Wohl jeder kennt das mulmige Gefühl, wenn man allein durch schlecht beleuchtete Bahnhöfe läuft. Wohl jeder kennt die Videos von Opfern, die nahe der Gleise brutal attackiert werden. Aber Gerd Neubeck, Sicherheitschef der Deutschen Bahn (DB), bleibt dabei: Die Wahrscheinlichkeit, angegriffen zu werden, sei nahezu überall im öffentlichen Raum größer als auf Bahnanlagen oder in Zügen – schließlich gebe es dort unzählige Kameras. Und nun meldet die Bahn außerdem einen Rückgang bei Fällen von Kriminalität und Vandalismus.
Der Zahl der Körperverletzungen ging nach Angaben der Bundespolizei im vergangenen Jahr um sieben Prozent auf rund 13.650 Fälle zurück. Das entspricht bundesweit im Schnitt 37 Fällen täglich in allen Zügen und Bahnhöfen, also auch in Zügen der Wettbewerber der DB. 2013 hatte sich die Zahl von Körperverletzungen an Bahnhöfen und Zügen mit 14.600 auf gleichbleibendem Niveau des Vorjahres bewegt. Damals hatte die Bundespolizei im Schnitt 40 Körperverletzungsdelikte pro Tag registriert.
Der größte Teil dieser Zwischenfälle konzentriere sich auf das Umfeld von Massenveranstaltungen sowie auf das Wochenende, wenn Alkohol im Spiel ist. „Wir ruhen uns auf diesen guten Werten nicht aus“, so Neubeck weiter. So kündigte der Sicherheitschef an, die Videotechnik an mehr als 100 Bahnhöfen bundesweit auszubauen, insgesamt 700 Kameras. Einer der ersten Bahnhöfe, der dabei umgerüstet wird, ist das Berliner Ostkreuz. Zugriff auf die Aufnahmen hat allein die Bundespolizei.
Während es für die Fahrgäste sicherer geworden ist, leben die Mitarbeiter der Bahn gefährlich. Die Zahl der Übergriffe auf das DB-Personal stieg um 25 Prozent auf 1500 Fälle, rund 80 Prozent davon ereigneten sich bei der Durchsetzung des Hausrechts oder Fahrkartenkontrollen. „Es wird vermehrt zugeschlagen, um nicht erwischt zu werden“, sagt Neubeck. Auch deshalb will die Bahn vermehrt „Hausverbote“ bis zu zwei Jahren aussprechen. Die Gefahr, trotz Ausschluss erwischt zu werden, ist allerdings nicht besonders hoch. Nach Übeltätern wird nicht zielgerichtet gesucht.
Mehr Schmierereien
Bei Sachbeschädigungen kann der Staatskonzern insgesamt gesehen weniger Delikte konstatieren. Die Fälle von Buntmetalldiebstahl gingen 2014 um weitere 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf etwa 1500 Taten zurück. Seit 2011 sind die Diebstähle damit um mehr als 50 Prozent rückläufig. Der materielle Schaden durch Buntmetalldiebstahl lag 2014 bei etwa 17,1 Millionen Euro und ging damit leicht zurück. Eine Maßnahme: In die Leitung wurde ein sogenannte DNA eingearbeitet, die am Täter haften bleibt und eindeutig identifizierbar ist. Auch Vandalismus in Form beschädigter Sitze oder zerkratzter Scheiben ging um weitere sieben Prozent auf 11.050 Fälle zurück. Nur eines kriegt die Bahn nicht in den Griff: Graffitis. Bei Schmierereien registrierte die Bahn einen Anstieg um 25 Prozent auf 19.350 Taten (2013: 15.500). Dadurch sei ein Schaden von 8,1 Millionen Euro entstanden. Allein die Berliner S-Bahn kosten Vandalismus und Graffiti jedes Jahr sechs Millionen Euro. Die Begründung für den Anstieg klingt überraschend: Zurückzuführen sei er unter anderem auf die Lokführerstreiks im Herbst. Deshalb hätten viele Züge nicht an den üblichen, gesicherten Anlagen abgestellt werden können – und wurden so zu einer leichten Beute für Sprayer. So habe es nach dem ersten Streik nur zehn Minuten gedauert, bis der erste Zug vollgeschmiert war.