«Wir sind der Eisbrecher»

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A. v. Gersdorff und Christian Gaertner

Trotz gegenteiliger Behauptungen der Deutschen Bahn AG werde die Connex Regiobahn, mit 19 Strecken in Deutschland größte private Eisenbahngesellschaft, weiterhin von der DB schikaniert, sagt Hans Leister, Deutschland-Chef der Connex-Regiobahn GmbH, im Interview.

Herr Leister, gerade hat der Wettbewerbsbeauftragte der Deutschen Bahn AG seinen ersten Bericht vorgelegt. Tenor: Es gibt keine Diskriminierung beim Zugang zum Schienennetz. Dann ist für Sie doch alles in Butter, oder?

Hans Leister: Stellen Sie sich vor, von den 18 Mannschaften der Fußball-Bundesliga würden 17 einem Club gehören, und jetzt will der mit dem Wettbewerbsbeauftragten auch noch die Schiedsrichter stellen. So ähnlich verhält es sich mit dem Wettbewerb der privaten Bahnen gegen die Deutsche Bahn.

Warum haben Sie den neuen Wettbewerbsbeauftragten dann nicht mit Beschwerden überhäuft?

Wir haben diese Institution nicht gefordert. Es mag ganz praktisch sein, einen zentralen Ansprechpartner bei der Deutschen Bahn zu haben. Aber Wettbewerb funktioniert erst, wenn die für das Schienennetz zuständige DB Netz AG uns als Kunden und nicht mehr als Eindringling betrachtet.

Wie verstehen Sie sich mit Bahnchef Hartmut Mehdorn?

Anfangs habe ich ihn für sein Temperament fast bewundert, er hat den Eisenbahnern selbstbewusstes Auftreten beigebracht. Aber ich musste feststellen, dass Mehdorns Bekenntnis zum Wettbewerb mit seinen Handlungen nicht übereinstimmt. Und darunter leidet der Marktanteil des gesamten Schienenverkehrs.

Im Zusammenhang mit der geplanten Rhein-Strecke hat Mehdorn Ihnen jüngst «Effekthascherei» vorgeworfen. Sie führten einen «Popanz» auf. . .

Die DB Netz hat uns auf der Strecke von Heidelberg nach Duisburg einen Fahrplan angeboten, bei dem unsere Züge rund zwei Stunden länger unterwegs gewesen wären als DB-Züge und in Köln mal linksrheinisch, mal rechts vom Rhein gehalten hätten. So ein Angebot ist unverkäuflich.

Die Bahn argumentiert, die Verhandlungen hätten doch erst begonnen, zudem hätten Sie gar nicht genug Fahrzeuge. Das habe ein Connex-Sprecher auch zugegeben.

Wir reden schon länger mit DB Netz über die Strecke und haben uns beim Fahrplan flexibel gezeigt. Was die Fahrzeuge angeht: Die stehen bereit, sie müssen nur noch aufgearbeitet werden. Das Geld nehmen wir aber nur in die Hand, wenn wir einen Auftrag haben.

Werden Sie in dieser Sache gegen die Bahn juristisch vorgehen?

Wir werden das auf jeden Fall prüfen. DB Netz müsste, so ist die gesetzliche Vorgabe, Bestellungen von Verkehrsunternehmen in ihren Fahrplan von vornherein einbauen und nicht erst, wenn alle DB-Wünsche berücksichtigt worden sind.

Mehdorn verlangt von den Bundesländern, Aufträge im Nahverkehr über zehn Jahre zu vergeben, um Planungssicherheit für Investitionen zu haben. Wollen auch Sie solche langfristigen Aufträge?

Es ist ein Dogma der Deutschen Bahn, die Fahrzeuge immer selbst besitzen zu müssen. Das ist gar nicht nötig. In den Niederlanden zum Beispiel hat die Staatsbahn den gesamten Fuhrpark in eine eigene Leasinggesellschaft ausgegliedert und bedient damit alle Verkehrsunternehmen.

Die Vergabekammer Magdeburg hat kürzlich entschieden, dass Sachsen-Anhalt den Nahverkehr neu ausschreiben muss. Was bedeutet diese Entscheidung für Sie?

Das ist für den Wettbewerb enorm wichtig. Ich gehe davon aus, dass ähnliche Entscheidungen in anderen Ländern folgen werden, demnächst in Nordrhein-Westfalen. Wir werden uns an den Ausschreibungen auf jeden Fall beteiligen.

Die Bahn hatte die Connex-Angebote kurzzeitig aus ihrer Auskunft genommen. Wie ist der aktuelle Stand in dem Konflikt?

Wir haben es Bundesverkehrsminister Bodewig zu verdanken, dass die DB diese Entscheidung rückgängig gemacht hat. Sollte die Bahn tatsächlich ab Dezember über keine privaten Bahnangebote mehr informieren, müssen wir uns mit den Verkehrspolitikern überlegen, wie wir ein betreiberunabhängiges Auskunftssystem gewährleisten wollen. Die Steuerzahler legen jedes Jahr 15 Milliarden Euro für das System Bahn auf den Tisch und haben dafür das Recht, über alle Bahnangebote informiert zu werden.

Connex ist kürzlich mit der Strecke Gera-Berlin-Rostock in den Fernverkehr eingestiegen. Was haben Sie noch vor?

Wir wollen von Rostock über Berlin nach Köln fahren, da sind die Aussichten für einen vernünftigen Fahrplan ganz gut. Für die Strecke von Mönchengladbach über Hannover nach Berlin haben wir noch keinen befriedigenden Fahrplan. Zudem haben wir noch mehrere Vorhaben in Norddeutschland. Geplanter Startzeitpunkt ist der 15. Dezember, aber die Zeit läuft uns langsam davon. Wahrscheinlicher ist ein Start zum 1. März.

Auf der Kurzstrecke von Leipzig-Hauptbahnhof zum Leipziger Flughafen ist Ihnen die Bahn jüngst davongefahren. War Ihr Angebot für die Strecke diesmal etwa doch nicht gut genug?

Nein, die Deutsche Bahn hat ein Angebot vorgelegt, mit dem wir bei wirtschaftlicher Kalkulation gar nicht mithalten können. Die DB Regio verzichtet auf dieser defizitären Kurzstrecke auf jeden öffentlichen Zuschuss. Das ist Dumping pur. Wenn jemand quasi etwas verschenkt, nur um Wettbewerb nicht zuzulassen, dann müssten eigentlich die Kartellbehörden einschreiten.

Ist es nicht umgekehrt genauso unfair, dass Connex als Tochter des französischen Konzerns Vivendi Environnement auf deutschen Strecken fahren darf, dies der Deutschen Bahn aber in Frankreich verwehrt ist?

Wir sind absolut nicht glücklich mit der französischen Politik, aber man kann uns als Privatunternehmen dafür auch nicht verantwortlich machen. Allerdings ist Frankreich bei der Liberalisierung des Öffentlichen Personennahverkehrs mit Straßenbahnen und Bussen deutlich weiter als Deutschland. Der öffentliche Nahverkehr wird regelmäßig ausgeschrieben, und es gibt heftigen Wettbewerb. In Deutschland ist Connex der Eisbrecher des Wettbewerbs auf der Schiene. Wir räumen Meter für Meter die dicken Eisbrocken aus dem Weg.