Preissystem mit Schwachstellen

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Berlin - Von der Stiftung Warentest bekommt das neue Preissystem der Deutschen Bahn nur ein «Ausreichend in Richtung Befriedigend». Für eine bessere Note des «im Prinzip» richtigen Systems müsse an entscheidenden Stellen nachgebessert werden, forderte Bereichsleiter Hubertus Primus.

Die Mängelliste der Tester ist lang. So sind zum Beispiel Familien entgegen der Bahnwerbung längst nicht immer die großen Gewinner der Tarifreform: Sind die Kinder älter als 14 Jahre, steigen die Preise gegenüber dem alten ICE-Familiensparpreise, der Kinder bis 17 Jahre einbezog, generell an. Ist kein Plan & Spar-Angebot verfügbar, nehmen die Kosten für die Fahrt mit zwei Kindern gegenüber dem bisherigen Sparpreis sogar bis auf 171 Prozent zu.

Auch gab es bisher eine Familienbahncard mit 50 Prozent Rabatt für alle Kinder, für die Kindergeld gezahlt wurde, bis zum 27. Lebensjahr. Jetzt ist über die Eltern nur noch bis zum 17. Lebensjahr eine eigene Bahncard erhältlich.

Weiterer Kritikpunkt: Für billiges Bahnfahren muss der Sonderpreis Plan & Spar 40 verfügbar sein. Dazu müssen Hin- und Rückfahrt verbindlich sieben Tage vorher gebucht werden, und eine Nacht von Sonnabend zu Sonntag muss dazwischen liegen. Dafür gibt es aber nur begrenzte Kontingente. Gerade auf attraktiven Strecken wird dieses von der Bahn auf mindestens zehn Prozent der Plätze bezifferte Kontingent oft ausverkauft sein, kritisieren die Tester. Wird ein gebuchter Zug verpasst, muss nicht nur die Differenz zum teureren Normalpreis bezahlt werden, sondern auch eine Umtauschgebühr von 45 Euro je Fahrtrichtung.

Auf der Schattenseite des neuen Tarifsystems stehen Alleinerziehende mit einem Kind unter sechs Jahre. Im Nahbereich bis 180 Kilometer, wo Plan & Spar-Tarife selten nutzbar sind, verteuern sich die Tickets drastisch - im Schnitt um fast 50 Prozent. Selbst bei Nutzung der Spartarife gibt es kleine Einsparungen meist erst bei Langstrecken ab 450 Kilometern. Ähnlich geht es alleinreisenden Erwachsenen beim neuen Tarifsystem.

Die Halbierung des Bahncard-Rabatts trifft am stärksten gelegentliche Pendler, für die sich Streckenzeitkarten nicht lohnen. Zudem gelten im Regionalexpress Plan & Spar-Sonderpreise nicht, wenn sich nicht irgendwo bei der Reise ein ICE, EC oder IC einreiht.

Mit einem Trick, so die Warentester, sorgt die Bahn für eine weit stärkere Preiserhöhung als die angegebenen zehn Prozent zum alten Grundpreis: Preiswerte blau-weiße Interregio-Züge (IR) werden umgespritzt und rollen als rot-weiße IC-Züge wieder auf die Gleise - auf den selben Strecken zu weit höheren Preisen. Für Bahncard-Kunden können sich die Preise damit um bis 102 Prozent erhöhen.

Zudem blühe der Tarifdschungel weiter: Wird der Bahncomputer zum Beispiel nach Fernverbindungen zwischen Hamburg und Erfurt befragt, spucke er zehn verschiedene Preise zwischen 54 und 80,80 Euro aus. Angekündigt waren für Fernstrecken lediglich drei Preise. Positiv an der Tarifreform bewerteten die Warentester, dass Kleingruppen besonders profitieren. Für sie können sich Rabatte richtig kumulieren, da jeder Mitfahrer 50 Prozent Rabatt erhält. Dazu kommen 25 Prozent Bahncard-Ermäßigung und - soweit verfügbar - Plan & Spar-Sonderpreise. Auf mittleren und langen Strecken können Kleingruppen so zwischen 21 und 40 Prozent billiger reisen als mit den bisherigen Spartarifen.

Bahnchef Hartmut Mehdorn nannte die Untersuchung der Warentester nicht repräsentativ. «Das insgesamt negative Urteil der Stiftung basiert auf Einzelbeispielen, die bewusst gewählt wurden, um ein verzerrtes Bild zu zeichnen», erklärte der Bahnchef. Es sei erstaunlich, dass eine Institution, die auch vom Steuerzahler finanziert werde, von einem Wirtschaftsunternehmen verlange, Kinder bis 17 Jahre umsonst fahren zu lassen. Völlig absurd sei auch der Vorwurf des «Tarifdschungels». ddp/AP