Drei von diesen neuen Kindern vom Bahnhof Zoo begleitet der Dokumentarfilm "Drifter". Aileen (16), Angel (23) und Daniel (25) sind jugendliche Junkies, leben auf der Straße, übernachten in Notunterkünften oder auch mal bei einem Stammfreier. Geld verdienen sie mit Gelegenheitsjobs wie Kloputzen und Prostitution. Ihre Sucht strukturiert monoton den Tag: Geld beschaffen, Drogen kaufen, konsumieren. Dann wieder von vorn, drei-, viermal am Tag. Dabei sieht man ihnen ihre prekäre Existenz nicht auf den ersten Blick an. Sie tragen Markenklamotten und legen penibel Wert auf ihr Äußeres. Nur ihre stumpfen Augen und ausdruckslosen Gesichter verraten etwas über ihren Missbrauch.
Monatelang hat der Nachwuchsregisseur Sebastian Heidinger für seinen Abschlussfilm an der DFFB Kontakt zu Drogensüchtigen aufgebaut, hat sich mit einem alten VW-Bus hinter den Bahnhof Zoo gestellt, um ins Gespräch zu kommen und Vertrauen und Akzeptanz zu schaffen. So ist ein unaufdringlicher, im besten Sinne distanzloser Dokumentarfilm geglückt, der ganz nah dran ist, ohne zu kommentieren oder ein Urteil über seine Protagonisten zu fällen. Er bietet weder Erklärungen für den Absturz noch versucht er, ihr Schicksal durch den Bezug auf den Mythos ihrer Vorgänger zu überhöhen.
Die Kamera begleitet und beobachtet, wobei die erwarteten Bilder von Drogenkonsum und Beschaffungskriminalität fast völlig ausbleiben. Stattdessen findet Heidinger sehr erhellende Momente, in denen die bürgerlich wirken wollenden Junkies an ihrer Fassade arbeiten. Aileen schminkt sich mitten auf dem Trottoir kauernd für den nächsten Kunden, Angel braucht eine kleine Ewigkeit, um seinen blondierten Pony akkurat zu gelen und die Armbänder mit Deo frisch zu machen.
Mit erstaunlicher Abgeklärtheit ertragen die Jugendlichen ihren trostlosen Alltag, wenn etwa Aileen und Angel eher amüsiert als aufgeregt über die ausländische Konkurrenz auf dem Strich reden, die die Preise ruiniere. Hin und wieder blitzt dann doch eine Sehnsucht nach kleinbürgerlicher Normalität auf. In einer der anrührendsten Szenen kocht Angel für einen seiner Freier und garniert die Beilagen auf dem Teller peinlich genau um das selbst panierte Schnitzel, das er zuvor mit einer Wodkaflasche weich geklopft hatte. Die Ordnung im Chaos.
Als Aileen schließlich mit Hepatitis diagnostiziert wird, verlässt sie Berlin und macht einen Entzug. Angel und auch ihr Freund Daniel bleiben im Niemandsland um den Bahnhof Zoo zurück. Am Ende sieht man, wie sich Daniel im öffentlichen Klo einen Schuss setzt. In der Hand den Brief von Aileen, die den Kontakt zu ihm abbricht, um nicht mehr rückfällig zu werden. Dazu ertönt im Klo vom Band die Stimme: "Die Benutzung ist in zwei Minuten abgelaufen, danach öffnet sich die Tür automatisch." Ein niederschmetterndes Bild.