Berlin - Wenige Tage vor der Einführung des neuen Preissystems bei der Deutschen Bahn (DB) ist erneut heftige Kritik an den veränderten Tarifen laut geworden. Der Fahrgastverband «Pro Bahn» forderte deutliche Nachbesserungen und übergab mehr als 10 000 Unterschriften für den Erhalt der bisherigen Bahncard an Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD). Kürzlich hatte auch die Stiftung Warentest den Bahnpreisen ein schlechtes Zeugnis ausgestellt.
«In Schulnoten ausgedrückt verdient das Preissystem allenfalls die Note vier plus, also etwas besser als ausreichend», sagte Pro-Bahn-Vizechef Joachim Kemnitz. Durch Nachbesserungen könne man die Benotung auf ein befriedigend «hochhieven». Mit dem neuen Tarifsystem führen «Millionen von Kunden» teurer als bisher.
Verlierer sind laut Pro Bahn die mehr als drei Millionen Besitzer der alten Bahncard, flexible Einzelreisende und Nahverkehrskunden außerhalb der Verkehrsverbünde. Zudem führe die Umwandlung der Interregios in Intercity-Züge zu Preiserhöhungen von bis zu 100 Prozent. «Die bisherigen Interregios erhalten einen neuen Namen und neuen Lack. Sonst ändert sich nichts», sagte Kemnitz. Sowohl Pendler als auch Gelegenheitsfahrer seien betroffen. Nachbesserungsbedarf gebe es auch bei Kunden zwischen 14 und 26 Jahren. Mit dem Aus für die Bahncard junior und dem Twen-Ticket fielen die letzten Angebote für diese Zielgruppe weg.
Die gesenkten Grundpreise auf längeren Strecken kämen hingegen nur relativ wenigen Kunden zugute. 800 Kilometer lange Fahrten wie von Hamburg nach München seien die Ausnahme, sagte Kemnitz. Die durchschnittliche Reiseweite im Fernverkehr liege bei 220 Kilometern. Die DB widersprach: Die Reiseweite betrage durchschnittlich 280 Kilometer.
Die Bahn will mit dem am kommenden Sonntag in Kraft tretenden Preissystem Frühbucher mit Preisnachlässen zwischen zehn und 40 Prozent belohnen. Rabatte werden auch für Gruppen und Familien gewährt. Hinzu kommen Ermäßigungen auf alle Preisnachlässe mit der neuen, verbilligten Bahncard, auf die aber nur noch 25 statt 50 Prozent Rabatt gewährt werden. Generell werden Grundpreise bei Fernfahrten ab 180 Kilometer laut Bahn um bis zu 25 Prozent billiger, auf kürzeren Fernfahrten dagegen um bis zu zehn Prozent teurer.
Die Bahn wies die Kritik von Pro Bahn zurück und verwies auf die positive Resonanz der neuen Tarife bei den Kunden. «Die Vorverkaufsergebnisse sind sehr ermutigend», sagte Anna Brunotte, Leiterin des Bahn-Preismanagements, der Morgenpost. Die Bahn habe bereits rund eine Million Reisen im neuen Preissystem an den Kunden gebracht und werde in dieser Woche aller Voraussicht nach die 100 000. neue Bahncard verkaufen. Wer jetzt noch für über Weihnachten einen der Plan&Spar-Tarife ergattern wolle, habe gute Chancen: 80 Prozent der Züge hätten noch Kapazitäten frei. Ob die neuen Preise schlecht oder falsch sind, soll nach Angaben der Bahn nun ein einjähriger Praxistest zeigen.