Comeback eines Klassikers

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Beatrix Wirth und Thomas Exner

Berlin - Noch vor zwei Jahren schien sie ein Auslaufprodukt zu sein: die Lebensversicherung. Angesichts der boomenden Aktienmärkte wollte sich kaum noch ein Anleger mit den vermeintlichen Micker-Renditen der Assekuranz-Angebote zufrieden geben. Doch inzwischen feiert das über Jahrzehnte beliebteste Vorsorge-Instrument ein Comeback.

Der Branchenführer Allianz Leben meldet für die ersten fünf Monate 2002 bereits ein Plus von weit mehr als 20 Prozent bei den Neuabschlüssen. Und auch beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) spricht man von einem «sehr guten Geschäft». Die genauen, branchenweiten Zahlen für das erste Halbjahr will man Mitte Juli vorlegen.

«Jetzt schlägt die Stunde der Lebensversicherungen», ist sich Eckhard Marten, Sprecher der Allianz Leben, sicher. Auch Manfred Poweleit, Herausgeber des Informationsdienstes Map-Report, sieht eine Trendwende im Verhalten der Anleger: «Die Lebensversicherung steht vor einem Comeback, und das, obwohl die Meldungen über sinkende Überschussbeteiligungen und abschmelzende stille Reserven die Kunden irritieren.»

Die Rentenreform zeigt Wirkung, wenngleich die Riester-Produkte kaum gefragt sind: Immer mehr Bundesbürger beginnen über die private Zukunftssicherung nachzudenken. Für viele spielt aber auch ein anderes Motiv eine wichtige Rolle: der katastrophale Niedergang der Aktienmärkte. «Sicherheit steht für die meisten Sparer wieder eindeutig im Vordergrund», sagt GDV-Sprecherin Gabriele Hoffmann.

Die neue Risikoaversion bekommen auch die Versicherer zu spüren. Denn nicht alle Lebensversicherungsprodukte profitieren gleichermaßen von der Rückbesinnung der Anleger. Die mit dem Börsenboom in den Fokus gerückten fondsgebundenen Policen, die verstärkt auf Aktien setzen, müssen sogar empfindliche Einbußen hinnehmen. Alle großen Anbieter räumen einen weiter rückläufigen Anteil dieser Offerten am Neugeschäft ein, nachdem bereits 2001 ein Minus zu verbuchen war.

Gefragt sind vor allem wieder die während der Börsenhausse ein wenig ins Abseits geratenen klassischen Lebens- und Rentenversicherungen. Und die sind in puncto Rendite oft besser als ihr Ruf. Selbst gegenüber den in den vergangenen Jahren vielgepriesenen Aktienfonds müssen sie sich nicht verstecken, wie ein Vergleich des Informationsdienstes Map-Report zeigt.

Zwar schnitten 62 Fondssparpläne im Zwölf-Jahres-Vergleich renditemäßig besser als die beste Lebensversicherung ab - doch 88 waren sogar schlechter als das schlechteste Assekuranz-Angebot. «Die Masse bewegt sich im gleichen Renditespektrum wie die Versicherungen, wenn man den Todesfallschutz der Lebenspolicen berücksichtigt», sagt Manfred Poweleit.

Dabei umfasst die vergleichende Untersuchung sogar die Börsenboom-Zeiten der ausklingenden Jahre. Zudem sei es für Anleger schwierig, bei den Fonds auf das richtige Pferd zu setzen, stellt der Anlageexperte fest: «Denn ausschlaggebend für die Performance ist nicht nur die Auswahl des Fonds, sondern der Investor muss sich vor allem auch für die richtigen Märkte entscheiden.»

Auch eine andere Rechnung macht deutlich, dass der Mythos niedriger Renditen bei Lebensversicherungen oft zu Unrecht gepflegt wird. Die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen von den Assekuranzen, die zu mindestens 90 Prozent an die Versicherten weitergegeben werden muss, betrug in den vergangenen 20 Jahren durchschnittlich gut 7,4 Prozent. Nach Abzug der Inflation blieb damit jährlich im Schnitt ein Ertrag von 5,3 Prozent.

Auf Sicht von 20 Jahren fuhr man damit ebenso gut wie mit risikoreicheren Rentenpapieren, im Zehn-Jahres-Vergleich sogar besser. Der Dax weist für die Zeit von 1971 bis 2001 zwar im Schnitt einen inflationsbereinigten jährlichen Wertzuwachs von 7,56 Prozent auf - unter hohen Schwankungen.

«Wer die Chancen des Aktienmarktes auf eigene Faust nutzen will, braucht eben nicht nur Know-how und ein glückliches Händchen, sondern auch gute Nerven», stellt Poweleit fest. «Die Deutschen sind aber ein Volk, das sich zu 90 Prozent eher für die Sicherheit der Lebensversicherung als für eine aktive Aktienanlage eignet.»