Steuern

Paradebeispiele für Verschwendung

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Anja Ettel und Ileana Grabitz

Bund der Steuerzahler prangert den teuren Flughafen BER an. Insgesamt listet das neue Schwarzbuch 110 weitere Fälle auf

– Es sollte ein Prestigeprojekt und das Berliner Tor zur Welt werden. Stattdessen ist der Neubau des Großflughafens Berlin-Brandenburg zum Paradebeispiel für Steuerverschwendung geworden. In seinem aktuellen Schwarzbuch „Die öffentliche Verschwendung 2012“ prangert der Bund der Steuerzahler das Milliardenprojekt als „Manifest von Fehlplanungen, Missmanagement, unvollständigen Bauplanungen und Kostenüberschreitungen“ an. Der Steuerzahlerbund schätzt, dass die Baukosten von mittlerweile 4,3 Milliarden Euro noch weiter steigen werden. In der letzten Bauphase sollten die Politiker im Aufsichtsrat des Flughafens, die mit dem Projekt eine „Bruchlandung“ erlebt hätten, daher durch externe Fachleute ersetzt werden, fordert der Steuerzahlerbund.

Der Flughafen ist nur das prominenteste von vielen Beispielen in dem Steuersündenregister, das der Bund der Steuerzahler seit 1972 einmal jährlich vorlegt. In diesem Jahr hat die Lobbyorganisation mehr als 110 Fälle zusammengetragen, die den sorglosen Umgang mit dem Geld der Steuerzahler dokumentieren sollen. Neben großen Verfehlungen wie bei dem Berliner Flughafen finden in dem Katalog auch kleinere Vorfälle Erwähnung, etwa der 10.000 Euro teure Fehlkauf von verkehrsberuhigenden Kissen. Diese waren im oberbayerischen Stephanskirchen im Sinne einer Geschwindigkeitsregulierung angeschafft worden, mussten aber wegen Lärmbelästigung der Anwohner schnell wieder weichen.

Schlampereien der Behörden

Gerade mit Blick auf Fälle dieser Art, warnte Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, ausdrücklich davor, auch über die kleinsten Schlampereien bei Behörden hinwegzusehen. „In der Staatsschuldenkrise werden Summen aufgerufen, die sich ein normaler Mensch nicht mehr vorstellen kann“, sagte er in Berlin. Dennoch – oder gerade deswegen – seien auch kleinere Summen relevant: „Jeder Euro Steuergeld muss zunächst durch uns verdient werden, bevor wir ihn zur treuhänderischen Verwendung in die Kassen des Staates geben.“ Deshalb sei die konkrete Höhe der Verschwendungssumme ein nachrangiges Bewertungskriterium. In Sachen Steuergeldverschwendung dürfe es kein egal geben.

Erstmals wird in dem Schwarzbuch des Verbandes auch der Sportwagenhersteller Porsche gerügt – weil das Unternehmen für die Erweiterung seines Leipziger Standort Antrag auf staatliche Beihilfen gestellt hat. Noch im Jahr 2002 habe der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking bei der Ansiedlung in Leipzig explizit auf 50 Millionen Euro Subventionen verzichtet, weil „Luxus und Stütze“ nicht zusammenpassten. Durch den Strategiewechsel der neuen Unternehmensführung verliere „die Marke Porsche ein Alleinstellungsmerkmal und der Steuerzahler eine Menge Geld“, monierte der Steuerzahlerbund nun.

Angeprangert werden auch die Millionenzahlungen aus dem rheinland-pfälzischen Landeshaushalt für den Freizeitpark am Nürburgring. „Der Steuerzahler darf den staatlichen Vergnügungsbetrieb an der Traditions-Rennstrecke Nürburgring bezahlen“, kritisierte der Verband. Rund 254 Millionen Euro waren aus dem Landeshaushalt nötig, um einen Kredit der landeseigenen Förderbank ISB zu decken. Im Juni meldete die Besitzergesellschaft des Nürburgring Insolvenz an.

Kritikern zufolge besteht ein großer Teil des Problems darin, dass Staatsdiener in den seltensten Fällen wirklich mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen – wenn sie etwa durch unsinnig erteilte Aufträge oder schlecht durchdachte Projekte Steuergelder verschwenden. Während der Staat sich ernsthaft bemühe, Steuerhinterziehern auf die Spur zu kommen und diese zügig zu bestrafen, argumentiert der Bund der Steuerzahler, übten sich die Strafverfolgungsbehörden im Fall von Steuerverschwendung oft in vornehmer Zurückhaltung.

Tatsächlich ist das Problem aber auch auf Seiten der Politik durchaus erkannt. Nicht umsonst hatte die Regierung nach den vergangenen Bundestagwahlen im Koalitionsvertrag das Ziel ausgegeben, „Steuerverschwendung gemeinsam mit Ländern und Kommunen entschlossen zu bekämpfen“.

Wie eine Straftat verfolgen

Laut dem Bund der Steuerzahler ist man kaum vorangekommen. Auch angesichts der Staatsverschuldung müsse Steuerverschwendung genauso wie Steuerhinterziehung strafrechtlich verfolgt werden, forderte der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler in NRW, Heinz Wirz.

Der Blick auf das Potpourri von Fällen, in denen Steuergeld verschleudert wurden, zeigt wie verbreitet das Phänomen ist. Im Schwarzbuch findet die noch immer nicht vollendete Hamburger Elbphilharmonie, die sich mit Baukosten von inzwischen 323 Millionen Euro bekanntermaßen als Millionengrab für Steuergelder erweist, genauso Erwähnung wie das Segelschulschiff „Gorch Fock“ - weil dies von derselben Werft innerhalb kurzer Zeit gleich zwei Mal generalüberholt wurde. Gerügt wird zudem das Desaster um die einstige Landesbank Sachsen LB, für die bisher Garantiezahlungen in Höhe von 365 Millionen Euro anfielen.

Um eine härtere Gangart gegen Steuerverschwender zu ermöglichen, fordern Kritiker seit Jahren schlagkräftigere juristische Instrumente. Einem Gutachten des Strafrechtlers Bernd Schünemann zufolge wäre einiges gewonnen, wenn Rechnungshöfe und Rechnungsprüfungsämter bei konkretem Verdacht eine Anzeigepflicht auferlegt bekämen. Zudem solle der Straftatbestand der Haushaltsuntreue im Strafgesetzbuch verankert werden.