Berlin - Der weltgrößte Lebensmittelkonzern Nestlé (Vevey/Schweiz) wird die Produktion in seinem Werk in Berlin-Tempelhof einstellen. Die Belegschaft wurde am Dienstag von der Geschäftsleitung darüber informiert, dass bis Ende kommenden Jahres das Aus droht. Das Werk sei nicht mehr rentabel. Ein Sozialplan soll gemeinsam mit dem Betriebsrat ausgearbeitet werden, hieß es nach Angaben von Teilnehmern der Betriebsversammlung.
Betroffen von den Maßnahmen seien alle Beschäftigten. Nach Angaben von Hans Wagner, dem 2. Vorsitzenden des Betriebsrats der Nestlé Deutschland AG Chocoladen Werk Berlin, sind das zurzeit noch 467 Mitarbeiter und 30 Auszubildende. Die Nestlé Deutschland AG begründete die Werksschließung am Dienstagabend mit anhaltendem Absatzrückgang. Dieser Negativtrend habe nicht gestoppt werden können.
Die Belegschaft sei «kalt erwischt» worden, sagte Wagner der Berliner Morgenpost. Nach drei Sozialplänen in dem ehemaligen Sarotti-Werk seit 1997, bei denen mehr als 300 Arbeitsplätze gestrichen worden waren, hatten die Mitarbeiter in der Teilestraße auf bessere Zeiten gehofft. Gerade in jüngster Zeit gab es wegen des Weihnachtsgeschäfts wieder Schichtarbeit im Werk. «Über das Jahr 2002 verteilt aber auch Kurzarbeit», sagte Betriebsrat Wagner, der selbst schon 23 Jahre bei Nestlé in Berlin arbeitet.
Vor der Wende waren im traditionsreichen Tempelhofer Werk einmal gut 3000 Leute beschäftigt. An dem Standort werden seit den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts Schokolade und Schokoladenartikel hergestellt. Tempelhof war zu dieser Zeit die größte Schokoladenfabrik der Welt. Nestlé stieg im Jahr 1929 in das Unternehmen Sarotti ein und erwarb das Werk in den 60er-Jahren vollständig. Seither wurde die Zahl der Beschäftigten ständig reduziert.
Nach dem Verkauf der Marke «Sarotti» an Stollwerk in Mariendorf wird bei Nestlé in Berlin keine Schokolade mehr hergestellt. Die Produktion umfasst heute unter anderem After Eight, Choco Crossies, Nesquick-Snacks, Choclate Chips, Yes und die Pralinen 7-Länder-Spezialitäten. «Doch die Kunden im In- und Ausland kaufen heute einfach zu wenig Süßigkeiten und Snacks», begründet Wagner die Schließungspläne.
Nach Angaben der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sei in den vergangenen Jahren auch investiert worden, um weitere Produktionen nach Berlin zu holen. Diese Anstrengungen hätten jedoch nicht dazu geführt, die Beschäftigung zu sichern. Für die «Fehler im Management» müssten nun die Beschäftigten mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes zahlen. Betriebsrat und Gewerkschaft kündigten am Dienstag Maßnahmen an, um den Standort zu retten.