bei vielen solchen Zielen in allen Bereichen, also etwa auch bei Klimaschutzzielen, fordert oft das letzte Prozent die größte Anstrengung. Aber es ist nötig. Sonst können wir die bisherigen Erfolge nicht absichern, und dann fängt die Welt schlimmstenfalls wieder von vorne an.