Bilanzierte Preussag falsch?

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Frank Seidlitz

Foto: cu/rf

Hans-Joachim Selenz hat die Wirtschaftsprüfer der TUI AG (früher Preussag) bei der US-Börsenaufsicht angezeigt. Es geht um angebliche Bilanzmanipulationen beim Konzern, um die ehemalige Preussag-Tochter Salzgitter AG und um einen Streit zwischen Selenz und TUI-Chef Michael Frenzel. Ein Streit, der seit mindestens 1998 schwelt.

Hannover/Berlin - Ein Streit zwischen einem ehemaligen Preussag-Vorstandsmitglied und Konzernchef Michael Frenzel beschäftigt nun auch die US-Börsenaufsicht SEC. Hans-Joachim Selenz, einst Vorstand an der Seite Frenzels und Chef der Salzgitter AG, hat bei den Amerikanern die Deutschland-Tochter der weltweit tätigen US-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) angezeigt.

Selenz wirft den PwC-Prüfern Bilanzmanipulation beim Preussag-Jahresabschluss 1996/97 vor. Das Schreiben stammt vom 30. Juli 2002. Sollte die SEC die Anzeige gegen PwC annehmen, droht auch zum ersten Mal einem deutschen Unternehmen ein Verfahren der US-Börsenaufsicht. Die TUI, wie Preussag jetzt heißt, äußerte sich auf Anfrage nicht.

PwC dagegen reagierte energisch: «Die von einem ehemaligen Vorstandsmitglied der Preussag gegen PwC erneut erhobenen Vorwürfe über unsere Arbeit bei der Preussag entbehren jeder Grundlage», heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Die Vorwürfe seien seit vielen Jahren Teil einer konzerninternen Auseinandersetzung.

«Unsere Prüfungen, Bewertungen und Abschlusstestate waren ordnungsgemäß, einwandfrei und sind nicht zu beanstanden», schreiben die Wirtschaftsprüfer. Die zuständige Wirtschaftsprüferkammer hat im vorliegenden Fall nach Aussagen von PwC sogar darauf verzichtet, Vorgang und Vorwürfe weiter zu verfolgen.

Selenz wirft dem Vorstand für den Jahresbericht 1996/1997 bewusste Täuschung der Aktionäre vor. Das Führungsgremium habe unter Billigung des Aufsichtsrates durch den Verkauf von Substanzwerten wie Wohnungen hohe Verluste von Tochterfirmen ausgeglichen. Nur diese «Quersubventionierung» aus den Sonderverkäufen hätte unter dem Strich zu einer Dividendenausschüttung des Preussag-Konzerns geführt. Die wirkliche Lage des Unternehmens soll der Vorstand den Aktionären aber laut Selenz vorenthalten haben.

Die Wirtschaftsprüfer von der PwC-Vorgängergesellschaft C & L sollen diese angeblich rechtswidrigen Buchungen gebilligt haben. PwC dementierte einen solchen Rechtsbruch.

Selenz bezeichnet die «Quersubventionierung» mit einem Volumen von rund 2,5 Mrd. DM als Bilanzmanipulation. Die Erträge aus den Wohnungsverkäufen sowie Erträge im Firmenverbund aus der Auflösung von Rückstellungen und der Veräußerung anderer Vermögensgegenstände seien mit dem operativen Verlusten von Tochtergesellschaften verrechnet worden. Innerhalb der Preussag, schreibt Selenz, habe man augenzwinkernd vom «Umrubeln» gesprochen. Selenz forderte daraufhin am 7. Januar 1998 in einem Schreiben an Frenzel eine zweite Buchprüfung, die allerdings auch PwC vornahm. Eine unabhängige Buchprüfung habe nicht stattgefunden, erklärte Selenz.

Der Versuch, die SEC einzuschalten, ist nicht die erste Auseinandersetzung, die Selenz mit den PwC-Prüfern und seinem ehemaligen Chef Frenzel führt. In einem früheren Verfahren hatte Selenz Frenzel vorgeworfen, er habe den Vorstand der Preussag-Stahlsparte 1998 mit Millionensummen bestechen wollen, um die Zustimmung zum raschen Verkauf der Salzgitter AG ins Ausland zu erreichen. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren inzwischen eingestellt.

Selenz informierte damals Gerhard Schröder (SPD), zu jener Zeit noch Ministerpräsident in Niedersachsen, über den bevorstehenden Verkauf der Stahlsparte. Statt wie geplant an die österreichische Voest Alpine musste Frenzel unter dem Druck der Politik an das Land Niedersachsen verkaufen.

Vier Wochen später gewann Schröder die Landtagswahl. Selenz wurde in der Folgezeit von der SPD-Landesregierung als «Retter von Salzgitter» hofiert. Ein Jahr später lies ihn die Landesregierung fallen. Danach war er zeitweise Mitglied der FDP und der Schill-Partei.