Gut ein Drittel der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen fließen in die Kliniken des Landes. Der Chef von Deutschlands größter Krankenkasse Barmer GEK, Christoph Straub, fordert nun die Krankenhäuser zum Strukturwandel auf.

In Deutschland gebe es mehr Krankenhäuser mit mehr Betten als in anderen Industrieländern, sagt er der Morgenpost. Außerdem sei die Trennung zwischen dem ambulanten Sektor, also den Arztpraxen, und dem Krankenhausbereich noch zu strikt. Viele Operationen könnten inzwischen ambulant ausgeführt werden. Und wenn Patienten anschließend im Krankenhaus bleiben müssten, sei dies weniger lang nötig als noch vor einigen Jahren. Straubs Resümee: "Es gibt heute zu viele Krankenhäuser und vor allem zu viele Krankenhausbetten. Wir leisten uns Strukturen, die größer und teurer sind als in anderen Ländern."

Tatsächlich ist die Lage der Kliniken höchst verschieden. Auf der einen Seite gibt es regelmäßig Meldungen über gute Geschäftszahlen. Vor allem private Krankenhausbetreiber berichten von positiven Quartals- und Jahresergebnissen. Dazu zählt beispielsweise der Berliner Klinikkonzern Helios, Tochterunternehmen der Fresenius-Gruppe. Auch die jüngste jährliche Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts kommt zu dem Ergebnis, dass zwei Drittel der Krankenhäuser einen Überschuss erwirtschaften. Auf der anderen Seite verzeichnen 20 Prozent einen Verlust. Mit anderen Worten: Jede fünfte Klinik steckt in roten Zahlen.

In Berlin gibt es zwei landeseigene Klinikkonzerne, Charité und Vivantes. Beide leiden unter Geldmangel. Immer wieder entzündet sich eine Diskussion über die Zukunft einzelner Standorte, beispielsweise des Charité-Hauses Benjamin-Franklin-Klinikum in Steglitz und des Vivantes-Krankenhauses Auguste Viktoria. Allerdings ist Berlin in einer grundsätzlich besseren Lage als viele Landkreise mit ihren Krankenhäusern. Immer mehr Menschen ziehen in die Stadt, gerade auch, weil die Dichte medizinischer Versorgungseinrichtungen hier so hoch ist.

Jede fünfte Klinik defizitär

Der "Krankenhaus Rating Report", eine Studie, die unter anderem vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) herausgegeben wird, sieht vor allem kleine kommunale Häuser unter Druck. "Insbesondere für die kleinen Häuser in kommunaler Trägerschaft werden die nächsten Jahre wirtschaftlich hart", schreiben die Autoren. Jede fünfte kommunale Klinik schreibe rote Zahlen, im Gegensatz zu nur vier Prozent der privat getragenen Kliniken. Fazit des im Mai veröffentlichten Reports: Falls sich nichts ändert, muss in den nächsten zehn Jahren jedes zehnte der 2000 deutschen Krankenhäuser schließen.

Geht es nach der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), der Interessenvertretung der Kliniken, soll dies verhindert werden. Die Bundesregierung müsse das Sparpaket lockern, das sie mit der Gesundheitsreform 2011 in Kraft gesetzt hat, fordert die DKG. Geplant ist bisher, dass die Ausgaben der Kliniken auch 2012 weniger stark steigen als ursprünglich geplant. 600 Millionen Euro sollen dadurch gespart werden. Angesichts der prächtigen Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen löse das in den Krankenhäusern "Zorn" aus, berichtet DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum.

Das "routinemäßige Jammern von Krankenhausvertretern" sei realitätsfern, kontert eine Sprecherin des obersten Verbands der Krankenkassen. Wenn mehr als zwei Drittel der Kliniken Gewinne verzeichneten, gebe es "keinen Branchennotstand". Die Krankenhäuser hätten 2011 mehr als 60 Milliarden Euro von den Krankenkassen und den Beitragszahlern bekommen. "Und 2012 sind es noch einmal 2,5 Milliarden Euro mehr."

Richtig ist aber auch: Das vor gut einem Jahr befürchtete Defizit der Krankenkassen ist ausgeblieben. Der Gesundheitsfonds, aus dem die Kassen ihr Geld bekommen, verzeichnete zum Jahreswechsel neun Milliarden Euro Überschuss. Die Kassen selbst haben zusammen noch einmal mehrere Milliarden Euro auf der hohen Kante. Krankenkassenmann Straub will nur ungern etwas von dem Geld der Kassen abgeben. "Es ist nicht sinnvoll, die Sparmaßnahmen im Krankenhausbereich zurückzunehmen und teure Krankenhausstrukturen einfach aufrechtzuerhalten", sagt er. "Die Kliniken sollten den ökonomischen Druck nutzen, um die veralteten Strukturen zu verändern." Das traditionelle Nebeneinander von Krankenhäusern und Arztpraxen müsse sich ändern, fordert Straub. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung solle viel häufiger ambulant erfolgen oder während kurzer Aufenthalte im Krankenhaus.

"Dabei müssen niedergelassene Ärzte und angestellte Krankenhausärzte sowohl ambulante als auch stationäre Leistungen erbringen können", meint er und fordert eine "einheitliche Vergütung für bestimmte medizinische Leistungen, die ambulant und stationär erbracht werden". Das sei eine Voraussetzung, um die unzeitgemäße Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung zu überwinden. Straubs Vorstellung: weniger Kliniken und mehr "ambulant-stationäre Einheiten".