«Unsere Kräfte bündeln»

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Wolfgang Fürniß

Soweit ist es in der Hauptstadt also schon gekommen: Bei der Debatte um den Wirtschaftsstandort Berlin ist Entertainment zum Kriterium geworden. BDI-Vizepräsident Hans-Olaf Henkel hat dem Ex-Wirtschaftssenator Gregor Gysi immerhin einen «gewissen Unterhaltungswert» zugestanden und dem Wirtschaftsstandort kein gutes Zeugnis ausgestellt. Henkel stützt damit die Einschätzung von DIW-Chef Klaus Zimmermann, der für die ökonomische Entwicklung in Berlin ein düsteres Bild zeichnet.

Berlin und Brandenburg werden von Investoren schon längst als eine gemeinsame Wirtschaftsregion wahrgenommen. Brandenburg kann es nicht gleichgültig sein, wie sich Berlin wirtschaftspolitisch aufstellt. Die aktuelle Diskussion darf deshalb nicht an der Berliner Stadtgrenze Halt machen. Eine Nabelschau dürfen wir uns nicht leisten - zumal sich Berlin zu lange mit sich selbst beschäftigt hat.

Manchmal bedarf es provokativer Zuspitzungen, mit denen Zimmermann die Debatte ausgelöst hat, um den Kern eines Problems sichtbar zu machen. Seine Forderung ist richtig: den wirtschaftlichen Status quo ohne Tabus zu analysieren und die Wirtschaftsförderung samt ihrer Instrumente zu überprüfen. Gemeinsam müssen wir in Berlin und Brandenburg den Mut zur Wahrheit haben. Dazu gehört zu sehen, dass trotz aller Anstrengungen der wirtschaftliche Aufholprozess noch lange dauern wird.

Bei aller verständlichen Ungeduld dürfen Chancen und Stärken aber nicht mit zuviel Pessimismus klein geredet werden: Denn Berlin mit seiner geostrategisch guten Lage im Herzen Europas und mit seinen Talenten und Fachkräften auf allen Ebenen kann sich im Standortwettbewerb der Regionen gegenüber anderen europäischen Metropolen durchaus behaupten, zumal sich hinter der Stadtgrenze eben nicht das «flache Land», wie Zimmermann sagt, sondern eine attraktive Wirtschaftsregion anschließt. Mehr noch. Brandenburg nützt Berlin. Allein im Berlin nahen Raum schuf beziehungsweise sicherte - unterstützt durch die brandenburgische Landesregierung - die Wirtschaft bis heute annähernd 100 000 Arbeitsplätze.

Berlin und Brandenburg verfügen zudem über beachtliche Potenziale in den Zukunftsbranchen Biotechnologie und Medizintechnik, Luft- und Raumfahrt, schienen-gebundene Verkehrs- sowie Informations- und Kommunikationstechnologien. Und die deutsche Hauptstadtregion ist international auch attraktiv durch ihre Wissenschaftspotenziale, die es zu erhalten, zu profilieren und besser mit der Wirtschaft zu verzahnen gilt. Es geht um eine verstärkte Orientierung auf die internationalen Märkte. Intelligente Zukunftsvorsorge heißt, Zukunftspotenziale auszubauen. Werden die finanziellen Spielräume enger, müssen Fördermittel auf diese Bereiche konzentriert werden.

Zimmermanns Kritik verstehe ich als «Weckruf» an die Politik, jetzt die Weichen richtig zu stellen. Der Berliner Wirtschaftsstaatssekretär Volkmar Strauch hat Recht: In der Hauptstadt müssen die «Ärmel hochgekrempelt» werden. Die wirtschaftliche Lage in Berlin ist nicht gut. Sie ist in Deutschland insgesamt nicht gut - und so sieht es auch in Brandenburg in bestimmten Branchen nicht rosig aus. Umso wichtiger ist es, dass wir in Berlin und Brandenburg unsere Kräfte noch stärker zusammenführen als bisher.

Bündelung der Kräfte - das haben wir in den vergangenen zwei Jahre in Brandenburg schon getan. Mit vier Auslandsrepräsentanzen in Singapur, Dubai, Detroit und Moskau helfen wir kleinen und mittleren märkischen Unternehmen, auf internationalen Märkten Fuß zu fassen. Und wir haben in der Zukunftsagentur Brandenburg (ZAB) alle Wirtschaftsfördereinrichtungen des Landes zusammengefasst. Diese bundesweit beachtete One-Stop-Agency hat Brandenburg für Unternehmen zu einem Land der kurzen Wege gemacht.

Was sich in Brandenburg bewährt hat, würde sicher auch in Berlin gut funktionieren. Mein Angebot an Berlin: Schaffen wir jetzt eine länderübergreifende Wirtschaftsförder- und Ansiedelungsagentur. Denn nur gemeinsam kann der Standort Berlin-Brandenburg seine Potenziale ausschöpfen. Mit guten Inhalten darf Wirtschaftspolitik dann auch Unterhaltungswert haben.