Arbeitgeber dürfen von ihren Mitarbeitern bereits am ersten Krankheitstag ein ärztliches Attest verlangen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht am Mittwoch in Erfurt (5 AZR 886/11) und bestätigte damit die geltende Rechtslage. Arbeitgeber müssen demnach auch nicht begründen, warum sie so früh einen Krankenschein vorgelegt bekommen wollen. „Der Arbeitgeber hat das Recht, dieses Verlangen zu stellen, und er ist darin nicht an besondere Voraussetzungen gebunden“, begründete der Vorsitzende Richter Rudi Müller-Glöge das Urteil. Es liege in seinem Ermessen, eine solche Weisung zu stellen – unabhängig davon, ob ein Missbrauchsverdacht besteht oder nicht.
In Deutschland gibt es laut Statistischem Bundesamt derzeit 37,2 Millionen Arbeitnehmer. Bundesweit waren Arbeitnehmer im vergangenen Jahr durchschnittlich 9,5 Arbeitstage krankgemeldet. Den niedrigsten Krankenstand der vergangenen 20 Jahre gab es 2007 mit rund 7,9 Fehltagen.
Gesetzlich sind Beschäftigte dazu verpflichtet, ihren Arbeitgeber unverzüglich zu informieren, wenn sie wegen Krankheit ausfallen. Spätestens am vierten Krankheitstag muss eine entsprechende Bescheinigung eines Arztes vorgelegt werden. Das Entgeltfortzahlungsgesetz räumt dem Arbeitgeber aber zugleich das Recht ein, schon früher einen Krankenschein zu verlangen.
Grundlegende Regelung
Auch im konkreten Fall konnten die obersten Arbeitsrichter keine Willkür erkennen. Damit scheiterte eine leitende Redakteurin des Westdeutschen Rundfunks in Köln auch in der dritten Instanz mit ihrer Klage. Die 59-Jährige hatte mehrfach eine Dienstreise beantragt, die vom Vorgesetzten abgelehnt wurde. Am vorgesehenen Reisetag im November 2010 meldete sich die Redakteurin krank und erschien am Folgetag wieder zur Arbeit. Der Arbeitgeber verlangte daraufhin von ihr, künftig schon am ersten Fehltag ein ärztliches Attest vorzulegen.
Die Klägerin empfand diese Anweisung als Disziplinierungsmaßnahme und sah darin ein Verstoß gegen das arbeitsrechtliche Schikaneverbot, weil dies nicht für alle Mitarbeiter galt. Auch der Tarifvertrag sehe ein derartiges Recht nicht vor. Dieser Auffassung folgten die Bundesrichter aber nicht. Zur Begründung verwiesen die Bundesarbeitsrichter auf das „Gesetz zur Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall“ (EFZG). Nach der Bestimmung ist das ärztliche Attest zwar stets nach drei Krankheitstagen vorzulegen. Dort heißt es aber auch: „Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen.“ Ein Tarifvertrag stehe dem nur entgegen, wenn er ausdrücklich andere Regelungen trifft. Dies sei hier aber nicht der Fall.
„Arbeitgeber können unabhängig von einem objektiven Anlass die Vorlage eines Krankenscheins am ersten Tag verlangen“, stellte Gerichtssprecherin Inken Gallner klar. Es bedürfe daher keines begründeten Verdachts, dass in der Vergangenheit eine Erkrankung nur vorgetäuscht worden sei. Die vom Bundesarbeitsgericht getroffene Auslegung des Gesetzes gilt grundlegend für alle Arbeitsverhältnisse.
Der Anwalt der Klägerin bedauerte die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts. „Damit wird ein Gesetzestext zementiert, der aus unserer Sicht arbeitnehmerunfreundlich ist“, sagte Rechtsanwalt Joachim Gärtner. Es bestehe die generelle Befürchtung, dass Arbeitgeber das als Willkürmaßnahme missbrauchen könnten. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hingegen begrüßte die Entscheidung, die Rechtsklarheit schaffe.