Staatspapiere locken Anleger

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Beatrix Wirth

Berlin - Die bevorstehende Bundestagswahl und die Finanzmärkte haben eines gemeinsam: Sie stürzen viele Deutsche in Ratlosigkeit. Nichts, was zur Auswahl angeboten wird, erscheint ihnen wirklich attraktiv. Bei den Anlegern fällt das Votum dabei eindeutig zugunsten der Staatspapiere aus. «Am Rentenmarkt lässt sich zwar nicht viel verdienen. Aber das wenige hat man - anders als am Aktienmarkt - wenigstens sicher», beschreibt Anleihenexperte Guido Zimmermann von der Deka Bank die vorherrschende Haltung der Investoren.

Unter dem Eindruck eines möglichen Irak-Krieges und konjunktureller Unwägbarkeiten sind insbesondere die Papiere von Ländern mit bester Bonitätseinschätzung gefragt. So kletterte zum Wochenstart der Kurs der zehnjährigen Bundesanleihen um 20 Basispunkte auf 104,08 Punkte, spiegelbildlich fiel die Rendite auf ein Zehn-Monats-Tief von 4,38 Prozent. In den USA rentieren die zehnjährigen Treasuries mit 3,93 Prozent sogar auf dem niedrigsten Stand seit 40 Jahren. Dies erscheint nach Abzug der Inflationsrate mickrig: Real werfen die US-Langläufer derzeit gerade einmal 2,4 Prozent ab, die deutschen Pendants 3,5 Prozent.

«Dennoch gehe ich davon aus, dass die gute Nachfrage am Bondsmarkt anhält», sagt Zimmermann und trifft damit die Meinung der meisten Experten. Selbst Peter Müller von Commerzbank Securities, der den Rentenmarkt schon für weitgehend ausgereizt hält, erwartet ein Auslaufen der Rallye erst zum Jahresende. Die Leidenschaft der Investoren für Staatspapiere heizte am vergangenen Freitag Stephen Roach von Morgan Stanley mit einem dramatischen Konjunkturszenario an. «Ich fürchte, wir werden nicht nur einen Double-Dip, sondern sogar Multiple Dips erleben», warnte der einflussreiche Chefökonom vor einem Rückfall der USA in eine andauernde Rezessionsphase. Nach dem Aktienmarkt könnte bald auch der überhitzte US-Immobilienmarkt zusammenbrechen, die Konsumausgaben würden folgen. «Diese Risiken haben die Finanzmärkte noch nicht eingepreist», betont Roach.

Nach Ansicht der meisten deutschen Experten ist die Lage noch nicht ganz so heikel, wie sie der als Pessimist bekannte Roach beschreibt. Viele Szenarien sind aber allenfalls um Nuancen positiver. «Wir gehen davon aus, dass die US-Wirtschaft im nächsten Jahr noch nicht in die Gänge kommt. Es ist gut möglich, dass wir sogar mehrere Jahre der Stagnation erleben werden», sagt etwa Gregor Beckmann, Rentenstratege bei HSBC Trinkaus & Burkhardt. Als größtes Risiko wertet er einen möglichen längeren Irak-Krieg. Auch für Commerzbank-Fachmann Müller wäre dieser Fall Anlass, seine verhalten positiven Konjunkturerwartungen neu zu überdenken. Müller: «Ohne Frage stehen wir auf Messers Schneide, der Boden ist so wackelig wie seit langem nicht mehr.»

Die Anlageprofis haben sich entsprechend positioniert. Ein Beispiel ist der Mischfonds Hansa D&P, der aktuell 40 Prozent des Kapitals in sichere Anleihen investiert hat. «Meine Favoriten sind die Triple-A-Papiere bester Bonität, denn nur bei ihnen gibt es null Risiko», sagt Günter Dahl. Bei den Renten-Analysten stehen grundsätzlich Anleihen aus Euroland ganz oben auf der Empfehlungsliste, da bei ihnen das Währungsrisiko entfällt. Während der optimistischere Commerzbank-Stratege Müller Papiere aus Euroland mit Rendite-Pickup zu Bundesanleihen empfiehlt, rät der skeptischere HSBC-Experte Beckmann zu den qualitativ besonders hochwertigen Bundespapieren und dabei zu längeren Laufzeiten.