Das Geschäft mit dem Wegezoll blüht

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Klaus Schachinger

Autobahn-Maut kennen Urlauber zur Genüge aus Italien oder Frankreich. Ab Juli 2003 wird auch in Deutschland zur Kasse gebeten, allerdings nur bei Lastkraftwagen. Die Aktien der Abkassierer sind dabei vor allem in schwachen Börsenzeiten gefragt.

München - Brummis haben sonntags Pause, ihr Schicksal wird dennoch besiegelt. Heute wird der milliardenschwere Vertrag über den Bau eines satellitengestützten Mautsystems für die Autobahnnutzung durch Lastwagen unterzeichnet. Auftraggeber: die Bundesregierung. Auftragnehmer: Toll Collect, ein Konsortium aus Deutsche Telekom, Daimler-Chrysler und der französischen Autobahnbetreibergesellschaft Cofiroute. Starten soll die Mauterfassung im Juli 2003.

Für die Telekom und Daimler-Chrysler ein lukratives Geschäft: 1,5 Mio. Trucks aus dem In- und Ausland fahren im Schnitt pro Jahr 27 Milliarden Kilometer auf deutschen Autobahnen. Für die Kasse von Toll Collect bedeutet das 3,4 Mrd. Euro. Davon bleiben den beiden deutschen Konzernen nach Schätzungen von Experten jeweils zwischen 600 und 700 Mio. Euro.

Das Bequeme dabei: Für die Investitions- und Betriebskosten ist nur der Bund zuständig. Die Betreiber müssen nur die Anfangskosten, rund eine Mrd. Euro, vorstrecken. Kassieren darf Toll Collect dann zunächst bis 2015.

An der Einführung der Maut führt indes kein Weg vorbei. Zumindest, wenn es um den europäischen Schwerlastverkehr geht. Börsennotierte Mautfirmen wie Autoroutes du Sud, Autostrade in Italien, Acesa in Spanien und Brisa in Portugal gelten wegen sicherer Einnahmen und starker Dividenden als attraktives Investment. Urlauber haben sich ans Abkassieren von Zahlmeister Autostrade, der Nummer 1 der Branche in Europa, längst gewöhnt. Im ersten Quartal konnte das Unternehmen bei 507 Mio. Euro Umsatz den Gewinn gegenüber 2001 um 17 Prozent auf 77 Mio. Euro steigern - vor allem dank des regen Osterverkehrs und gesunkener Betriebskosten. Der Gewinn hätte sogar noch höher ausfallen können, gäbe es nicht einen dicken Bremsklotz, die Verlust bringende Mobilfunktochter Blu. Sie soll jedoch bald an Schwedens Telekom-Firma Tele2 verkauft werden.

Vorläufig ist bei Autostrade jedoch noch Kostendämpfung angesagt. Wichtigstes Instrument dazu ist die automatische Gebührenerfassung Telepass. Das System wird in mehr als 60 Prozent des Autobahnnetzes eingesetzt und findet auch im Ausland Anklang. Autostrade gewann im Mai die Ausschreibung für das Lkw-Mautsystem in Österreich. Wert des Zehn-Jahres-Vertrags: eine Mrd. Euro. Ein Grund für den Zuschlag vor Konkurrenten wie Siemens war, so glauben Experten, die Ähnlichkeit von Telepass mit dem Mautsystem, mit dem auch in der Schweiz Brummifahrer zur Kasse gebeten werden. Damit dürfte es für Neueinsteiger Toll Collect schwierig werden, sein System europaweit durchzusetzen.

Die Zukunftsaussichten der Branche sind jedenfalls verlockend: Während der nächsten fünf Jahre werden in Europa Projekte für mehr als 27 Mrd. Euro vergeben, schätzen die Investmentbanker von UBS Warburg. Dass ein einmal etabliertes Mautsystem auch dauerhaft Bestand hat, zeigt das Beispiel Frankreich. Als die Regierung in den 60er-Jahren Autobahngebühren einführte, sagte sie ihren Bürgern zu, die Straßen 30 Jahre später kostenfrei befahren zu dürfen.

Versprochen und vergessen. Vier Jahrzehnte später, im vergangenen März, feierte die ehemals staatliche Autoroutes du Sud (ASF) ihr Debüt an der Pariser Börse. Würde die Regierung ihr Versprechen zur gebührenfreien Autobahnnutzung einlösen, meinte Konzernchef Jacques Tavernie, müsste jeder französische Haushalt 230 Euro mehr Steuern im Jahr zahlen. Der Protest der Autofahrer hielt sich in Grenzen. Und der Börsengang von ASF wurde ein Erfolg.

Dennoch könnte das Papier auch ein plötzliches Bremsmanöver hinlegen, warnt Diana Lazzati, Managerin eines 900 Mio. Euro schweren Fonds bei Gestielle Asset Management in Mailand: «Sobald die Zinsen wieder anziehen, kann die Aktie ihre Attraktivität verlieren.» Begründung: die hohen Schulden von ASF. Zwar wurden sie mit dem Börsengang um zehn Prozent auf 7,5 Mrd. Euro reduziert, doch verschlingt der Schuldendienst laut Lazzati immer noch 46 Prozent des Umsatzes von knapp zwei Mrd. Euro. Ähnlich sieht es auch JP-Morgan-Analyst Andrew Lobbenberg. Er stuft die Aktie als «Marketperformer» ein. Mit einen 2002er-KGV von 30,0 sei das Papier im Branchenvergleich aktuell am höchsten bewertet.

Gelingt es ASF jedoch, den Schuldenberg schneller als erwartet abzutragen, dürfte das Papier auch für Privatanleger interessant werden. Denn die Beteiligung der Franzosen an 34 Prozent des französischen Autobahnnetzes erstreckt sich auf dicht besiedelte Gebiete im Süden des Landes. Und mit 17,5 Prozent jährlichem Gewinnwachstum bis 2006 liegen die Franzosen nach Einschätzung von JP Morgan auf Platz 1 der Branche, gefolgt von Autostrade mit 12,2 Prozent.

Auch in Spanien ist das Maut-Geschäft ein einträgliches Business, weshalb in der Branche zuletzt eine Übernahme der anderen folgte. Zuerst übernahm Aúrea die Ertrags-Perle Iberpistas und stach dabei den Konkurrenten Acesa aus. Der Rivale schlug zurück und übernahm seinerseits Aúrea. Die Genehmigung der Wettbewerbsbehörden vorausgesetzt, steigt die neue Acesa damit zur Nummer 3 in Europa auf. Aus Sicht der Analysten kommt der Schritt zur rechten Zeit. Denn jetzt ist Acesa groß genug, um bei der für Herbst geplanten Privatisierung der staatlichen Mautgesellschaft ENA, die rund 500 Autobahnkilometer im Norden der iberischen Halbinsel kontrolliert, mitzubieten und noch die portugiesische Mautgesellschaft Brisa zu kaufen. Mit einer Bruttomarge von 76 Prozent gehört diese zusammen mit Acesa zu den profitabelsten Firmen der Branche. EuramS

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