Handel räumt die Regale

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Harald Posny und Alexander von Gersdorff

Düsseldorf/Berlin - Wegen der Gefahr der Nitrofen-Verseuchung haben die großen deutschen Einzelhandelsketten vorsorglich Öko-Eier, Geflügel und Geflügelwurst an die Lieferanten zurückgeschickt. Daneben wird geprüft, ob auch Lieferungen von konventionellen Landwirtschaftsbetrieben oder Produzenten betroffen sind. Die Untersuchungen würden vier bis fünf Tage in Anspruch nehmen, sagte ein Sprecher der Rewe-Gruppe (Bio-Eigenmarke «Füllhorn»). Wer Produkte zurückbringe, erhalte sein Geld zurück. Die Rückgabe an die Lieferanten erfolgt auf deren Kosten, den erwarteten Umsatzrückgang trägt der Handel.

Der Metro-Konzern (Metro, Real, Extra und Kaufhof) hat nach eigenen Angaben schon Donnerstagabend fragliche Lieferungen gestoppt. Am Freitag wurden sämtliche Bio-Eier aus den Regalen entfernt, am Montag zwei Sorten von Geflügelwurst, sagte ein Metro-Sprecher, betonte aber, dass es sich um vorsorgliche Maßnahmen handele. Die konzerneigene Qualitätssicherung laufe «auf Hochtouren», um möglichen Nitrofen-Spuren auf die Spur zu kommen. Erste Untersuchungen hätten keine Nitrofen-Befunde ergeben. Das gelte für die eigene Bio-Marke «Grünes Land» ebenso wie für konventionelle Produkte, darunter Babynahrung.

Bei der Tengelmann-Gruppe (Tengelmann, Kaiser's, Plus, Eigenmarke «Naturkind»), Karstadt und Edeka sowie Spar wurde entsprechend verfahren. Tengelmann hat 120 Bio-Artikel von Müslis über Brot, Gebäck, Obst und Gemüse im Sortiment. Bei Karstadt wurden Bio-Eier, Geflügelwurst und Feinkostsalate, in denen Eier verarbeitet sind, zurückgezogen. Lieferanten, die nicht umgehend Unbedenklichkeitserklärungen vorweisen, wurden rechtliche Schritte angedroht. Karstadt führt rund 500 Bio-Artikel und macht mit ihnen einen Jahresumsatz von nahezu sechs Millionen Euro, das sind kaum ein Prozent des gesamten Lebensmittelumsatzes. Fünf Prozent der verkauften Eier sind Bio-Eier.

Der Ökoerzeugerverband «Naturland» erwartet durch den Skandal um herbizidverseuchtes Tierfutter einen «enormen Schaden» für sich und die ganze Ökobranche. Besonders das Image von Ökoprodukten leide gewaltig, sagte eine «Naturland»-Sprecherin. Bislang seien die Folgen aber noch nicht abzuschätzen, da zunächst genau geklärt werden müsse, wie das verbotene Pflanzenschutzmittel Nitrofen in das Tierfutter gelangt sei.

Der Lebensmittelhandel rechnet mit Umsatzeinbußen bis Jahresende, die sich aber noch nicht beziffern ließen. So habe der BSE-Skandal vor einem Jahr zu einem Rückgang beim Fleischverkauf um 70 Prozent geführt, doch sei dies teilweise durch Mehrverkauf von Fisch und Milchprodukten wie Käse kompensiert worden, sagte Gerd Härig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels in Bonn, dieser Zeitung. Der Imageschaden für Bioprodukte werde mehr als ein halbes Jahr anhalten. Der Verkauf von Bio-Lebensmitteln sei im vergangenen Jahr gerade wegen BSE um 50 Prozent gestiegen, mache aber erst rund drei Prozent des Lebensmittelumsatzes aus.

Auch Ökomilch und Ökofleisch seien betroffen, hieß es unterdessen aus dem Landwirtschaftsministerium in Hannover. Das belastete Futter sei auch an Kuh- und Schweinemastbetriebe gegangen.