Rückerstattung

Prämien-Regen für Kassenpatienten

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Georg Buschmann

Bei 17 gesetzlichen Krankenkassen gibt es Geld zurück. Elf davon sind offene Kassen, zu denen Versicherte noch wechseln können

973 Millionen – so viel Überschuss erwirtschaftete die Techniker Krankenkasse (TK) allein im Jahr 2011. Und weil es in diesem Jahr ähnlich gut läuft, beschloss die Kasse Mitte des Monats, ihren Versicherten ein Stück vom Geldkuchen zurück zu geben. Zwischen 60 und 120 Euro soll ein beitragspflichtiger TK-Versicherter im kommenden Jahr an Rückzahlung erhalten. Mit rund acht Millionen Kunden ist die TK die größte der insgesamt 17 gesetzlichen Kassen, die Prämien zurückbezahlen. Elf davon sind so genannte offene Kassen. Dorthin kann jeder gesetzlich Versicherte wechseln – und von den Prämien profitieren.

Leistungen vergleichen

Doch Anke Kirchner, Gesundheitsexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, warnt vor übereiligen Schnellschüssen. „Grundsätzlich sollte man nicht nur wegen einer Prämie die Versicherung wechseln“, sagt sie. Versicherte, die wechseln wollen, sollten sich daher nicht von der Prämie blenden lassen, sondern zuerst die Leistungen vergleichen. 95 Prozent aller Leistungen der gesetzlichen Kassen sind zwar gleich, aber bei den übrigen fünf Prozent gebe es durchaus Unterschiede, sagt Kirchner. „Manche Kassen bezuschussen zum Beispiel eine Haushaltshilfe auch dann, wenn die Kinder schon über zwölf sind.“ Hier könne ein Versicherter unter Umständen viel mehr sparen als durch eine einmalige Prämie. Welche Kasse welche Leistung anbietet, kann man bei Vergleichsportalen im Internet sehen. Kirchner empfiehlt den Produktfinder der Stiftung Warentest. „Hier ist garantiert, dass wirklich unabhängig verglichen wird“, sagt Kirchner. Bei anderen Vergleichsportalen sei dies meist nicht der Fall.

Aber nicht nur die Leistungen sollten beim Wechsel der Kasse eine Rolle spielen, meint Kirchner. „Ein Versicherter muss sich auch darüber Gedanken machen, wie wichtig es ihm ist, einen Ansprechpartner seiner Versicherung in der Nähe zu haben.“ Denn Versicherer, die viele Filialen unterhalten, haben auch höhere Kosten und können deshalb vielleicht keine Prämie auszahlen. Dafür böten sie aber eine gute Vor-Ort-Beratung für die Patienten an, versichert die Verbraucherschützerin.

Kündigungsfrist einhalten

Ein Wechsel, um Prämie zu kassieren, will daher wohl überlegt sein. Um überhaupt wechseln zu können, muss ein Versicherter nämlich seit mindestens 18 Monaten bei seiner aktuellen gesetzlichen Krankenkasse sein. Das ist die Mindestvertragslaufzeit. Erst danach kann man kündigen - und wechseln. Es sei denn, die eigene Krankenkasse erhebt einen Zusatzbeitrag. In diesem Fall können Versicherte auch dann kündigen, wenn sie noch keine 18 Monate dort versichert waren. Dennoch müssen sie eine zweimonatige Kündigungsfrist einhalten. Die gilt immer, egal, ob regulär gekündigt wird oder wegen eines Zusatzbeitrags.

Wer also noch wechseln und im kommenden Jahr eine Prämie absahnen will, muss sich beeilen: Denn eine Kündigung im Oktober bedeutet, dass man frühestens ab Dezember bei einer neuen Versicherung sein kann. Wichtiger Stichtag für den Wechsel ist der 1. Januar 2013. Wer im Jahr 2013 etwa bei der „BIG direkt gesund“ versichert ist, kann noch von den Überschüssen aus 2012 profitieren. Zwischen 80 und 140 Euro zahlt die Kasse an ihre Mitglieder aus. Auch alle, die zum Jahreswechsel Kunde bei der BKK A.T.U. sind, dürfen sich auf eine Rückzahlung von mindestens 30 Euro freuen. Mehr Zeit haben Wechselwillige bei der Hanseatischen Krankenkasse (HEK). Die Kasse schüttet 75 Euro an alle aus, die am 1. Mai 2013 bei ihr versichert sind (siehe Tabelle).

Wie der größte Zurückzahler, die Techniker Krankenkasse, ihre Prämienausschüttung handhabt, ist dagegen noch nicht klar. Es wird darüber spekuliert, dass auch sie eine Stichtagsregelung vorsieht, um Neukunden anzulocken. Endgültig entscheidet der Verwaltungsrat aber erst am 12. Oktober.

Schlechte Nachricht für Unentschlossene: Bei den anderen Krankenkassen, die Prämien ausschütten, können Wechsler für das Jahr 2012 auf keinen Fall mehr profitieren. Denn diese Kassen haben keine Stichtags-Regelung. Sie zahlen nur an Mitglieder, die im Jahr 2012 auch tatsächlich bei ihnen versichert waren. Neukunden müssen sich ein Jahr gedulden, bis sie eine Rückzahlung sehen.

Ob die gesetzlichen Krankenkassen aber auch noch 2014 Prämien ausschütten können, ist mehr als fraglich. Denn der aktuelle Prämienregen ist einer seltenen Sondersituation geschuldet: Im Moment hätten die Kassen noch außergewöhnlich hohe Einnahmen und vergleichsweise geringe Kosten. Das sagt Florian Lanz vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen.

Das liege zum einen an der geringen Arbeitslosenzahl. „Arbeitnehmer zahlen natürlich mehr in die gesetzliche Krankenkasse ein als Arbeitslose.“ Deshalb seien die Beträge, die den Krankenkassen zur Verfügung stehen, im Moment besonders hoch. Ein weiterer Grund: „Zudem sind Berufstätige seltener krank als Arbeitslose.“ Die Krankenkassen profitierten also gleich doppelt von der guten Erwerbslage. „Außerdem sind die Zuschüsse vom Bund in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen.“ In Zukunft sollten die staatlichen Zuschüsse zur gesetzlichen Krankenversicherung aber wieder zurückgefahren werden. Im Moment zahlt der Bund noch 14 Milliarden Euro ein, im kommenden Jahr sollen es zwei Milliarden weniger sein. Das bedeutet weniger Geld für die Krankenkassen. Lanz glaubt zudem, dass die Arzneimittelpreise in Zukunft wieder steigen. „Die Gesundheitsreform hatte sie kurzzeitige gesenkt.“ Das sei aber eine absolute Ausnahme. Demnächst werden die Krankenkassen wieder mehr ausgeben müssen.

Dann wird es möglicherweise vorbei sein mit der Prämienherrlichkeit. Die war in den vergangenen Jahren entstanden, weil einige gesetzliche Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds mehr Geld bekommen haben, als sie zur Versorgung ihrer Versicherten brauchten. Die Folge waren prall gefüllte Kassen, allen voran bei der Techniker Krankenkasse. 2,7 Milliarden hatte sie angehäuft.

Krankenkassen entscheiden selbst

Gesetzliche Krankenkassen dürfen aber nur über Rücklagen in Höhe von anderthalb Monatsausgaben verfügen. Im Falle der TK sind das rund zwei Milliarden Euro. Alles, was darüber hinaus geht, müssen sie entweder in höhere Leistungen investieren. Oder aber sie haben die Möglichkeit, es ihren Versicherten zurückzugeben. Die TK hat sich für letzteres entschieden, die AOK Plus zum Beispiel will ihre Leistungen erhöhen. Florian Lanz sagt, dass jede Krankenkasse das halten könne, wie sie will. Es gibt sogar Kassen, die sowohl Prämien zurück zahlen als auch Leistungen erhöhen. Die BKK Gildemeister Seidensticker etwa zahlt ihren Mitgliedern fürs Jahr 2012 eine Prämie in noch unbekannter Höhe aus. Im vergangenen Jahr waren es 60 Euro. Außerdem bietet sie als Zusatzleistung an, Osteopathie-Situzungen ihrer Versicherten zu übernehmen. Genauso macht es auch de BKK Verbund Plus.

„Allerdings ist es für die Versicherung teurer, eine Prämie auszuzahlen, weil das einen enormen Verwaltungsaufwand bedeutet“, sagt Experte Florian Lanz. Denn jeder Versicherte, der eine Prämie erhält, muss einen Verrechnungsscheck oder eine Überweisung bekommen. Wesentlich einfacher sei es, die Leistungen zu erhöhen. „Allerdings muss die Krankenkasse, wenn es nicht mehr so gut läuft, die Leistungen auch wieder zurücknehmen.“ Das kommt bei den Versicherten aber natürlich nicht immer gut an.