Dieser Erfolg weckt neue Hoffnungen, dass es in absehbarer Zukunft eine wirksame Waffe gegen die weltweite Seuche geben kann. Auch Aids-Experten in Deutschland sprechen von einem Schritt nach vorn, warnen aber vor überzogenen Erwartungen. Beim Berliner Robert-Koch-Institut äußerte man sich zurückhaltend. Noch seien die Daten nicht vollständig offengelegt, sie würden erst zu einem Kongress in Paris im kommenden Monat präsentiert.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnete das Testergebnis mit dem Impfstoff RV 144 HIV als sehr bedeutsam. Trotz einer noch bescheidenen Schutzwirkung von 31,2 Prozent wecke das Resultat neue Hoffnung, dass ein Impfstoff gegen HIV entwickelt werden könne.
Über 16 000 Teilnehmer
Die von der US-Armee in Auftrag gegebene Studie wurde vom thailändischen Gesundheitsministerium umgesetzt. An ihr nahmen 16 402 heterosexuelle Thailänder ohne besondere Risikofaktoren teil. Sie waren zwischen 18 und 30 Jahren, hatten ein durchschnittliches Ansteckungsrisiko und stammten aus zwei Provinzen in der Nähe von Bangkok. Den Freiwilligen wurden über sechs Monate hinweg sechs Impfungen verabreicht: vier mit dem genetisch veränderten Virus Alvac von Sanofi-Pasteur und zwei mit dem Aids-Impfstoff Aidsvax. Alvac verwendet einen veränderten Vogelvirus, mit dem synthetische Versionen von drei HIV-Genen in den Körper gelangen. Aidsvax verwendet die synthetische Version eines Proteins auf der Oberfläche des HI-Virus. Keines der beiden Mittel alleine konnte Aids-Infektionen verhindern.
In der Gruppe der Geimpften sei es zu 51 HIV-Infektionen gekommen, erklärte einer der Versuchsleiter, Jerome Kim vom Walter Reed Militärkrankenhaus im US-Bundesstaat Maryland. In der mit einem Placebo geimpften Kontrollgruppe hätten sich dagegen 74 Personen infiziert. "Obwohl der Schutzgrad offensichtlich mäßig ist, stellt die Studie einen großen wissenschaftlichen Fortschritt dar", sagte Kim.
"Allerdings wecken diese Ergebnisse neue Hoffnung für die Erforschung eines HIV-Impfstoffs", hieß es in einer Erklärung von Unaids und WHO. Entsprechend seien die Ergebnisse von großer Bedeutung.
Die Wissenschaftler rätseln, warum die Impfung überhaupt erfolgreich war, denn der Studie waren kaum Erfolgsaussichten eingeräumt worden. Kritiker hatten sie als Geldverschwendung verurteilt. "Wie andere habe ich nicht daran geglaubt, dass eine große Chance auf eine irgendwie geartete Wirksamkeit bestand", sagte Anthony Fauci vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases in den USA. 2004 schrieben 22 US-Experten im renommierten Wissenschaftsjournal "Science", dass das für die Studie aufgewendete Geld zum Fenster hinaus geworfen wäre - immerhin 100 Millionen Dollar, mit dem die US-Regierung die Untersuchung unterstützt hat.
Fauci und Kim wiesen beide darauf hin, dass der Impfstoff speziell für E- und B-Unterarten des HI-Virus entwickelt wurde, die insbesondere in Südostasien, Amerika und Europa vorkommen. Daher sei unklar, ob er in Afrika, bei Homosexuellen oder Drogenbenutzern funktionieren wird.
"Wir sehen in absehbarer Zeit noch keinen kommerziell verfügbaren Impfstoff", sagte auch Michael Leacock von ABN Amro zu der Studie. Ob die beiden Impfstoffkomponenten Alvac-HIV und Aidsvax jemals als Impfstoff auf den Markt kommen, hängt allerdings noch von einigen Bedingungen ab. Normalerweise bekommt ein Impfstoff keine Zulassung, wenn er zu weniger als 70 oder 80 Prozent effektiv ist - also ist weit mehr nötig als die jetzt erreichten 31,2 Prozent. Auch müssen noch einige Umstände geprüft werden.
Wie lange hält der Schutz an?, fragte gestern etwa Anthony Fauci, der Direktor des Nationalen US-Instituts für Allergie- und Infektionskrankheiten. Waren in der Probandengruppe auch Personen, die riskante Sexualpraktiken ausüben und leichter als andere mit HIV infiziert werden? Welche Rolle spielen Aids-Aufklärungskampagnen, die im Verlauf der Studie in Thailand begonnen wurden?
Doch auch wenn der Erfolg des Impfstoffs zunächst weit unter 50 Prozent liegt, könnte er Millionen Menschenleben retten.