Ebay lockt die Profis ins Netz

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Hans Evert

Foto: pl/rf/h

Ebay verändert die Welt. Das Online-Auktionshaus bewegt immer mehr Händler dazu, ihr Geschäft ins Internet zu verlegen. Ein Ebay-Bildungsprogramm liefert ihnen das Rüstzeug dazu. Bald sind sogar Kurse an deutschen Volkshochschulen geplant.

Potsdam - Die Welt von Ebay ist schön. Sie ist sanft, optimistisch, bunt und verspielt, so wie das Firmenlogo. Die Welt von Ebay schließt keinen aus. Denn die Firmen-Philosophie sagt: "Wir bauen eine neue Welt und eine Gemeinschaft im Internet. Jeder ist eingeladen, an dieser Welt mitzubauen." Das mag man für naives, seichtes Zeug halten. Aber Ebay ist mehr als ein globaler Flohmarkt und Online-Auktionshaus. Ebay ist für viele ein Glücksversprechen.

Das Versprechen besteht darin, mit Ebay erfolgreicher Unternehmer zu werden. Das Unternehmen hat eine Gründerwelle angestoßen. Es macht aus den angeblich so zaudernden Deutschen zuversichtliche Unternehmertypen. Es bringt etablierte Kaufleute dazu, ihr Geschäft komplett ins Internet zu verlegen. Das Rüstzeug für die Welt des freien Marktes im virtuellen Raum vermittelt das Unternehmen in eigenen Seminaren. Die Veranstaltungen der "Ebay University" dauern einen Sonnabend und kosten die Teilnehmer jeweils 30 bis 60 Euro. Die 300 Plätze sind stets ausgebucht. Selbst bei brütender Hitze, wie jüngst in Potsdam.

Ebay hat Referenten aufgeboten, die Anfängern das Bieten und Verkaufen beibringen. Für gestandene Ebay-Mitglieder referieren Rechtsanwälte über die Tücken von Online-Auktionen, Gewährleistung und Umsatzsteuer.

Und natürlich ist auch in Potsdam wieder Marion von Kuczkowski dabei. Die ist der Star der deutschen Ebay-Gemeinde, ein Beweis dafür, dass das Glücksversprechen einlösbar ist. Marion von Kuczkowski ist 38 Jahre alt, hat braunes Haar, trägt einen eleganten blauen Hosenanzug. Mit rauchiger Stimme spricht sie Berliner Dialekt ins Mikrofon, vor ihr etwa 100 Zuhörer im Hörsaal der juristischen Fakultät. Ihre Geschichte geht so: Marion von Kuczkowski besaß mal eine Boutique, Damenmode, in Berlin Reinickendorf. "Der Laden hat mich schon damals seit einiger Zeit gelangweilt", sagt sie. 1999 stieß sie dann auf Ebay. Ein halbes Jahr später macht sie ihre Boutique dicht. Blusen, Hosen und Röcke bietet sie heute ausschließlich über Ebay an, packt täglich bis zu 50 Pakete. Drei Leute helfen ihr dabei, die Artikel auf der Ebay-Seite zu platzieren, Fotos zu machen und die Ware zu verpacken.

Bei Ebay kann Marion von Kuczkowski Dinge tun, die in ihrer alten Boutique undenkbar gewesen wären. Zum Beispiel große Mengen an Restposten aufkaufen und innerhalb kürzester Zeit losschlagen. Sie hat erkannt, welche besonderen Chancen die Marke Ebay bietet. Es gibt eine riesige Zahl potenzieller Kunden. In Deutschland haben im Juni mehr als 14 Millionen Menschen die Seite besucht, weltweit sind 75 Millionen als Nutzer registriert. Ebay ist in der Wahrnehmung ein Schnäppchenparadies, im Internet eine Marke mit ähnlicher Strahlkraft wie Aldi. Und für Verkäufer ist Ebay ein gigantischer Markt, der jedem mit Internetanschluss zugänglich ist.

Marion von Kuczkowski hat in der jungen Ebay-Ökonomie eine neue Stufe erklommen. "Ich berate jetzt Interessenten bei der richtigen Ebay-Strategie." Ihre Erfahrungen aus der "alten" Boutiquen-Ökonomie helfen dabei. "Viele begreifen nicht, dass die Gestaltung eines Angebots auf Ebay ähnlichen Spielregeln folgt wie die eines Schaufensters. Man muss die Produkte klar strukturieren, keine Gemischtwarenläden." Interessenten schult sie für Ebay, gegen Provision übernimmt sie auch die komplette Vermarktung beim Auktionshaus.

Ihre Reputation hat die 38-Jährige durch ihre Bewertungen erworben. Nach Ende einer Auktion verteilt der Käufer für den Verkäufer eine Note. Die kann positiv, negativ oder neutral sein. Positiv wird bewertet, wenn die Ware schnell und unbeschädigt ankommt und die Qualität so ist wie versprochen. Marion von Kuczkowski hat in der Vergangenheit unter mehreren Nutzernamen gehandelt und jeweils mehr als 10 000 Bewertungspunkte bekommen.

Marion von Kuczkowski ist Powerseller. Das ist ein Gütesiegel in der Ebay-Welt. Der Titel wird über eine Art Tüv erworben: Anbieter müssen innerhalb von drei Monaten mindestens 3000 Euro umgesetzt haben und brauchen gute Bewertungen. Wer mindestens 100 Bewertungen hat, davon 98 positive, darf sich Powerseller nennen. Ein Powerseller ist als vertrauenswürdig ausgewiesen. Ein Powerseller kann höhere Preise durchsetzen. Ein Powerseller hat gute Chancen, in der Ebay-Volkswirtschaft zu reüssieren.

So wie Alex Schaffer, ein kräftiger 31-jähriger Mann mit Bürstenhaarschnitt und sanfter Stimme, Möbelrestaurator aus Halle. Dort hat er einen Laden, verkauft aufgearbeitete Kommoden, Stühle, Sekretäre und Uhren. Antike Liebhaberstücke, nicht gerade billig. Im Gegensatz zu Marion von Kuczkowski hat er seinen Laden nicht aufgegeben, obwohl er Ebay seit 1998 für den Vertrieb nutzt und sein Umsatz dadurch rasant gewachsen ist. In der Zeit vor Ebay hat er vielleicht zwei Kommoden im Monat verkauft. "Jetzt sind es bis zu 20", sagt Schaffer. Insgesamt verkauft er bis zu 80 Artikel pro Monat. Der Jahresumsatz liegt im sechsstelligen Bereich. Aus Schaffers Kleingewerbe ist ein globales Geschäft geworden. Mit neuen Anforderungen: Jetzt muss er sich auch darum kümmern, dass die hochwertigen Möbel von Speditionen transportiert werden. Wenn es sein muss, bis in die USA.

Die Geschichten von Leuten wie Alex Schaffer und Marion von Kuczkowski sind für die Zuhörer in Potsdam die Bestätigung, dass es klappen kann. Sebastian Kost, 20-jähriger Schüler und bald Student, will es auch probieren. Kaufmännische Erfahrung hat er bei Ebay schon gesammelt, mit Videos, Comics und Star-Wars-Devotionalien gehandelt. Jetzt steht er an der Schwelle, an der es betriebswirtschaftlich ernst wird. Ein Netz an Geschäftsbeziehungen hat er schon aufgebaut. "Ich kaufe aus den USA Computerspiele, die hier noch nicht auf dem Markt sind", erzählt er. Als Student will er bei Ebay seinen Lebensunterhalt verdienen.

Mit der Ebay University wendet sich das Unternehmen an die Basis. Privatleute oder Kleinunternehmer sollen die Chancen für ihr Geschäft erkennen und viel bei Ebay handeln. Schließlich lebt die Firma von den Provisionen, die sie von Verkäufern kassiert. Aber längst ist es nicht nur die ambitionierte Ich-AG, die per Ebay Kunden und Umsatz gewinnt. In den USA etwa nutzt der Computerriese Dell das Auktionshaus, um Rechner zu verkaufen. Auch große Unternehmen in Deutschland haben die Plattform entdeckt. "Die proben über uns einen neuen Vertriebsweg", sagt Philip Justus, Chef von Ebay Deutschland. Namen will er nicht nennen. Lieber betont er, dass mehr als 90 Prozent der Nutzer Privatleute oder Kleinunternehmer sind. Das ist wichtig für den Ruf. Ebay soll weiter als eine große Gemeinschaft gleichberechtigter Nutzer gelten.

Trotzdem arbeitet Ebay in Deutschland daran, große Anbieter für sich zu gewinnen. Das Unternehmen geht auf professionelle Händler zu, präsentiert sich auf der Spielwarenmesse in Nürnberg, der Cebit in Hannover und gibt in Seminaren für die Industrie- und Handelskammern Anstöße für Geschäftsideen im Internet.

Die Strategie ist zweigleisig. Zum einen wird daran gearbeitet, die Bedeutung als Vertriebsform für Profis zu erhöhen. Ein Indiz dafür sind die so genannten Festpreisoptionen. Etwa 27 Prozent aller Artikel bei Ebay können derzeit ohne Auktion zum festen Preis gekauft werden. Zum zweiten wird auf eine weitere Vergrößerung der Ebay-Gemeinde an der Basis gesetzt. Handeln und Steigern im Internet soll bis Ende 2003 endgültig Volkssport werden. Wie man was macht bei Ebay soll dann an der Volkshochschule gelehrt werden.

Auktions-Uni

Eigene Weiterbildung zum Handeln und Steigern bietet Ebay unter www.ebay.de/university/ an