Ein Mann mit Tempo und Vision

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Hilmar Poganatz

Seine Unterschrift unter dem Quartalsbericht ist kurz und klar. «P. Neef» steht da, in einer Linie, die den Drei-Jahres-Chart der Pixelpark-Aktie nachzuzeichnen scheint: zunächst ein schneller und schwungvoller Aufstieg, dann ein langsamer, stufiger Abschwung, bis das «f» den jähen Sturz ins Bodenlose aufzeichnet.

Die Hand, die diese Unterschrift gesetzt hat, ist fein und schmal, sie wirkt, wie die gesamte Person, grazil und elegant. Mit dieser Hand schuf Paulus Neef im vergangenen Jahrzehnt eine Erfolgsgeschichte der deutschen Wirtschaft. 1991, mit 31 Jahren und nur zwei Jahren Berufserfahrung, nimmt der zum Medienberater geschulte Wahl-Berliner seine Zukunft selbst in die Hand. Zusammen mit dem Designer Eku Wand gründet Neef in einem Moabiter Hinterhof Pixelpark.

Neef war bei dem Dienstleister für interaktives Design von Anfang an nur für das Marketing zuständig. Der Sohn eines zweisprachigen Elternhauses «konnte Kunden überzeugen, die als unerreichbar galten», erinnert sich der Grafiker Markus Kempken. Neef ist flexibel und einfühlsam, schließlich ist er an zehn Orten in Deutschland und Spanien aufgewachsen.

Dann geht alles ganz schnell: die Umsatzerlöse explodieren, Bertelsmann steigt ein, es folgt der Börsengang, die Wahl zum «Mann des Jahres» im Marketing-Magazin «Horizont», und der scheinbar enorme Reichtum durch den Börsenwert von zeitweise mehr als 3,4 Mrd. Euro.

Auf der Strecke bleibt Eku Wand. Nicht, weil Neef ihn ausgebootet hat, das ist nicht sein Stil. «Mir ging das alles zu schnell», verriet Wand später der Zeitschrift «Brand Eins». Doch Neef, entzündet vom eigenen Erfolg, kannte nur eine Richtung: «Es musste weitergehen.» Die «Berliner Morgenpost» deutet das, was von vielen als Arroganz aufgefasst wird, als Ungeduld Neefs, «wenn andere seinem Tempo und seiner Vision nicht folgen können».

Dieser Glanz des Visionären gilt als einer der Schlüssel zu Neefs Erfolg. Denn Fondsmanager und Journalisten ließen sich nicht nur durch Inhalte, «sondern durch Charisma» beeindrucken, wie die Agenturgruppe Grey schon auf dem Höhepunkt der Börsenhausse feststellte. Dass der Nichtraucher und leidenschaftliche Espresso-Trinker über mehr als genug Charisma verfügt, konnte er seinerzeit auch bei TV-Auftritten und als Gastdozent an verschiedenen Hochschulen beweisen.

Sein anderer Schlüssel zum Erfolg war seine Geschwindigkeit. «Vor Wachstum hatte ich nie Angst», lautete sein Credo. Trotzdem sei es «ein merkwürdiges Gefühl» gewesen, «so unwirklich», als die Aktie Weihnachten 1999 die 100-Euro-Marke sprengte, verriet Neef der «Welt», als er Interviews noch nicht so scheute wie heute. Schon beim rauschenden Fest zum Börsengang habe er innegehalten und gedacht, «was für ein irrsinniger brand name» die Firma geworden sei.

Schon im ersten Börsenjahr droht Neef das Lebenswerk aus den Händen zu gleiten. Er kämpft. Als es 2001 bergab geht, misslingt ihm der Versuch, auf der «Höllenfahrt» auch die Kontrolle über die Finanzen an sich zu ziehen. Neef, der Pixelpark «immer wieder neu gründen» wollte, zieht sich zurück. Überraschend setzt er seine Unterschrift am 19. September unter eine Urkunde, die der Bank Sal. Oppenheim seine Stimmrechte sowie eine Kaufoption auf sein Aktienpaket gibt.

Die Bestürzung der Mitarbeiter zeigt, wie unglaublich dieser Schritt ihnen erschien. Vorstandsvorsitzender will Neef trotzdem bleiben. Für die Gründerikone geht so ein oft geträumter Albtraum in Erfüllung - Angestellter zu sein.