– Fast immer geht es um große Hoffnungen. Auf ein gesünderes, längeres und besseres Leben – und um Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung. Der Hana Oncolyzer ist gewissermaßen ein prototypischer Berliner Hoffnungsträger. Gerade wird er im Krankenhausalltag der Charité erprobt. Es ist ein Softwareprodukt für die klinische Therapie, entstanden aus der Zusammenarbeit von Forschern des Datenkonzerns SAP und des Berliner Uniklinikums. Das Ziel: Blitzschnelle Verarbeitung aller relevanten Patientendaten um innerhalb kürzester Zeit die richtige Krebstherapie zu finden. Für ein solches Produkt gibt es potenziell einen Milliardenmarkt.
Bislang müssten Ärzte tagelang Krankenakten wälzen, um eine personalisierte Therapie zu finden. Mit dem Oncolyzer geschehe dies in wenigen Sekunden, sagt Cafer Tosun, Chef des SAP Innovation Center in Potsdam. Für Kai-Uwe Bindseil nimmt der Oncolyzer einen wichtigen Zukunftstrend vorweg. Die Verbindung von Biologie, Medizin und Software. Bindseil ist Clustermanager für die Gesundheitswirtschaft in der Stadt. Cluster werden jene Branchen genannte, in denen Berlin das größte Potenzial, die meiste Hoffnung für Prosperität sieht.
Und wenn es um Gesundheitswirtschaft geht, dann hegen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft in der Stadt mit die größten Hoffnungen. Auch darum wird es beim „World Health Summit“ (Weltgesundheitsgipfel) gehen, der an diesem Sonntag in Berlin beginnt. Dort stehen zwar globale Probleme im Mittelpunkt, aber dieser Gipfel fügt sicht gut in die Berliner Strategie, mit dem Thema Gesundheit zu punkten. Die Stadt hat zwar eine vergleichsweise schwache Industrie, einerseits. Andererseits stehen auf dem Stadtgebiet namhafte Kliniken und Forschungsinstitute. Der Bedarf an Gesundheitsdienstleistungen aller Art steigt in einer alternden Gesellschaft. Egal, ob Pharma, Medizintechnik, Biotechnologie, Kliniken oder diverse Dienstleistungen: Gesundheitswirtschaft ist der Wachstumsmarkt in Deutschland, besonders aber für Berlin.
Das lässt sich schon heute in Zahlen ablesen, die das Gesundheitscluster erhoben hat. Fast 6000 Firmen erwirtschaften einen Jahresumsatz von mehr als 16 Milliarden Euro im Jahr. In der Branche arbeiten mehr als 270.000 Menschen. Das reicht von Pflegekräften über Forscher im Max-Delbrück-Zentrum bis hin zu Laboranten bei Bayer. Rund 1,2 Millionen Menschen mit einer sozialversicherungspflichtigen Stelle arbeiten in der Hauptstadt. Demnach ist fast jede vierte Stelle der Gesundheitswirtschaft zuzuordnen.
Das Gros entfällt dabei auf die Kliniken wie Charité oder den Krankenhauskonzern Vivantes. Am dynamischsten entwickelt sich jedoch die Branche der Medizintechnik. „Diese Unternehmen wachsen hier bei uns so schnell wie nirgendwo anders in Deutschland“, sagt Clustermanager Bindseil. Christoph Böhmer leitet wohl eine der größten Erfolgsgeschichten der Berliner Gesundheitswirtschaft. Böhmer ist Chef von Biotronik, das vor fast 50 Jahren aus dem Uni-Umfeld gegründet wurde. Biotronik stellt unter anderem Herzschrittmacher her, hat mittlerweile aber eine ganze Produkt- und Dienstleistungspalette rund um das zentrale Organ. 6500 Mitarbeiter hat Biotronik weltweit, 2600 am Unternehmenssitz in Neukölln.
Zu Umsatz und Gewinn schweigt Biotronik. Doch der Jahresumsatz dürfte recht nahe der Milliardengrenze liegen. Man wachse Jahr für Jahr um gut zehn Prozent, sagt Böhmer. Er sieht in der hohen Dichte von Forschungseinrichtungen in der Stadt einen großen Vorteil. „Wir haben mit allen führenden Kliniken in der Stadt Kooperationen“, sagt er. Davon profitiere man. Was ihn manchmal stört, ist das mangelnde Verständnis und Interesse für Industriebetriebe aus der Stadt. Berlin werde als Kreativ- und Kunstmetropole vermarktet. „Allerdings ist die Stadt in der Wahrnehmung vieler Bewerber als Industriestandort nicht bekannt“, sagt Böhmer. Und das sei manchmal ein Nachteil.