Berlin - Die Metall-Arbeitgeber in Berlin-Brandenburg werden im laufenden Arbeitskampf kein neues Angebot vorlegen. Verhandlungsführer Roland Fischer, Otis-Personalvorstand, hofft trotz des ausgeweiteten Streiks auf die Kompromissbereitschaft der IG Metall. Mit Fischer sprach Christian Gaertner.
Jetzt beginnt auch in Berlin und Brandenburg der Streik. Bringt Sie das um den Schlaf?
Roland Fischer: Ich werde wohl Schlafstörungen haben. Ich frage mich wirklich, wie die IG Metall in unserer Region einen Arbeitskampf rechtfertigen kann. Ein Blick auf den Auftragseingang und die Umsatzentwicklung der Betriebe macht klar, dass wir weit von einem Aufschwung entfernt sind. Wir haben im alten West-Berliner Bereich eine mittelständisch geprägte Industrie, im Ost-Teil Berlins und in Brandenburg entwickelt sich nur mühsam ein Mittelstand. In beiden Bereichen haben wir rückläufige Produktivität.
In Baden-Württemberg haben sich allein bis Freitag 100 000 Metaller am Ausstand beteiligt. Haben die Arbeitgeber die Streikbereitschaft unterschätzt?
Das hat mit Unterschätzen nichts zu tun. Was die IG Metall macht, ist ein Spiel mit dem Feuer. Seit Monaten wurde über Nachschlagsbedarf gesprochen, wurden das Bündnis für Arbeit totgeredet und die Empfehlungen der Sachverständigen abgetan oder uminterpretiert. Dazu wurde sozialer Neid provoziert, indem die Gehälter von einigen wenigen Vorständen hervorgehoben wurden. Wenn man das alles lange genug den Leuten einredet, dann glauben die es irgendwann. Abgesehen davon: Wer sich die Teilnahme an den Urabstimmungen und den Organisationsgrad der Metaller anschaut, weiß, dass letztlich nur ein Drittel der Gesamtbelegschaften aktiv tätig ist.
Wie wollen Sie sich wehren - mit Aussperrungen?
Nein. Viel hängt davon ab, welche Betriebe wie lange bestreikt werden. Wenn ein Unternehmen die Produktion nicht mehr aufrechterhalten kann, hat es im Sinne einer Schadensminderung sogar die Pflicht zu sagen: Es geht nicht mehr. Das muss aber mit Augenmaß entschieden werden.
Welche Auswirkungen befürchten Sie durch einen aus Ihrer Sicht zu hohen Tarifabschluss?
Jeder Prozentpunkt mehr Lohn kostet mindestens zwei Milliarden Euro zusätzlich, in Berlin-Brandenburg sind es bis zu 40 Millionen Euro. Wahrscheinlich müssen in der Region wegen des hohen Wettbewerbsdrucks bis Jahresende ohnehin 2500 Arbeitsplätze abgebaut werden. Bei einem Tarifabschluss von vier Prozent würden wohl weitere 1000 Stellen wegfallen, um die Kosten zu kompensieren.
Bundeswirtschaftsminister Werner Müller hat einen Tarifabschluss von vier Prozent aber als tolerabel bezeichnet.
Wenn ich mir die Herkunft von Herrn Müller anschaue, nehme ich ihm das nicht übel. Er kommt aus der Energiewirtschaft, einer Branche mit monopolähnlichen Strukturen. Die Metall- und Elektroindustrie ist aber mittelständisch geprägt. Wie sollen sich aus dem Wirtschaftswachstum des vergangenen und des laufenden Jahres vier Prozent rechtfertigen? Die Gewerkschafter sitzen in genug Aufsichtsräten, um zu wissen, dass die Metallindustrie alles andere als auf Rosen gebettet ist.
Vielleicht weiß die IG Metall aber durch ihre Präsenz in den Aufsichtsräten, dass bei den Betrieben mehr zu holen ist, als Sie zugestehen wollen.
Selbst das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das sicher auch aus Sicht der Gewerkschaften nicht als parteiisch gilt, hat klar gesagt: Ein Abschluss, wie ihn sich die IG Metall vorstellt, wäre zu hoch. Wir sind exportabhängig und auf die Liefer- und Zulieferbeziehungen zu unseren Nachbarn angewiesen. In all diesen Ländern wurde unter drei Prozent abgeschlossen. In der EU bewegen wir uns am Ende der Skala, wenn es um Produktivität und Wirtschaftswachstum geht, und sollen uns bei den Kosten an der Spitze des Geleitzuges bewegen. Das macht keinen Sinn.
Die IG Metall argumentiert, die Wirtschaft werde durch mehr Kaufkraft bei den Arbeitnehmern angekurbelt.
Wenn die Personalkosten zu stark steigen, sind die Unternehmen gezwungen, Arbeitsplätze abzubauen. Dann findet sich ein Teil derjenigen, die vom Tarifabschluss eigentlich profitieren sollten, in der Arbeitslosigkeit wieder. Das ist eine Tarifpolitik für Privilegierte.
Die niedrigen Tarifabschlüsse der Vergangenheit, so die Gewerkschaft, haben aber nicht wie versprochen zu vielen neuen Jobs geführt.
Das stimmt so nicht. Die Metall-Arbeitgeber haben seit dem Tarifabschluss vor zwei Jahren in der Region 2000 neue Arbeitsplätze geschaffen, bundesweit sogar 100 000. Moderne Tarifpolitik heißt für mich, dass man Mindestbedingungen festlegt mit Optionen, die unterschiedlichen Bedingungen gerecht werden. Wenn das nicht geschieht, dann hat der Flächentarifvertrag alter Art keine große Überlebenschance. Wir wollen ihn aber erhalten.
Werden die Arbeitgeber, wie von der Gewerkschaft gefordert, ein neues Angebot vorlegen?
Wir machen hier doch keine Sandkastenspiele. Es wäre nicht vertretbar, wenn man über das Angebot, das man sich vielleicht gerade noch leisten könnte, einfach hinausginge, nur weil gestreikt wurde.
Aber irgendwie muss der Konflikt ja gelöst werden. Setzen Sie auf einen Schlichter?
Wir wollen die Schlichtung. Es ist ein Gebot der Vernunft, den volkswirtschaftlichen Schaden nicht größer werden zu lassen. Man sollte auch darüber nachdenken, den Zeitpunkt der Schlichtung vorzuziehen.
Wie in der Bauwirtschaft? Eine Schlichtung, bevor es zum Streik kommt?
Ja. Alles, was dazu beiträgt, die Emotionen aus dem Konflikt zu nehmen, ist sinnvoll.
Rechnen Sie mit einem langen Streik?
Das ist wie ein Blick in die berühmte Glaskugel. Aber ich habe die Verhandlungspartner der Gegenseite früher als verantwortungsbewusste Menschen erlebt und kann mir deshalb nicht vorstellen, dass man an einer unrealistischen Forderung, die letztlich den eigenen Mitgliedern schadet, lange festhält. Ich hoffe auf die Vernunft.