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Rückrufe trüben Image von Alnatura

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Michael Gassmann

Giftiger Stoff in Brei für Babys macht der expandierenden Ladenkette zu schaffen

Der Bionahrungs-Anbieter Alnatura hat mit Produktmängeln zu kämpfen – und das ausgerechnet im sensiblen Segment Babynahrung. Die Kette ruft 400-Gramm-Packungen des Hirse-Getreidebreis mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 30. August 2015 zurück, wie sie auf ihrer Internetseite verbreitete. „Wir bitten Kunden, die Packungen des Alnatura Hirse-Getreidebrei mit Reis (Mindesthaltbarkeitsdatum 30.08.2015) zu Hause haben, diese vorsorglich zurückzubringen“, heißt es dort. In dem Brei seien Spuren des Pflanzeninhaltsstoffs Tropanalkaloide nachgewiesen worden. Selbstverständlich werde das Produkt ersetzt. Mit Alnatura trifft es einen der größten deutschen Anbieter. Das Unternehmen betreibt 92 „Super-Natur-Märkte“ in 42 Städten, vornehmlich in Bayern, Baden-Württemberg sowie elf in Berlin, und beschäftigt über 2300 Mitarbeiter.

Für Hersteller von Babynahrung sind Rückrufe extrem heikel. Eltern wenden sich schnell anderen Marken zu, wenn sie den Eindruck bekommen, sie gingen mit dem Kauf eines bestimmten Produkts für ihr Baby ein Risiko ein. „Babynahrung ist ein Produkt, das mit einem hohen emotionalen Engagement verbunden ist“, sagte Oliver Hupp, GfK-Experte für Konsumgüter und Einzelhandel. Es komme darauf an, wie das betroffene Unternehmen mit einem Rückruf umgehe. „Er ist Chance und Risiko zugleich. Wichtig ist, dass sich das Unternehmen proaktiv seiner Verantwortung stellt“, sagte Hupp. Genau das versucht Alnatura derzeit. Mit der Aktion wolle man „jegliches Risiko für Säuglinge und Kleinkinder ausschließen“, hieß es zu Begründung.

Ob das reicht, um die Glaubwürdigkeit zu sichern, ist offen – zumal Alnatura in den letzten Monaten wiederholt mit zweifelhaften Inhaltsstoffen seiner Babyprodukte in Verbindung gebracht wird. Anfang November waren Kindertees in die Schlagzeilen geraten. Das ZDF-Verbrauchermagazin „Wiso“ hatte 19 Kräutertees für Babys untersucht. In vier davon fanden sich krebserregende Gifte aus der Gruppe der Pyrrolizidinalkaloide (PA). Wiederum war Alnatura unter den beiden Produkten mit der höchsten Schadstoffbelastung. Sowohl die jetzt nachgewiesenen Tropanalkaloide als auch der Schadstoff im Tee sind pflanzlichen Ursprungs. „Die Stoffe sind in den Samen von Beikräutern enthalten“, sagte ein Alnatura-Sprecher. Frühere Bauern-Generationen hätten von „Unkraut“ gesprochen, dessen Bekämpfung im Bio-Landbau jedoch allenfalls vorsichtig betrieben wird. Sind die Samen zur Erntezeit eines Hauptproduktes wie Hirse reif, so können sie ins Erntegut geraten.

„Tropanalkaloide sind pflanzliche Inhaltsstoffe, die ab einer bestimmten Konzentration toxisch wirken“, erklärte der renommierte Lebensmittelchemie-Experte Ulrich Nehring. Das gelte aber ebenso für viele andere natürliche Bestandteile unserer Nahrung: „Wir können beispielsweise nicht ohne Salz leben, aber ab einer bestimmten Konzentration kann es tödlich wirken.“

Nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung kann das Gift bereits in geringer Konzentration Herzfrequenz und zentrales Nervensystem beeinflussen. Doch in der Praxis kommt das kaum vor. „Mit ist kein Fall bekannt, in dem ein Baby aufgrund von Tropanalkaloiden gesundheitlich geschädigt worden ist“, unterstreicht Nehring. Bei Kontrollen von Getreideerzeugnissen werde der Stoff nicht erfasst. Das macht die Situation nicht einfacher – weder für Eltern noch für die Anbieter.