Oliver Samwer vom Berliner Inkubator Rocket Internet erklärt bei Tengelmann die Zukunft des Onlinehandels

Der Mann sprüht vor Optimismus, der einem schon manchmal amerikanisch vorkommen kann. „Das wird noch ziemlich groß“, sagt Oliver Samwer über den Onlinehandel, „es geht alles noch viel schneller als bisher.“ Der Chef des Berliner Inkubators Rocket Internet hat schon Zalando und vielen anderen Onlinehändlern das Laufen beigebracht. Und er sieht jetzt riesige Chancen in Lateinamerika, Russland, Indien und Afrika.

„Der globale E-Commerce wächst noch mindestens 20 Jahre lang“, ist er sich sicher. Und die Deutschen mit ihren Fähigkeiten in der Detailarbeit könnten davon ganz besonders profitieren. „Muss denn der reichste Europäer ein Spanier sein?“, fragt er mit Blick auf Zara-Gründer Amacio Ortega. „Nein“, sagt er, „das könnte auch ein Deutscher sein.“

Was der geheimnisvolle und von Legenden umrankte 39-Jährige da bei einem seiner spärlichen öffentlichen Auftritte vor anderen Onlinehändlern auf der Bühne des „Technikums“ der Handelsgruppe Tengelmann zelebriert, ist eine Mischung aus Erfolgspräsentation seiner eigenen Firma, Nachhilfeunterricht in Sachen „Zukunft des Onlinehandels“ und Anlageberatung. Nach seinen Worten ist es eher ein Gefallen, den er Tengelmann-Chef Eriwan Haub für dessen Onlinehandelstag E-day tat. „Wir erzählen nicht so gern über uns“, sagt Samwer und meint damit sich und seine beiden Brüder. Doch für Haub macht er eine Ausnahme. Der Händler (Kaiser’s/Tengelmann, Obi, KiK), war 2009 nach dem Verkauf der Discountkette Plus bei der bekanntesten Beteiligung von Rocket Internet eingestiegen, dem Modehändler Zalando. „Er ist immer noch der einzige klassische Einzelhändler bei uns“, wundert sich Samwer, „da fragt man sich: Wo sind denn die anderen alle?“ Haub hat sich seither Beteiligungen an mehr als 20 jungen Onlinehändlern gekauft und offenbar Spaß daran.

Vielen klassischen Händlern dagegen, sagt Samwer über die anderen, „ist nicht klar, was hier passiert: Die Leute wollen einfach online einkaufen.“ Diese Händler glaubten immer noch, „das Internet kommt nicht, und Zalando wird nichts“. Doch damit lägen sie völlig falsch. Statt zumindest einen Teil ihres Geldes in „jungen Rennpferden“ – also Onlinehändlern – anzulegen „und sich damit für die Zukunft zu hedgen, kaufen sie sich Immobilien!“ Die Fassungslosigkeit darüber ist Samwer anzumerken.

Er bringt das Beispiel der Eigentümerfamilie von Wal-Mart, dem größten Einzelhändler der Welt. „Die ärgern sich jetzt, dass sie Amazon damals nicht gekauft haben, als es nur 20 Milliarden Dollar wert war. Jetzt kostet es 100 Milliarden, mindestens.“ Jetzt erst habe auch die Wal-Mart-Familie die Zeichen der Zeit erkannt, jetzt investierten sie in Onlinehändler. Dass in zehn Jahren mit Amazon die Ikone und Benchmark des E-Commerce das Unternehmen mit dem höchsten Börsenwert sein wird, ist für Samwer keine Frage.

Dass Samwer vom klassischen Handel und seinen Beratungsversprechen nicht viel hält, verhehlt er nicht: „90 Prozent aller Verkäufer sind doch total schlimm.“ Und Henning Kreke, Chef der auf ihre Beratungsdamen so stolzen Parfümeriemarktkette Douglas, zuckt kurz zusammen auf seinem Platz vor der Bühne. Und in den Multichannel-Strategien, bei denen stationäre Händler ihre Waren auch online anbieten, sieht Samwer kaum mehr als Ideen von Ratlosen, die vor dem Ende stehen.

Onlinehandel dagegen sei die Zukunft: „E-Commerce funktioniert überall.“ Für Rocket Internet seien fast alle großen Märkte spannend, außer die USA und China. Denn da gingen sie ja alle hin. „Ich suche mir Länder, wo es eben noch keine 100 Zalandos gibt wie in China“, sagt Samwer und berichtet vom Betriebsstart Zalandos in Finnland. Da habe es am ersten Tag einen riesigen Umsatz gegeben – weil der neue Shop aus Deutschland 5000-mal so groß gewesen sei wie derjenige, der bis zu diesem Zeitpunkt der größte war.

Noch viel spannender seien die großen Schwellenmärkte: „Laufen eine Milliarde Inder etwa nackt rum? Oder ohne Schuhe? Nein, natürlich nicht. In genau solche Länder gehe ich.“ Auch nach Brasilien. „Dort wächst das Internet pro Jahr um zehn bis zwölf Prozent, in Deutschland vielleicht um vier Prozent.“ Zudem lege die Wirtschaft dort sechs Mal so schnell zu wie in Deutschland. „Das bekomme ich so noch obendrauf. Umsonst!“ Und wenn es in den Ländern keine Infrastruktur und kein Bezahlsystem gebe, „dann schaffe ich mir das eben selber“. 80 Prozent der Lieferungen in Indien organisierten inzwischen die Firmen von Rocket Internet, „in Russland kommen 40 Prozent der Lieferungen mit eigenen Trucks“. Und der Fahrer kassiert das Geld bar bei Lieferung. Dass ab und zu mal einer damit durchbrennt, sei doch kein Grund, diese Chancen in den Zukunftsmärkten sausen zu lassen.