EZB senkt die Zinsen

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Angesichts der trüben Konjunkturaussichten hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen im Euro-Raum deutlich um einen halben Prozentpunkt gesenkt. Der entscheidende Leitzins liegt nun bei 2,75 Prozent. In der Wirtschaft fand der Schritt ein geteiltes Echo.

Frankfurt/M. - Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die Leitzinsen für die Eurozone kräftig gesenkt. Der für die Refinanzierung der Geschäftsbanken maßgebliche Mindestbietungssatz sank um einen halben Prozentpunkt auf 2,75 Prozent. Niedriger lagen die Leitzinsen in der Euro-Zone seit dem Start der EZB vor knapp fünf Jahren nur noch im April 2000. Damals mussten die Geschäftsbanken 2,5 Prozent zahlen.

Zuletzt hatte die EZB ihre Zinsen im November 2001 um 50 Basispunkte gesenkt. «Seit unserem letzten Treffen im November haben die Argumente für einen Zinsschritt zugenommen», kommentierte EZB-Präsident Wim Duisenberg die Entscheidung.

Es gebe zunehmend Hinweise darauf, dass der Inflationsdruck angesichts des schwachen Wirtschaftswachstums weiter nachlasse, während gleichzeitig die Abwärtsrisiken für die Konjunktur weiter Bestand hätten. «Die Unsicherheit ist größer als je zuvor», sagte er. Dies belaste das Vertrauen und habe negative Auswirkungen auf den Konsum, die Investitionen und die Arbeitsmärkte in der Euro-Zone. «Wir haben im Rat nicht darüber diskutiert, ob wir die Zinsen senken sollen, sondern nur noch, wie groß der Zinsschritt ausfallen soll», sagte der EZB-Präsident. Die Finanzmärkte reagierten zunächst positiv auf die Entscheidung, die von den Ökonomen mehrheitlich so erwartet worden war. An den Börsen legten die Kurse zeitweise zu, an den Devisenmärkten stieg der Euro zunächst wieder über die Dollar-Parität. Der Dax drehte dann aber wieder ins Minus.

Volkswirte verschiedener Banken lobten den Schritt als wichtigen Beitrag, um das Vertrauen in die Zukunft zu stärken. Überraschend sei nur, dass die EZB kein klares Ende des Zinssenkungszyklus angekündigt habe, meinte Silvia Pepino von JP Morgan.

Bundeskanzler Gerhard Schröder zeigte sich erleichtert über die Maßnahme: «Ich bin froh darüber, dass die EZB die Leitzinsen gesenkt hat.» Das sei ein wichtiges Signal, das nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa zur Belebung der Konjunktur beitragen sollte. In der Wirtschaft fiel das Echo geteilt aus. Während der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) die Entscheidung begrüßte, kritisierte sie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) als «wirkungslosen Placebo».

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband erklärte, die Geldpolitik sei auch schon vor der Zinssenkung nicht der Engpass für ein Anziehen des Wirtschaftswachstums gewesen. Vielmehr nehme die Entscheidung der EZB die Politik umso stärker in die Pflicht, «die Haushaltskonsolidierung über Ausgabenkürzungen und nachhaltige Strukturreformen nunmehr entschlossen anzugehen».

Der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands begrüßte die Zinssenkung, warnte aber ebenfalls vor überzogenen Hoffnungen an eine konjunkturelle Erholung. Zwar werde nun Ruhe in die Märkte einkehren. Doch seien allein von der Zinssenkung keine konjunkturellen Impulse zu erwarten.

Über den Zinsschritt hinaus traf der EZB-Rat gestern weitere wichtige Entscheidungen. So kündigte Duisenberg an, dass die EZB im ersten Halbjahr 2003 noch einmal ausgiebig über ihre Strategie beraten wird. Zudem gab Duisenberg mit Blick auf die anstehende EU-Erweiterung bekannt, dass sich der EZB-Rat über eine Reform seiner Abstimmungsmodalitäten geeinigt hat. Diese wird notwendig, wenn künftig weitere Notenbanken in den EZB-Rat aufgenommen werden. as