Wer über die Schwelle des kleinen Ladenateliers tritt, steht in einem Raum voller Geschichten. Jedes Möbelstück, jedes Wandbild, das Elisa Brückner hier verkauft, ist ein Unikat. Auf dem Boden steht ein großer, antiker Spiegel, seinen Holzrahmen hat die Künstlerin mit gerissenen Japan- und Himalaya-Papieren beklebt, „Wintertagtraum“ heißt er und kostet 270 Euro. Davor liegt eine alte Kiste, die die Künstlerin nach der Herkunft der Kiste „Pariser Zimmer“ genannt hat (165 Euro). Sie hat die Holzoberfläche mit einer Collage aus Papier gestaltet, einen Vogel darauf gemalt und alles mit Klarlack überzogen. Die 30-Jährige will keine Dinge zum Herumstehen und Anschauen machen, sondern sie sollen benutzt werden. „Ich will etwas Kunst in den Alltag der Menschen bringen“, erklärt sie.
Wandschränkchen, Küchenanrichte, Stühle, Schaukelpferd – zu jedem Stück hat sie sich Gedanken gemacht, sie künstlerisch umgesetzt und den Ergebnissen poetische Titel gegeben: „Der kleine Besucher“, „L’oiseau und das Werden der Dinge“ oder „Eine Möwe erzählt“. Die Gestaltung ist dezent, nie überbordend, genauso wie die Farben. Pastelltöne herrschen vor. Neben den Möbeln entwirft Elisa Brückner auch Wandschmuck. Es gibt klassische Bilder, aber sie gestaltet auch alte Berliner Fenster und Fliesen zu Bildern um. Eine besondere Spezialität von ihr sind Schubladen, deren Innenfläche sie bemalt und dann hochkant aufhängt, so dass ihre Seitenwände wie ein Rahmen wirken (ab 100 Euro). „Schubladen haben etwas Geheimnisvolles“, findet sie, denn was sie aufbewahren, würde sonst im Dunkeln liegen.
Ein Begleiter für den Sohn
Die Materialien bezieht sie überwiegend aus Antikscheunen in Brandenburg. Sie hat einen guten Blick für Fundstücke entwickelt, erkennt schnell die Zeit, aus der sie stammen. Die Geschichte der Möbelstücke erfährt sie allerdings meist nicht. Anders ist das, wenn Kunden ihre eigenen Möbel bringen, um sie künstlerisch aufarbeiten zu lassen. Denn auch diesen Service bietet Elisa Brückner an.
Ein Vater hat ihr zum Beispiel eine alte Holzkiste gebracht, die seinen kleinen Sohn im Leben begleiten soll. Die Künstlerin hat ihn nach seinen Lieblingsfarben und –motiven befragt, „und am Schluss hatte er das Gefühl, das Werk mitgestaltet zu haben“, erzählt sie. Und gerade bearbeitet sie die Möbel einer alten Dame, die in ein Seniorenheim gezogen ist. „Die Möbel sind schwer und dunkel, ich versuche, sie ein wenig heller und leichter zu machen“, erklärt Elisa Brückner. Die alte Dame habe dann weiter ihre vertrauten Dinge um sich und zugleich ermögliche die Umgestaltung einen Neuanfang. Wer ein Möbelstück zu ihr bringt, muss je nach Aufwand und Auftragslage zwischen einer Woche und zwei Monaten Geduld mitbringen.
Vor drei Jahren hat Elisa Brückner ihr Label „Mabellevie“ gegründet. Zunächst hatte sie nur eine Werkstatt in Wedding, dann hat sie ein Ladenatelier gesucht. „Ich wollte unbedingt in Wedding bleiben“, sagt sie. Sie fühlt sich wohl hier und findet, dass der Bezirk viel Potenzial hat. Gefunden hat sie es in einem Altbau in der Togostraße, gleich hinter der Seestraße. Ihre Schwester betreibt nebenan eine Galerie, schräg gegenüber verkaufen Designerinnen Schmuck und Accessoires in der „Montagehalle“. Fünf Monate lang hat die Künstlerin das Ladengeschäft, das zuletzt als Lager genutzt wurde, nach ihren Vorstellungen hergerichtet. Sie hatte viel zu tun, „aber in der Renovierung spiegelte sich das, was ich mit den Möbeln mache“, erklärt sie. „Ich habe alles vom Staub befreit und das Schöne aus der Vergangenheit dabei aufgedeckt.“ Die bemalte Decke zum Beispiel oder den schönen Holzboden.
Hoffnung auf ein Kind
Im September hat sie „Mabellevie“ eröffnet und viel Zuspruch bekommen. Auch aus der Nachbarschaft. Eine Anwohnerin hat ihr sogar einen antiken Tisch geschenkt. Sie hatte keinen Platz mehr für ihn und dachte, bei Elisa Brückner sei er gut aufgehoben. Jetzt ist er blau und an einem Rand ist eine Frau darauf gemalt (420 Euro). „Der Ruf in die Ferne“ heißt er. Den Titel hatte die Künstlerin schon einmal einem Bild gegeben, und mit diesem Motiv ist für sie eine besondere Geschichte verknüpft.
Viele ihrer Bilder verkauft sie als Postkarten, so auch „Der Ruf in die Ferne“. Ein Mann hatte die Postkarte auf dem Trödelmarkt am 17. Juni gekauft. Zwei Jahre später stand er wieder vor ihr. Damals verkaufte sie auf einem abgelegenen Kunstmarkt auf dem Land und dort kaufte er dann das Bild. Das, was er ihr dabei erzählte, rührt sie noch heute: „Vor zwei Jahren haben wir uns ein Kind gewünscht, aber es klappte nicht. Die Postkarte ist für uns ein Hoffnungsträger geworden, und vor drei Wochen sind wir nun endlich Eltern geworden.“ Der Tisch erinnert Elisa Brückner immer an diese schöne Geschichte.
Mabellevie Togostraße 6, Wedding, Di.–Fr. 11–18.30 Uhr, Sbd. 11–15.30 Uhr, mabellevie.de