Heiße Steine, Wärmflaschen, Heusack oder Kirschkern-Kissen gehörten zu Omas Hausmitteln.

Köln - Heiße Steine, Wärmflaschen, Heusack oder Kirschkern-Kissen gehörten zu Omas Hausmitteln. Der Kuschelfaktor hatte in der modernen Medizin nichts zu suchen, denn er führe nur durch einen Placebo-Effekt zur Besserung, hieß es. Doch nun finden sich immer mehr Belege für die Volksweisheit: Wärme heilt und lindert.

Britische Forscher konnten zeigen, wie die sanfte Hitze im Körper Schmerzen verringert: Temperaturen über 40 Grad aktivieren Wärmesensoren. Daraufhin senden diese Signale aus und blockieren andere Sensoren, die dem Gehirn Schmerzen melden. Einfacher: Ein Mensch mit einer Wärmflasche auf dem Bauch nimmt die Pein weniger wahr.

Der Leiter der Arbeitsgruppe am University College in London, Brian King, erklärt: "Die Wärme vermittelt nicht nur Wohlbefinden - sie bekämpft den Schmerz auf einer molekularen Ebene ähnlich wie ein Schmerz-Medikament." Chefarzt André-Michael Beer von der Modellabteilung für Naturheilkunde an der Klinik Blankenstein in Hattingen erklärt: "Aus der Praxis bei uns wissen wir, dass viele Patienten Schmerzmittel einsparen können, wenn sie einen wärmenden Heusack auflegen."

Der geringere Schmerzmittelverbrauch soll nun endlich schwarz auf weiß beziffert werden, dazu läuft gegenwärtig zusammen mit der Ruhr-Universtät Bochum eine Studie. In ihr werden konventionell versorgte Rückenschmerz-Patienten der Uniklinik mit den naturheilkundlich Behandelten verglichen. Traditionell wird Wärme bei chronischen Beschwerden im Bewegungsapparat wie Nacken- oder Rückenschmerzen, Rheuma, Muskel- oder Sehnenerkrankungen eingesetzt.

Jetzt beginnt auch die Hightech-Medizin, die Heilkraft zu nutzen. An der Uniklinik Heidelberg bestrahlten Chirurgen nach großen Bauchoperationen die Wunde mit wassergefiltertem Infrarotlicht. "Die Wärme dringt tief in das Gewebe ein, aber sie erhitzt oder irritiert die Hautoberfläche nicht", so Arzt Mark Hartel. Alle 46 Patienten der Infrarotgruppe klagten seltener über Schmerzen und verließen im Schnitt die Klinik zwei Tage früher. Die Wunden heilten schneller.

Sogar Krebskranken hilft Wärme. Hier sprechen die Wissenschaftler von der Hyperthermie. Mit ihr will die Medizin die Schlagkraft der Chemo- und Strahlentherapie verstärken. Beide Therapien zerstören schnell wachsende Zellen, die bösartige Tumoren kennzeichnen. Die Wärmestrahlen werden gezielt auf das Krebsgewebe ausgerichtet, das dadurch besser durchblutet wird. "Der erhöhte Stoffwechsel der Zellen kann nach Erfahrung der Ärzte dazu beitragen, die Effektivität einer Strahlen- oder Chemotherapie zu verbessern", so ein Sprecher des Uniklinikums Mannheim. Dort wurde ein neues Gerät in Betrieb genommen. Mit Mikrowellen erwärmen die Ärzte das Tumorgewebe kurz vor der Strahlentherapie auf 43 Grad Celsius. Die Mikrowellen dringen nicht sehr tief in den Körper ein und eignen sich deshalb zur Behandlung von Tumoren, die dicht unter der Haut liegen, etwa im Bereich von Kopf, Hals oder Brustwand. Um tiefer gelegene Krebsherde zu erreichen, haben Medizintechniker Geräte für die Tiefen-Hyperthermie entwickelt, die mit Radiowellen oder Infrarot-Strahlen arbeiten.

Eine aktuelle US-Studie zeigt Erfolge bei der Behandlung von wiederkehrendem Brustkrebs. Am Münchner Uniklinikum schloss Professor Rolf Issels eine achtjährige Studie ab. Er konnte beweisen, dass man die sehr bösartigen Weichteil-Sarkome mit einer Kombination von Wärme und Chemotherapie besser bekämpfen kann.

Noch sind die Verfahren in Deutschland überwiegend im Versuchsstadium. Doch der Durchbruch scheint nah. Der Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft, Professor Michael Bamberg, bezeichnet die Hyperthermie neben der Chirurgie, Strahlen- und Chemotherapie als vierte Säule der Krebsbehandlung. Das Spektrum reiche von der deutlichen Verbesserung der Lebensqualität und der Lebensverlängerung bis hin zur vollständigen Heilung bei manchen Tumorarten.