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Wowereit nach der Steueraffäre: Berliner wollen keine Neuwahlen

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Andreas Abel und Carsten Erdmann

Regierender Bürgermeister weist Kritik im Fall Schmitz zurück. Heute debattiert das Parlament

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat sein Verhalten in der Steueraffäre um den ehemaligen Kultur-Staatssekretär André Schmitz (beide SPD) verteidigt und glaubt nicht an einen Erfolg des geplanten Volksbegehrens für die Auflösung des Abgeordnetenhauses: „Ich glaube, dass es in der Bevölkerung keine Neigung zu Neuwahlen gibt“, sagte er im Interview mit der Berliner Morgenpost. Mit Blick auf die Kritik an seinem Umgang mit Schmitz fügte Wowereit hinzu: „Es war aus meiner damaligen Sicht kein Fehler.“ Er stehe dazu, wie er es damals gesehen habe.

Wowereit war unter massiven Druck geraten, weil er 2012 von Schmitz’ Steuerbetrug erfahren, ihn aber im Amt belassen und den Vorgang nicht öffentlich gemacht hatte. Unterdessen verstärkt sich die Kritik daran, dass der Senat die Entlassung von Schmitz zurückgenommen und diesen stattdessen in den Ruhestand versetzt hat. So kommt Schmitz in den Genuss eines Ruhegehalts von rund 233.000 Euro. Am heutigen Donnerstag will sich das Abgeordnetenhaus mit dem Fall Schmitz befassen.

„Das Disziplinar- und das Beamtenrecht gab keine dienstrechtlichen Sanktionen her“, sagte der Regierende Bürgermeister mit Blick auf die Situation im Jahr 2012. Die politische Dimension eines solchen Falles ergebe sich immer aus der öffentlichen Diskussion. Die ändere sich allerdings ständig. „Die besondere Situation eines Falls ist aus der Rückschau nicht immer zu beurteilen. Man kann nach öffentlichen Debatten hinterher immer fragen, hätte das nicht anders gemacht werden müssen? Aber das führt nicht weiter“, sagte Wowereit. Die großen Debatten um Steuerhinterziehung seien alle nach 2012 geführt worden. „Das gesellschaftliche Klima hat sich verändert. Aber ich will meine Entscheidung von damals nicht relativieren. Ich verantworte sie“, betonte er.

Die Versetzung von André Schmitz in den einstweiligen Ruhestand stößt unterdessen auf breite Kritik. „Politisch überhaupt nicht akzeptabel“, nannte Alexander Kraus, Vorstandsvorsitzender des Bundes der Steuerzahler in Berlin, die Entscheidung des Senats. Es sei eine „kulante Lösung ohne jeglichen Streit“, wieder einmal falle ein Politiker sehr weich. „Das ist für normale Arbeitnehmer und Steuerbürger schwer zu verdauen“, sagte Kraus. „Rechtlich wohl einwandfrei, moralisch eher fragwürdig“, urteilte Beamtenbund-Landeschef Frank Becker. Schmitz’ Verhalten löse Kopfschütteln aus. Auch die Grünen rügten die Kehrtwende. Fraktionschefin Ramona Pop kritisierte den Senatsbeschluss als „hanebüchenes Manöver“. Es zeige, dass Wowereit „kein Unrechtsbewusstsein in der Causa Schmitz an den Tag legt“. Dessen teure Versetzung in den einstweiligen Ruhestand werfe ein schlechtes Licht auf Berlin. Das Vertrauen in Politik schwinde, wenn der Anschein der Kumpanei entsteht.

Die Senatskanzlei betonte indes, es habe aus rechtlichen Gründen keine andere Möglichkeit gegeben. Schmitz habe nicht gegen seinen Willen entlassen werden können. Bei der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand verliert Schmitz weder Beamtenrechte noch Pensionsansprüche. Er kann jederzeit reaktiviert werden.

Der Ex-Staatssekretär wird von dem prominenten Rechtsanwalt Peter Raue vertreten. Dieser wies die Kritik an seinem Mandanten zurück. „Kein denkender Mensch“ habe dessen Schreiben, mit dem er um die Entbindung von seinen Aufgaben bat, als Antrag auf Entlassung werten können. Juristen müsse klar sein, dass Schmitz dafür explizit um eine Entlassung hätte bitten müssen.