- In Deutschland entsteht ein neuer Krankenhaus-Riese - mit einer Zentrale in Berlin. Der Gesundheitskonzern Fresenius plant für 3,1 Milliarden Euro die Übernahme des Klinikbetreibers Rhön-Klinikum. Fresenius will dessen Krankenhäuser und Versorgungszentren mit seiner Klinik-Tochter Helios verschmelzen. Vorausgesetzt, die Rhön-Aktionäre stimmen dem Angebot zu, würde der unangefochtene Marktführer unter den privaten Klinikbetreibern in Deutschland entstehen. Für den neuen Krankenhaus-Riesen würden 80.000 Beschäftigte arbeiten.
Helios und Rhön-Klinikum gehören bereits neben dem Asklepios-Konzern zu den drei größten privaten Klinikbetreibern in Deutschland. Zu Helios gehören 75 Kliniken und 31 medizinische Versorgungszentren. Die Gruppe versorgt mehr als 2,7 Millionen Patienten pro Jahr. Für die Helios arbeiten mehr als 43.000 Beschäftigte. In Berlin betreibt der Konzern zwei Kliniken in Buch und Zehlendorf, eine weitere im brandenburgischen Bad Saarow. Auch die Helios-Zentrale ist in Berlin.
Rhön-Klinikum besitzt derzeit 53 Krankenhäuser und 39 medizinische Versorgungszentren. Pro Jahr wurden zuletzt mehr als 2,2 Millionen Patienten behandelt. Mit der Fusion würde Helios auch die Kliniken Gießen und Marburg einkaufen und so erstmals die Kontrolle über ein Universitätsklinikum erhalten.
"Durch die Übernahme hätten wir an dem 77 Milliarden Euro schweren deutschen Klinikmarkt einen Marktanteil von acht Prozent", sagte Fresenius-Chef Ulf Schneider. Die meisten Krankenhäuser in Deutschland sind in öffentlicher Hand. Die größten Konkurrenten in Berlin sind die Charité und Vivantes, die beide dem Land Berlin gehören.
Eine Frage der Macht
Die Zustimmung der Kartellbehörden steht noch aus, auch weil noch nicht klar ist, wer über die Fusion entscheidet: Bei Zusammenschlüssen mit einem gemeinsamen Firmenumsatz von mehr als fünf Milliarden Euro müssen automatisch die Behörden der Europäischen Union zugezogen werden, auch wenn diese sich für gewöhnlich auf das Urteil der Landesbehörden verlassen.
Fresenius sei weit von einer marktbeherrschenden Stellung entfernt, sagte Schneider - ein Hinweis darauf, dass er wenig Probleme erwartet. Die Aufsichtsbehörden betrachten bei ihrer Entscheidung allerdings in der Regel regionale Märkte. Mit dem Zusammenschluss steigert Helios seine Reichweite erheblich, künftig leben 75 Prozent aller Deutschen in Nähe einer Helios-Klinik.
Die deutschen Wettbewerbshüter blicken nicht nur auf die Konzentration im deutschen Gesamtmarkt, sondern vor allem darauf, ob Patienten regional genug Auswahl bleibt, sagte Kay Weidner vom Bundeskartellamt: "Sollte im Umkreis von 30 Kilometern um den Wohnort vieler Patienten nach einem Zusammenschluss nur noch ein Anbieter übrig bleiben, kann das ein Problem sein." Womöglich muss Fresenius einzelne Krankenhäuser verkaufen.
Mehr Effizienz
Fresenius ist für die schnelle und erfolgreiche Integration von Zukäufen bekannt. Chef Schneider stemmt seit seinem Amtsantritt 2003 bereits die vierte Milliarden-Übernahme, darunter zwei in der Krankenhaussparte Helios: Im vergangenen Jahr hatte die Fresenius-Tochter nach einer längeren Flaute die Mehrheiten an der norddeutschen Damp-Gruppe und am Katholischen Klinikum Duisburg, einem 1000-Betten-Haus, übernommen.
Durch den Zusammenschluss mit Rhön-Klinikum will die Helios-Gruppe bei Einkauf und Verwaltung effizienter werden, der neue Klinik-Verbund soll insgesamt ein bis zwei Prozent mehr Gewinn vor Steuern bringen. "Wir erwarten ab dem dritten Jahr nach der Übernahme Synergien vor Steuern von 100 Millionen Euro", sagte Fresenius-Chef Schneider. "Stellenstreichungen stehen bei der Übernahme nicht im Fokus."
"Für die Patienten bietet der Zusammenschluss mittelfristig erst einmal Chancen", sagte Jürgen Wasem vom Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement der Universität Duisburg-Essen den Kauf. Konzern wie Patienten könnten künftig von besser abgestimmten Versorgungsprogrammen profitieren. "Fresenius befähigt sich mit jedem Zukauf mehr dazu, von der Geburt bis zum Sarg ein komplettes Gesundheitspaket anzubieten - Medikamente, Dienstleistungen, Versorgung. Kein anderer Gesundheitskonzern ist so gut aufgestellt." Diese Integration sei aber aus Sicht von Kassen und Patienten mittelfristig problematisch, sagte Wasem. "Je stärker das Gesundheitssystem dereguliert wird, desto eher ist ein solcher Komplett-Anbieter ein Problem für den Wettbewerb."
Die Gewerkschaften kritisieren die geplante Übernahme. Ver.di fürchtete, "unrealistische Renditeziele" des Klinikbetreibers könnten zu Personalabbau führen. Es entstünden durch den neuen Großkonzern "nicht mehr aufzuholende Nachteile für öffentliche, kirchliche und freigemeinnützige Krankenhäuser". Ver.di wehre sich dagegen, "dass aus Mitteln der Krankenversicherung die Rendite von Aktionären bezahlt wird".
Auch die kommunalen Krankenhäuser melden sich zu Wort: Es könne nicht sein, dass die Wettbewerbshüter Zusammenschlüsse und Kooperationen von kommunalen Unternehmen verböten, aber einen privaten Klinikriesen entstehen ließen, sagte Verbandschef Bernhard Ziegler. "Ich gehe davon aus, dass das Kartellamt der Übernahme nicht zustimmt."