Die Null-Zins-Zeit stellt so manche Grundregel der Geldanlage infrage. Der Vermögens-Check der Berliner Morgenpost hilft

Früher gab es eine einfache Grundregel der Geldanlage: „100 minus Lebensalter“ lautete die Faustformel für den Aktienanteil im Depot. Ein 40-Jähriger konnte 60 Prozent seiner Ersparnisse in Aktien anlegen. Selbst nach einer Schwächephase an der Börse blieb ihm bis zum Rentenalter noch genügend Zeit, die Verluste wieder wettzumachen. Zumal die übrigen 40 Prozent in erster Linie in sicheren Staatsanleihen angelegt waren. Sie übernahmen mit ihren zuverlässigen Zinsflüssen quasi die Funktion eines Airbags für das Depot.

Die Herausforderung bei der Geldanlage im Jahr 2014 liegt darin, dass es keinen zuverlässigen Airbag mehr gibt. „Angesichts der bereits nahe Null liegenden Zinsen können mögliche Kursrückgänge an den Aktienmärkten von anderen Anlageklassen wie beispielsweise Anleihen nicht mehr aufgefangen werden“, sagt Bernd Junginger von der SVA Vermögensverwaltung Stuttgart. Auch Vermögensverwalter Sven Scherer von der Honoris Treuhand in Berlin sieht Sparer heute größeren Gefahren ausgesetzt: „Vielen Anlegern ist durch die Erfahrungen in der Finanzkrise bewusst geworden, dass eine Rendite oberhalb der Inflationsrate nicht ohne zusätzliche Anlagerisiken möglich ist.“

Das Problem ist, dass die wenigstens Anleger auch entsprechend handeln. Nur wenige sind sich bewusst, dass eine Anlage vielfach sogar eine Rendite von rund vier Prozent abwerfen muss, um am Ende nicht doch weniger zu haben als am Anfang. Denn neben der Inflation müssen auch Gebühren und Steuern abgezogen werden.

Niedrige Zinsen auf Staatsanleihen

Um zu überprüfen, inwieweit das eigene Depot auf die neue und wohl noch eine Weile anhaltende Null-Zins-Zeit vorbereitet ist, bietet die Berliner Morgenpost einen Vermögens-Check in Zusammenarbeit mit der V-Bank. Dabei handelt es sich um eine Depot-Plattform für unabhängige Vermögensverwalter, also Experten, die keiner Bank angeschlossen sind. Leser der Berliner Morgenpost können dabei Kontakt zu einem der Anlage-Profis aufnehmen und von diesen kostenlos ihr Depot analysieren lassen.

Lothar Koch von der GSAM + Spee Asset Management im schleswig-holsteinischen Langballig hält eine Grundregel weiter für gültig: „Streuung über verschiedene Anlageklassen senkt das Risiko“, sagt er. Nur die Gewichtung der einzelnen Anlageklassen variiere. So sinkt auch bei seinen Kunden der Anteil der festverzinslichen Wertpapiere. Weil der Zins vieler Anleihen bereits unterhalb der Inflationsrate liege, sei ein Kauf nur noch dann sinnvoll, wenn Kursgewinne winken würden. Doch dies sei kaum noch möglich. „Da das Zinstief erreicht ist und keine weiteren substanziellen Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank mehr möglich sind, haben vermeintlich sichere Staatsanleihen kein reales Kurspotenzial mehr“, sagt Koch. Bei Anleihen gilt: Je niedriger der Zins, desto höher der Kurs und umgekehrt.

Die Frage ist, welche Alternativen haben Anleger? „Das Thema der ‚ewigen Aktie‘ spielt eine wesentlich größere Rolle“, sagt Burkhard Wagner, Vorstand der Partners Vermögensmanagement in München. Aktien von Unternehmen, die seit Jahren regelmäßig eine Dividende ausschütten, seien sehr gefragt. „Leider genießen diese Papiere nicht nur einen guten Ruf, sondern weisen auch eine relativ hohe Bewertung auf“, schränkt er ein. Zu den Klassikern unter den „ewigen Aktien“ gehören die Papiere der Weltkonzerne Nestlé (Schweiz) und Coca-Cola (USA).

Manche Vermögensverwalter plädieren auch dafür, den Edelmetallanteil im Depot zu erhöhen. „Gold hat rund 35 Prozent seiner Bewertung in Dollar verloren und Silber sogar 65 Prozent. Jetzt ist wieder der richtige Zeitpunkt, um einzukaufen“, sagt Koch. Andere sehen in Gold und Silber keine Lösung, weil auch sie keine Zinsen abwerfen, der Anleger nur auf Kursgewinne hoffen kann.

Immobilien, ob direkt gehalten oder als offene Fonds, werden ebenfalls gerne zur Risikostreuung verwendet. Für Frank Wieser, Geschäftsführer von PMP Packenius, Mademann und Partner in Düsseldorf, kommt der Kauf nur noch selten infrage. „Da hat schon jeder investiert, der kann“, ist seine Erfahrung.

Die Verteilung des Vermögens auf Anlageklassen ist das eine, die Wahl der konkreten Produkte das andere. Immer wieder lässt sich allein beim Blick auf die Fonds und Zertifikate im Depot erkennen, bei welcher Bank der Kunde ist. Es finden sich vor allem bankeigene Produkte – die oft recht teuer sind. „Die Bedeutung der Rendite nach Kosten ist durch die niedrigen Zinsen viel stärker in den Fokus gerückt“, sagt Scherer. Kostengünstige börsengehandelte Investmentfonds, sogenannte ETFs, müssten stärker berücksichtigt werden.